Reinhold Steig, Heinrich von Kleists Berliner Kämpfe
(Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 605f.
Schlußbemerkung.
Wenden wir jetzt, wo die Betrachtung der Berliner Abendblätter
abgeschlossen ist, den Blick auf ihre Gesammterscheinung zurück.
Ursprünglich um politischer Ziele willen begründet, traten
sie auch für Erhöhung aller anderen Formen des Lebens ein.
Was in ihnen für Religiosität, für Theater, Kunst und Volkserziehung
geleistet worden ist, habe ich in besonderen Abschnitten darzulegen
gesucht. Weiteren Capiteln sind die litterarischen Bestrebungen
der Abendblätter als Stoff und Inhalt zugefallen. Arbeitsam
und energisch erscheint Heinrich von Kleist in der Mitte seiner
Freunde. Alle Arten minderer und höherer Schriftstellerei
werden von ihm beherrscht. Die Masse dessen, was seine Feder
einst hervorbrachte, wächst vor unsern Augen. Wir unterscheiden
in seinen Schriftstücken, je nachdem sie das Bedürfniß des
Tages, oder die Idee seiner Persönlichkeit hervorrief, einen
minderen und einen höheren Stil. Alltäglich und festtäglich
geht es in den Abendblättern zu. Für die Erkenntniß Kleistischer
Eigenart und Arbeitsweise sind sie wichtiger, als der Phöbus,
dessen Haltung immer festlich <606:> war. Den Phöbus
hemmte die Theilnahmslosigkeit der gebildeten Leser, für welche
er geschrieben wurde. Die Abendblätter, von der Gunst des
Volkes getragen, gingen durch den beleidigten Willen des Staates
zu Grunde. Es blieb, wie Kleist in seiner Schluß-Anzeige sagte
(oben S. 164), eine Differenz zwischen dem übrig, was
die Erscheinung leistete, und was sie sich befugt glaubte
zu versprechen. Wie dem sei, das Geleistete ist ehrenvoll
für Kleist, und es giebt eine Vorstellung dessen, was Kleist
aus den Abendblättern hätte machen können, wenn ihr Wachsthum
nicht vor der Zeit gebrochen worden wäre.
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