Reinhold Steig, Heinrich von Kleists Berliner Kämpfe
(Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 580f.
15. General Westermann.
Kleists Freude an militärischer Bravour strahlt ferner
aus einer flotten Schilderung des Generals Westermann, die
er als anonyme Miscelle in das 20. Abendblatt, vom 24. Januar
1811 setzte:
In Chateauneuf des généraux qui sont illustres dans la
guerre de la revolution findet man sehr viel Merkwürdiges
über den General Westermann, der unter dem Zunamen:
der Fleischer der Vendee, bekannt war. Westermann, heißt es
darin, strahlte als Heerführer in den Schluchten und Forsten
der Vendee. Er hatte ein ausgezeichnetes Talent für dieses
Terrain und würde vielleicht auf flachem Lande kein so guter
General gewesen sein. Mit einer schönen, hohen, anmuthigen
Gestalt verband er persönliche Bravour im höchsten Grade;
sein Auge flammte drohend, wenn die Schlacht begann, seine
Stimme glich dem Donner, und seine stürmische Hitze siegte
allenthalben, wo er sich an die Spitze stellte. Wenn sich
der Sieg nicht schnell zu seinen Gunsten ergab, zog er den
Rock aus, streifte die Hemdärmel wie ein Fleischer auf, nahm
die Zügel seines Pferdes in den Mund, faßte mit jeder Hand
eine geladene Pistole, hieng seinen großen Säbel an die Faust
und stürzte sich, an der Spitze seiner Cavallerie, in das
dichteste Gedränge. Oft sah man ihn mit 500-600 Husaren auf
diese Art in den Feind hineinstürzen und allein wieder zurückkommen,
indem er alle Leute verloren hatte, und über und über voll
Wunden war; oft trug er den Arm in einer Binde, oder war selbst
aufs Pferd gebunden, wenn er in die Schlacht ritt. Die Soldaten,
welche erstaunten, daß er so wunderbar mit dem Leben aus so
vielen Schlachten davongekommen war, ließen es sich nicht
ausreden, daß er einen Bund mit dem Teufel gemacht habe.
Chateauneufs Werk war mir unzugänglich, so daß ich keine
Einsicht in das Verhältniß des deutschen und des französischen
Textes nehmen konnte. Irre ich aber nicht, so hat sich <581:>
Kleist bei seiner Übertragung frei und kühn bewegt. Chateauneuf
muß damals viel gelesen worden sein. Als 1810 ein (zufällig
hier vorhandener) angeblicher Anhang zu Chateauneuf erschien,
in dem sich der ungenannte Autor sehr bösartig über Friedrich
Wilhelm III. ausließ, nahm sich Adam Müller in einer
Literarnotiz der Abendblätter (Nr. 19, 1810) dieses Machwerk
vor und gab die freche Unwissenheit des Verfassers dem Gespötte
der preußischen Leser preis: und zwar ohne Person und Namen
des regierenden Herrn mit einer Silbe zu erwähnen und in die
Debatte zu ziehen.
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