Reinhold Steig, Heinrich von Kleists Berliner Kämpfe
(Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 506f.
5. Ein Fehlurtheil des Obristlieutenants
von Ompteda.
Mit dem, was ich vorstehend
ausgeführt habe, könnte ich den Artikel über Adam Müller schließen,
fühlte ich mich nicht veranlaßt, ein Fehlurtheil des Obristlieutenants
von Ompteda mit Bezug auf Müller zur Sprache zu bringen.
Ompteda
hatte Kleist aus freien Stücken für die Abendblätter die Fragmente
eines Zuschauers am Tage zugestellt (oben S. 91),
die, obwohl mit extremer Schärfe ausgesprochen, doch mit der
Gesinnung der Freunde Kleists zusammentrafen. Auf Omptedas
Fragmente im 29. Abendblatt, vom 2. November 1810,
die eine Seite lang waren, kamen, einen Monat später, vier
enge Seiten antikritischer Bemerkungen über das erste
Fragment eines Zuschauers am Tage heraus, welche, ohne
principiellen Widerspruch zu üben, mit seichter Geläufigkeit,
die den Schein von Tiefsinn anzunehmen sich bestrebte, mit
Worten um die Worte stritten. Unterzeichnet ist diese Antikritik
mit W und offenbar haben wir es hier mit demselben
Autor zu thun, dessen gereimten Sinnsprüchen, so schlecht
sie waren, Kleist aus irgendwelchen Gründen die Abendblätter
nicht hatte versperren dürfen. Wer der W sein möchte,
war auch Ompteda damals nicht <507:> bekannt, und er
rieth, was uns heute unglaublich scheint, auf Adam Müller
als Verfasser. Er entwarf nun seinerseits eine Entgegnung,
aus der ein paar Sätze erhalten sind, deren Aufnahme Kleist
jedoch abzuwenden wußte. Adam Müller war gänzlich ohne Schuld
dabei, und die Ausführung zum zweiten Bande des Politischen
Nachlasses Omptedas (S. 6), die nach äußerlichem
Material das Gegentheil behauptet, ist ohne Einblick in den
wirklichen Bestand der Abendblätter abgefaßt. Dies Mißverständniß
trug leider dazu bei, daß Omptedas Interesse für die
Abendblätter schwand. Mit Herrn von Kleist (schrieb
er seinem Bruder im Januar 1811) bin ich ganz piano aus einander
geschieden, was auch nach der immer mehr erkannten Verschiedenheit
unserer Gesinnungen das beste war. Die Verschiedenheit
der Gesinnungen existirte jedoch nur in der trügenden Vorstellung
Omptedas.
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