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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Reinhold Steig, Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe (Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 585-587

18. Merkwürdige Prophezeihung.


Unmittelbar hinter dem vorigen Stücke im 6. Abendblatte 1811. In den einleitenden Worten auf das engste mit dem Schlußgedanken der „Unwahrscheinlichen Wahrhaftigkeiten“ zusammentreffend, daß der Geschichtsschreiber auch ein unwahrscheinliches Factum, wegen der Unverwerflichkeit der Quellen und der Uebereinstimmung der Zeugnisse, aufzunehmen genöthigt sei. Von Kleist nach dem äußerst unterhaltenden französischen Werke, das er citirt, gearbeitet: in welcher Weise, lehre neben der Originalstelle (1, 195-197) der Text der Abendblätter:

Merkwürdige Prophezeihung.

Monsieur d’Apchon, évêque de Dijon, puis archevêque d’Auch, était dans son enfance chevalier de Malte, et destiné par sa famille au service de la marine. Pendant qu’il étudiait au collége de Lyon, il y passa un jésuit e espagnol qui jouissait parmi ses confrères d’une grande réputation de sainteté, et auquel on attribuait le don de prédire l’avenir. <586:> Le préfet du jeune d’Apchon présenta son élève à ce jésuite, et lui demanda ce qu’il pensait sur son sort à venir? Celui-ci, après avoir bien examiné l’enfant, répondit: „Ayez soin de le faire bien etudier; il doit être un des soutiens de l’Eglise, et sera le troisième évêque de Dijon“; horoscope d’autans plus singulier qu’il n’y avait point encore d’évêché dans cette ville. Les jeunes pensionaires rirent beaucoup de cette prédiction, et donnèrent au jeune d’Apchon le sobriquet de l’Évêque, qui lui fut même continué par ses noveaux camarades quand il entra dans les Gardes marines, … l’horoscope de M. d’Apchon se trouva accompli, puis-qu’il fut le troisième évêque de Dijon.
Cette anecdote a été attestée par tous ses contemporains; et si quelque chose peut encore en confirmer la vérité, c’est que ce respectable Prélat … se plaisait à la raconter comme fait positif …

In dem Werk: Paris, Versailles et les Provinces au 18me siecle, par un ancien officier aux gardes françaises, 2 Vol. in 8. 1809 wird die Erzählung einer sonderbar eingetroffenen Vorherverkündigung mit zu viel historischen Angaben belegt, als daß sie nicht einiger Erwägung werth wäre. Herr von Apchon war in seiner frühen Jugend Maltheser- <586:> ritter, und von seiner Familie zum Seedienst bestimmt. Als er in dem Collegium zu Lyon war, wurde er einem spanischen Jesuiten vorgestellt, der, unter seinen Mitbrüdern, für einen Wahrsager galt. Dieser, als er ihn ins Auge faßte, sagte ihm, auf eine sonderbare Weise, daß er einst Eine der Stützen der Kirche, und der dritte Bischof von Dijon werden würde. Man verstand den Jesuiten um so weniger, da es damals in Dijon keinen Bischof gab, und Herrn von Apchon ward, von diesem Augenblick an, von seinen Mitschülern spottweise der Bischof genannt: einen Zunamen, den er auch nachher als Seekadet beibehielt. Zehn Jahre darauf\*\ ward Herr von Apchon Bischof von Dijon, und nachheriger Erzbischof von Auch. –
Diese Begebenheit bestätigen alle Zeitgenossen; und der ehrwürdige Prälat selbst hat sie, durch sein ganzes Leben, erzählt.

[\*\ Von „zehn Jahren“ steht nichts im französischen Original.]

Ich benutze die Gelegenheit, um auf Gotthilf Heinrich Schubert’s Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaften einzugehen; denn die Gesinnung solcher Kleistischen Aufsätze, wie der Merkwürdigen Prophezeihung u. a., kommt mit derjenigen Schubert’s überein. Schubert hat in seiner Selbstbiographie die Erinnerung an sein und Kleist’s befreundetes Streben festgehalten. Der Inhalt des genannten Werkes ist die wissenschaftliche Vertheidigung und historische Beglaubigung derjenigen Erscheinungen des seelischen Daseins, die, als dem <587:> Verstande unbegreiflich, von der sog. Aufklärung abgelehnt wurden. Das Werk ging aus Vorlesungen hervor, die Schubert 1808 in Dresden hielt. Kleist befand sich wohl unter den Zuhörern: man kann erschließen, daß er der achten Vorlesung über die „organische Welt“ beiwohnte. Denn zwei der schönsten Stellen, die allen Druckgestalten des Werkes verblieben sind, wurden zuerst im Phöbus, April- und Maiheft 1808, unter Schubert’s Namen veröffentlicht: die Auffindung des Bergmanns zu Falun und eine Schilderung nordischer Regionen in Urzeit und Gegenwart. Wie oft ist seitdem der Bergmann von Falun in Poesie und Prosa bei uns behandelt worden! Bei dieser engen Verbindung zwischen Kleist’s und Schubert’s Schriftstellerthum, werden wir begreiflich finden, daß auch das, was Schubert in der vierten Vorlesung über die der menschlichen Natur nicht fremde Gabe der Vorahndungen sagt, mit Kleist’s Anschauungen sich deckt. Wie Schubert, bringt Kleist Beispiele von allen Seiten zusammen und veröffentlicht sie. Es war das wirksamste Mittel, Ansichten eines höheren Lebens in die Masse des Volkes fließen zu lassen.

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Letzte Aktualisierung 06-Feb-2003
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