*) Anmerkung 1.
zu Seite 13.
Es ist der Unterschied
des Negativen und der Negation in der Mathematik,
von dessen klarer Erkenntniß alle Deutlichkeit an
dieser wichtigen Stelle der Philosophie abhängt. Die
Begriffe, Ausgabe und Einnahme in der Öconomie, sind
streng entgegengesetzte Begriffe: Ausgabe ist negative
Einnahme und Einnahme negative Ausgabe. Wenn jemand
so viel einnimmt als er ausgiebt, wenn er z. B.
+1000 einnimmt und -1000 ausgiebt, so ist das Resultat
seiner Öconomie 0. Die +1000 Einnahme wollen wir Positives,
die -1000 Ausgabe wollen wir Negatives nennen, so
ist dann das 0, welches wir zum Resultat erhielten,
die Negation. Niemanden wird es einfallen, die -1000
mit der 0 zu verwechseln und zu behaupten, daß, weil
nichts übrig behalten, die Folge vom Ausgeben der
gesammten Einnahme sei, eben deshalb das übrig bleibende
Nichts und die wirklich geschehene Ausgabe auch eins
und dasselbe sein müsse. – Ferner, Schuld und
Vermögen sind entgegengesetzte Begriffe, Schuld ist
negatives Vermögen und Vermögen negative Schuld. Wird
es uns je einfallen zu behaupten, Schulden haben und
Nichts haben, Negatives und Negation sei einerlei? –
Wenn wir uns von einem Orte A nach einem andern B
auf geradem Wege begeben, so entfernen wir uns offenbar
von A um eben so viel, als wir uns dem B nähern; nehmen
wir an, die Entfernung A von B sei =10 Meilen. Haben
wir 4 Meilen dieses Weges gemacht, so haben wir
uns B um +4 genähert, von A um -4 entfernt: kann nun
irgend jemand behaupten, wir hätten uns zwar gegen
B um +4 genähert, aber von A nicht entfernt: d. h.
sich entfernen und bleiben, -4 und 0, Negatives und
Negation sei eins und dasselbe. – In allen diesen
Beispielen ist der Widerspruch so handgreiflich, daß
ein Mißgriff fast unmöglich ist. Indeß bedarf es nur
eines leichten Blicks in die Geschichte der bisherigen
Physik und Philosophie, um allenhalben Folgen der
Vernachlässigung dieses allerwichtigsten Unterschiedes
zu finden. Um eins der auffallendsten Beispiele herauszugreifen,
betrachten wir die Art, wie man sich Leben und Tod
einander entgegengestellt hat: offenbar kann Tod nichts
weiter bedeuten als Nichtleben; wenn wir das Leben
+1 nennen, so ist der Tod = 0. Jeder Lebendige fühlte
sich gedrungen, eben weil er lebte, zu dem positiven
Leben, das er jetzt lebt = +1 ein negatives künftiges
Leben, = -1, ein Antileben unter irgend einer Gestalt
zu denken. Wenn er z. B. +1 zeitliches, irdisches
Leben nannte, so übersetzte er das - in dem -1, durch
den Gegensatz vom Zeitlichen, Irdischen, durch Ewiges
und Himmlisches. Leben heißt durchaus nichts weiter,
als ohne Ende Gegenleben annehmen, nach allen Seiten
ins Unendliche beleben: diesem Wesen des Lebens genügt
das Lebendige, indem es das Universum, wo es hingelangen
mag, disseits und jenseits mit positiven und negativen
Zuständen bevölkert. Demungeachtet melden sich Philosophen
und Theologen von allen Farben, weitläufig beweisend,
daß das Leben (oder die Seele) nicht sterbe, gleichsam
als könnte es doch noch einmal darauf hinauskommen,
daß Tod und Antileben, negatives Leben und die Negation
des Lebens, -1 und 0 eins und dasselbe wären. –
**) Anmerkung 2.
zu Seite 18.
Man theilt in der
Grammatik bekanntlich die einzelnen Worte der Sprache
in gewisse Classen, in Substantiva, Adjectiva, Verba,
Adverbia u. s. f. Die Weisheit früherer
Zeiten hob eine unter diesen Classen vor allen andern
hervor, indem sie die Individuen derselben Worte
Verba par exell. ohne weiteren Zusatz nannte. Zeitwörter,
wie sie in der deutschen Grammatik übersetzt worden,
ist eine schlechte und unvollkommene Bezeichnung.
Diese Verba haben das Auszeichnende vor allen andern
übrigen Worten, daß sie einer viel reicheren Veränderung,
Umstaltung oder Conjugation fähig sind als alle andre.
Diese Verba bezeichnen die Bewegung, das Handeln der
unendlichen Natur wie der Individuen, da- <27:>
hingegen die Substantiva dem Bleibenden, Ruhenden,
zugewiesen sind. Die Verba sind gleichsam die Flüsse
und die Meere der Sprache, die Substantiva hingegen,
Felsen und festes Land: die Verba das Blut, die Substantiva
das Fleisch der Sprache. Die Bewegung erzeugt ein
Bleibendes, das Bleibende löst löst sich in Bewegung
auf, die Bewegung in neues Bleibende u. s. f.:
der Baum schlägt aus, dieses Leben offenbart sich
im Laube: er blüht; Blume: er reift;
Frucht. Wie unsrer obigen Darstellung zufolge
nun alles Handeln nur angeschaut werden kann, als
Verhältniß zweier Elemente, des Handelnden und des
Behandelten, so müssen unter allen möglichen Flexionen
und Veränderungen, die mit dem Sprachrepräsentanten
des Handelns, mit dem Verbum vorgenommen werden können,
zwei Grundformen vor allen andern sich auszeichnen;
in deren einen sich das Handeln im Handelnden, in
deren anderen sich das Handeln im Behandelten darstellen
muß. – Das erstere geschieht im Activum, das
andre im Passivum. – Wie nun in der Sprache z. B.
das ruhende Substantiv: Liebe, in der bewegten
Gestalt des Verbums sich auflöst in vielfache Actionen
und Reactionen von lieben und geliebt werden, und
das Wesen der Liebe selbst als das Mittlere, als die
unsichtbare Einheit, als Antigegensatz durch alle
mannichfachen Beugungen und Umstaltungen des Verbums
hindurch greift: so soll in der wahrhaft philosophischen
Darstellung jede Erscheinung des Lebens selbst leben,
und unter unendlichen Formen gelebt, belebt und erlebt
werden, um dann selbst wieder zu beleben u. s. f.