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Reinhold Steig, Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe (Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 649-651

Zehntes Capitel.
Auflösung der Patriotengruppe und Kleist’s Tod.


Der Sommer 1811 brachte die allmähliche Auflösung der Berliner Patriotengruppe. Die Reformen waren mit des Königs Willen nunmehr in den Grundzügen durchgesetzt. Selbst ein organisirter Widerstand hätte daran nichts ändern können. Dem zu trotzigen Widerspruche Einzelner begegnete Hardenberg mit der energischen Anwendung staatlicher Machtmittel. Es kam dem Reformwerke zu Statten, daß die auswärtigen Angelegenheiten immer mehr die Sorge der Preußischen Patrioten, namentlich der Offiziere, auf sich zogen. Diejenigen Mitglieder, die dem Grundbesitzenden Adel angehörten, gingen zum Sommer auf ihre Güter fort. Die Uebrigbleibenden waren keine politische Macht mehr, mit der ernstlich gerechnet werden mußte. Die Tischgesellschaft ist zwar später wieder zusammengetreten: aber ihre Bedeutung für das politische Leben war dahin.
Hardenberg vergaß die früheren Kämpfe aber nicht. Er behandelte seine Gegner anders als die treuergebenen Anhänger. Namentlich hielt er an dem Grundsatze fest, keinen seiner poltischen Gegner in die Verwaltung hineinzulassen. Diese Erfahrung mußten die Freunde von den Abendblättern, <650:> einer nach dem andern, machen. Ich lasse die Acten des Staatskanzlers sprechen. Berlin, 5. 12. 1810 der Dr. Beckedorff bittet um die Protection Sr. Excellenz zu seinem künftigen Fortkommen: Zu den Acten 6. 1. 1811. – 6. 1. 1811 der Dr. Beckedorff in Betreff seiner Anstellung: Zu den Acten 3. 2. 1811. – 24. 3. 1811 Beckedorff wegen Bestimmung der äußeren Verhältnisse seiner Wiederanstellung: Zu den Acten bis auf weitere Anregungen. Die Folge war, daß Beckedorff Ende Juni 1811 Berlin verließ. Der Marquis de Bombelles überreicht im December 1810 die Abschrift eines Entschädigungsgesuches: ad acta. Berlin 14. 12. 1810 der p. von Barnekow bittet um einen Vorschuß von 250 Thalern: ad acta. Berlin 20. 12. 1810 der p. von Rappard in Betreff der Zurückforderung von Bankpapieren: unerledigt. Berlin 27. 8. 1810 bewirbt sich Adam Müller um Anstellung: Antwort 31. 8. 1810, die Finanz-Commission sei bereits angewiesen, ihm das Wartegeld von 1200 Thalern in den gewöhnlichen Raten zu zahlen – damals versah man sich von ihm noch einer Unterstützung der staatskanzlerischen Politik. Im September wieder „Schreiben des Hofraths Müller wegen gewünscht werdender Anstellung“: kein Erledigungsvermerk. – 28. 11. 1810 Adam Müller wegen der Stelle eines Kanzlers auf der Universität Frankfurt: nach gutachtlicher Aeußerung Schuckmann’s 16. 1. 1811 abschläglich beschieden. Ueber die officielle Vereitelung der Staats-Anzeigen oben S. 153; die Folge war, daß Adam Müller im Mai 1811 Berlin verließ\*\. Achim <651:> von Arnim stand dermaßen schlecht angeschrieben, daß man ihn, von einer Civilanstellung ganz zu schweigen, 1813 nicht einmal bei der Landwehr haben wollte. Heinrich von Kleist theilte mit seinen Freunden das gleiche Loos.

\*\ Auf dem Geh. Staatsarchiv befindet sich ein Briefwechsel zwischen Gentz und Hardenberg, über welchen ich in der Deutschen Litteratur-Zeitung 1901 Nr. 4. berichtet habe. Gentz fragt aus Wien, den 26. Juni 1811, bei Hardenberg an, ob Adam Müller zur Anstellung in Preußen noch Aussicht habe; es geht aus dem Schreiben hervor, daß Müller vom Staatskanzler geheimen Auftrag an Gentz hatte. Hardenberg antwortet, 24. August 1811, auf die Frage mit Ja, drückt aber seine Verwunderung darüber aus, daß Müller seit seinem Fortgange von Berlin nichts habe von sich hören lassen. Müller blieb thatsächlich noch, wie er es selbst ausgesprochen hat, im Zusammenhange mit Hardenberg, der ihn in Oesterreich brauchen konnte.

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Letzte Aktualisierung 06-Feb-2003
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