| 
                   Reinhold Steig, Heinrich 
                    von Kleists Berliner Kämpfe (Berlin, Stuttgart: 
                    Spemann 1901), 313-324 
                     
                    5. Rector und Senat in Kleists 
                    Abendblättern.  
                     
                     Im 41. Berliner 
                    Abendblatt, vom 16. November 1810, erschien unter den 
                    Polizeilichen Tages-Mittheilungen die Notiz: Eine 
                    Schlägerei zwischen Studenten und Handwerksburschen auf einem 
                    Tanzboden sei durch das Hinzukommen eines Polizei-Offizianten 
                    und der Jäger-Patrouille unterdrückt, bevor Jemand beschädigt 
                    worden. Für derartige Mitthei- <314:> lungen hatte 
                    Kleist keinerlei Verantwortung zu tragen. Sondern sie kamen 
                    ihm, wie das in Abendblättern öffentlich ausgesprochen worden 
                    war, vom Polizei-Präsidenten Gruner zu, dem er die Aufnahme 
                    einzelner Notizen, selbst wenn sie ihm nicht genehm gewesen 
                    wären, doch nicht hätte abschlagen dürfen. 
                     Die Notiz machte in den Universitätskreisen das peinlichste 
                    Aufsehen: aus welchem Grunde, lehren andere Acten der Universität. 
                     Es war eine der schwersten Aufgaben für die Universitätsbehörden, 
                    die von den verschiedensten Hochschulen zusammengeströmte 
                    Studentenschaft zu innerer Einheitlichkeit durchzubilden und 
                    in die Erfordernisse des groß- und residenzstädtischen Lebens 
                    einzugewöhnen. Das Berliner Publicum zeigte wenig Neigung, 
                    für hier und da verübten Studentenunfug eine Entschuldigung 
                    aus dem Uebermuthe der Jugend herzuleiten. Aber auch das preußische 
                    Disciplin verlangende Auge des Königs hatte gewisse Freiheiten 
                    studentischen Auftretens Unter den Linden mit Unwillen bemerkt. 
                    Des Königs Aeußerungen wurden zur Kenntniß des Senats gebracht, 
                    der darüber amtlich verhandelte, und Savigny verfaßte einen 
                    die Studentenschaft vorsichtig verwarnenden Anschlag an das 
                    schwarze Brett, der in den Acten noch vorhanden ist. 
                     Unter diesen Umständen hatte die Abendblatt-Notiz 
                    etwas Aufregendes für die Universität, Professoren wie Studenten. 
                    Die Universitätsbehörden faßten sie mit Recht  
                    eine autoritative Eideshülfe für Kleist!  als eine 
                    halbofficielle auf, die schwerer wiege als eine 
                    gewöhnliche Zeitungsnachricht. Und als gar der Universitätssecretär 
                    dem Rector Schmalz das Abendblatt amtlich vorlegte, ersuchte 
                    dieser nicht Kleist, sondern gleich den Polizei-Präsidenten 
                    Gruner unter dem 26. November (also gewiß nach vorheriger 
                    Besprechung mit seinen <315:> Amtsgenossen), ihn mit 
                    einer näheren Auskunft zu versehen und ihm wenigstens Einen 
                    der in den Vorfall verwickelt gewesenen Studenten namhaft 
                    zu machen. Gruner erklärte, daß die Schlägerei auf dem Michaelisschen 
                    Tanzboden stattgefunden habe und durch die Dazwischenkunft 
                    des Polizeisergeanten Lucas unterdrückt worden sein. (Die 
                    an sich gleichgültigen Namen sind hier und nachher doch zu 
                    nennen, weil ohne sie Fichtes unbarmherzige Ironie nicht 
                    verständlich werden würde.) Weil Niemand eine bedeutende Beschädigung 
                    erlitten habe, sei auch keine Verhaftung oder nähere Erörterung 
                    vorgenommen worden, weshalb er nicht im Stande wäre, einen 
                    von den implicirten Studenten namhaft zu machen. 
                     Sofort erließ der Rector Schmalz eine neue Rückfrage 
                    an den Polizei-Präsidenten nach den Gründen, die den Polizeisergeanten 
                    Lucas veranlaßt hätten, die darin begriffen gewesenen Individuen 
                    theilweise für Studenten zu halten: Da die Studirenden 
                    die Nachricht über diesen Vorfall im Abendblatt billig sentirt 
                    haben, und eine berichtigende Erklärung deshalb wünschen, 
                    so ersuche Euer Hochwohlgebornen ich ergebenst, mich mit der 
                    gewünschten Auskunft baldgefälligst versehen zu wollen, welche 
                    zur nähern Beurtheilung des Gesuchs mir nothwendig ist. 
                    Ersichtlich in die Enge getrieben, nannte jetzt Gruner, als 
                    an einem vorhergegangenen Streite betheiligt, einen 
                    vor Kurzem wegen eines ähnlichen Vergehens zum Arrest 
                    gekommenen Gesellen Rademacher und einen Studenten 
                    von Dittmar. Das Factum sei nicht zu bezweifeln. Da eine weitere 
                    Untersuchung auf keinen Fall zu dem beabsichtigten Widerrufe 
                    führen könne, sei es das Rathsamste, die Sache auf sich beruhen 
                    zu lassen. Dieser Bescheid datirt vom 11. December 1810. 
                     Doch Gruner hatte sich verrechnet, wenn er glaubte 
                    auf diese Weise los zu kommen. Schmalz faßte ihn sofort <316:> 
                    wieder an. Er konnte feststellen, daß der genannte von Dittmar 
                    kein bei der Universität immatriculirter Student war: Es 
                    scheint daher, daß das Factum selbst, als hätten wirklich 
                    immatriculirte Studenten an jener Schlägerei thätigen Antheil 
                    genommen, noch nicht außer allem Zweifel ist. Euer Hochwohlgebornen werden auch gewiß ohne weitere 
                    Versicherung sich von selbst überzeugen, wie unangenehm dergleichen 
                    Artikel in öffentlichen Blättern der gesitteten Mehrzahl der 
                    Studenten sein müssen, auf deren Rechnung überhaupt manche 
                    junge Leute ihre Streiche verüben mögen. Gerade dies scheint 
                    bei jener Schlägerei der Fall gewesen zu sein. Melden sich 
                    nun, wie es denn bei dieser Gelegenheit geschehen ist, Studirende 
                    bei mir, und klagen über dergleichen Prostitutionen ihres 
                    Standes, so muß ich wünschen, entweder, sie überführen zu 
                    können, daß das Factum wahr sei, oder, wo ich dazu nicht in 
                    den Stand gesetzt bin, daß auf demselben Wege, als eine solche 
                    nichtbegründete Nachricht ins Publicum gekommen, eine berichtigende 
                    Erklärung deshalb erfolge. Der Geist der Ambition unter den 
                    Studirenden, welcher sie selbst zu diesem Wunsche leitet, 
                    ist wichtig für die Disciplin, und ich wünsche sehr, daß er 
                    bleiben möge, zu gutem Erfolge für dieselbe. Euer Hochwohlgebornen 
                    ersuche ich ganz ergebenst, eine dergleichen kurze Benachrichtigung 
                    durch die Redaction der Abendblätter für den vorliegenden 
                    Fall veranlassen und damit die Sache beendigen zu wollen. 
                    Sie würden mich vorzüglich verbinden, wenn Sie künftig unnachsichtig 
                    bei solchen Vorfällen zu verfahren die Güte haben. Dies 
                    Schreiben ging schon wieder am 13. December ab und wurde 
                    am 20. im Polizei-Präsidium vorgelegt. 
                     Gruner wand sich nach der Möglichkeit, um seinen Beamten 
                    zu decken und sich selbst nicht preis zu geben. (2. Januar 
                    1811:) Die ihm gemachte officielle Anzeige sei doch im <317:> 
                    Substanziellen begründet. Der Polizeisergeant habe dem Zeugniß 
                    des Wirths, des Rademacher und eines Sommer, der jetzt noch 
                    genannt wird, mit Fug trauen dürfen. Studenten wären wenigstens 
                    kurz vorher und zwar bei dem Ursprunge der entstandenen 
                    Streitigkeit im Kaffeehause gegenwärtig gewesen. Er, 
                    Gruner, müsse dem Rector überlassen, eine Anzahl Studenten 
                    (die, darunter Waubke, namhaft gemacht werden) dazu anzuhalten, 
                    daß sie ihre Abwesenheit bei dem Vorfall durch gültige Beweismittel 
                    darthun; er bemerke indessen zum Voraus: daß auch in 
                    diesem Falle der ihn compromittirende Widerruf von seiner 
                    Seite nicht erfolgen könnte, indem der Herr von Dittmar, welcher 
                    der eingezogenen Erkundigung nach bisher Frankfurter Student 
                    war, geständlich mit andern Frankfurter Studenten zugegen 
                    gewesen. Um aber dem Rector und dem Senat einen Beweis 
                    zu geben, wie gern er zur Erhaltung der Disciplin die Hand 
                    biete und wie sehr es ihm einleuchte, daß die mögliche Schonung 
                    bei allen das Ehrgefühl kränkenden Rügen hierzu kräftig mitwirke, 
                    so werde er in Zukunft die öffentliche Bekanntmachung von 
                    ähnlichen Vorfällen, welche keine ernsthaften Folgen gehabt 
                    hätten, nach seinen Kräften zu verhindern suchen. 
                     Da auf diesem Wege eine befriedigende Erledigung des 
                    Vorfalles von Gruner nicht zu erreichen gewesen war, wandte 
                    sich der Rector nunmehr an die Gruner vorgesetzte Behörde, 
                    an das Departement für die allgemeine Polizei im Ministerium 
                    des Innern, dessen Chef der Geheime Staatsrath Sack war. Er 
                    stellte den Sachverhalt dar und legte den mit Gruner gepflogenen 
                    Schriftwechsel bei. Ich hebe das Wesentliche aus. Die 
                    Studirenden (erklärt Schmalz), sind hier so manchen und widersprechenden 
                    Urtheilen ausgesetzt, daß es ihnen selbst nicht verdacht werden 
                    kann, darauf zu halten, daß nicht unerwiesene, ihnen nachtheilige 
                    Vorfälle, auf halbofficiellem <318:> Wege, 
                    in ein gelesenes, vielleicht unter die Augen Sr. 
                    Majestät des Königs kommendes Blatt zur allgemeinen Wissenschaft 
                    gebracht werde. Der Senat bittet Sack, den Herrn 
                    Polizeipräsidenten Gruner anzuweisen, den Widerruf jenes Artikels 
                    in den Abendblättern zu veranlassen, und stellt 
                    Sacks Ermessen anheim, ob dieser Widerruf nicht etwa 
                    von einer im Entwurfe beiliegenden Erklärung Seitens der Universität 
                    zu begleiten sein möchte. Folgenden Wortlaut hat der Entwurf 
                    dieser 
                     
                       Erklärung. 
                    Die in Nr. 41 des hiesigen Abendblatts unter den polizeilichen 
                    Mittheilungen enthaltene Nachricht, von einer auf einem hiesigen 
                    Tanzboden zwischen Studenten und Handwerksburschen vorgefallenen 
                    Schlägerei, (welche durch die Zwischenkunft eines Polizeioffizianten 
                    unterdrückt worden,) macht es nothwendig, hierdurch zu erklären, 
                    daß von den Studenten hiesiger Universität Niemand der Theilnahme 
                    an derselben schuldig befunden worden, und jene Nachricht 
                    in so weit also falsch ist. Das achtungswerthe Publikum der 
                    Residenz ist zu einsichtsvoll, als daß ihm entgangen sein 
                    sollte, wie vieles von dem, was von den hiesigen Studirenden 
                    zu ihrem Nachtheil debütirt wird, ungegründet und übertrieben 
                    ist. Um desto mehr ist es die Pflicht des Senats, solchen 
                    Gerüchten möglichst zu begegnen, welche nur dahin führen, 
                    die gesittete Mehrzahl der Studirenden herabzusetzen, und 
                    sie derjenigen Achtung zu berauben, welche ihnen eine freundliche 
                    Aufnahme in den gebildeten Cirkeln Berlins sichert. 
                     Berlin, d. 9. Januar 1811. 
                       Rector und Senat der Universität.\*\ 
                     
                      Die Entwürfe dieser Erkärung und der Beschwerdeschrift 
                    an Sack legte der Rector vorher den Decanen zur Begutachtung 
                    vor. Die Decane waren Fichte, Hufeland, Biener, <319:> 
                    Schleiermacher. Zuerst kamen die Schriftstücke an Fichte, 
                    der seine Ansicht auf zwei Folioseiten eigenhändig auseinandersetzte. 
                    Mit welcher Ironie und Schärfe er dabei verfährt, und wie 
                    er doch, durch Erweiterung der allgemeinen Gesichtspunkte, 
                    eine Art Culturbild aus den beginnenden Zeiten der Universität 
                    Berlin gezeichnet hat, entnehme man den eignen Worten Fichtes 
                    selbst: 
                     Ich halte diese Debatte (schreibt Fichte) nicht 
                    nur um ihres Gegenstandes willen, sondern auch um deswillen 
                    für höchst wichtig, weil die Universität, unter Behörden beginnend, 
                    die theils übelwollend scheinen, theils dieselbe etwas oberflächlich 
                    zu behandeln geneigt sein dürften, die Kraft zu zeigen hat, 
                    ihr Recht zu behaupten, und den Verstand, sich nicht durch 
                    solche schiefe Windzüge irre machen zu lassen, als der beigelegte 
                    Brief (Gruners vom 2. Januar 1811) enthält. 
                     
                    1) ist klar, daß als der pp. Herr Gruner die in Anspruch 
                    genommende Anzeige abfassen ließ, er gar nichts für sich hatte, 
                    als die Anzeige seines Lucas; daß er es aber für so 
                    gleichgültig hält, von Studenten zu schreiben, was er wollte, 
                    als ob er es mit einer gewissen Klasse von Weibspersonen, 
                    die auch unter der Aufsicht der Policey stehen, zu thun hätte; 
                    und daß er erst, nachdem er in Anspruch genommen, (sein jetziger 
                    Brief sagt dies ausdrücklich) angefangen hat, sich nach den 
                    ihm abgehenden Gründen umzusehen; wo er denn in seiner Verlegenheit 
                    es mit Waubke &c. oder, wie etwa das nicht gehen sollte, 
                    mit v. Dittmar &c. versucht. 
                    2) ist es von einem bedachten Manne etwas stark, daß er noch 
                    in seinem Lezten versichert, das Substantielle der 
                    ihm gemachten Anzeige habe sich begündet gefunden. Das Substantielle 
                    in der in den Abendblättern abgedruckten Anzeige ist eine 
                    Schlägerei der Studenten mit Handwerksburschen. Das 
                    Höchste, was dieser Brief auf die genannten bringen möchte, 
                    ist ihre Anwesenheit auf dem Kaffeehause vorher, 
                    und bei dem Ursprunge der entstandenen Streitigkeit. 
                    (Wenn die Sache aus dem Grunde untersucht werden könnte, so 
                    würde sich vielleicht finden, daß überhaupt gar keine Schlägerei, 
                    sondern nur ein Wortwechsel vorgefallen, daß man aber in 
                    anima vili den Mund recht vollgenommen.) <320:> 
                    3) ist es erwünscht für uns, daß Herr pp. Gruner uns 
                    die Genealogie seines erfolgten Glaubens vorlegt. Er glaubt 
                    Lucas, Lucas glaubt Michaelis, Sommern, Rademachern, als höchst 
                    glaubwürdigen Leuten, und täglichen Besuchern des Kaffeehauses. 
                    Ich will auch glauben, daß diese ausgesagt, was sie für wahr 
                    gehalten. Bisher sind in Berlin Studenten genannt worden  
                    Schüler, Pepinieristen, Barbiere, und allerlei junge Leute, 
                    die nicht geradezu Handwerkspurschen waren. In diesem Sinne 
                    mögen die glaubhaften recht haben. Was seit Errichtung einer 
                    Universität allhier dazu gehöre, daß jemand rechtskräftig 
                    ein Student genannt werden könne, das mag wohl Rademacher 
                    bis heute noch nicht wissen, vielleicht ebensowenig Lucas. 
                    Herr pp. Gruner freilich wußte es; aber er hat erst seit 
                    der an ihn ergangenen Erinnerung sich dessen entsonnen. 
                    4) ich überlasse Rechtskennern zu entscheiden, ob auf die 
                    vorliegende Anzeige hin, von Personen, wie Lucas u. s. w., 
                    die sich im Gedränge befinden, die schon früher unbedachtsam 
                    gehandelt haben, die dadurch fidem verlieren müssen, 
                    die genannten Waubke &c. zu dem geforderten Beweise anzuhalten 
                    sind. Mir nach meinem natürlichen Verstande kommt dies gerade 
                    so vor, als ob ich hätte drucken lassen, der Herr PoliceyPräsident 
                    Gruner selbst sey bei der bewußten Schägerei mit gewesen; 
                    und, wenn ich darüber zur Rede gestellt würde, antwortete: 
                    es hätten mir dies ein paar glaubwürdige alte Weiber versichert, 
                    und ich werde mein Wort nicht eher zurücknehmen, bis er seine 
                    Abwesenheit bei dem Vorfalle durch gültige Beweismittel dargethan 
                    hätte. 
                    5) Was die Beziehung auf v. Dittmar und andere Frankfurter 
                    Studenten betrifft; so ist wohl klar, wenn in einem Policeyberichte 
                    einer soebenerst zur Universitätsstadt gewordenen Stadt, und 
                    in einem Blatte, wo von dieser neuen Universität oft die 
                    Rede gewesen, das Wort Student vorkommt, man natürlich 
                    versteht: hiesige Studenten; und daß, wer es nicht so verstanden 
                    wissen will, das Wort Frankfurter oder auswärtige 
                    wirklich hinzusetzen, nicht aber stillschweigend es voraussetzen 
                    muß. 
                    6) Compromittirt hat sich pp. Gruner schon durch 
                    seine Anzeige; der Widerruf ist nur die natürliche Folge; 
                    und darum gar keine neue Begebenheit. 
                    7) Was er im Anhange aus sehr löblichen Bewegungsgründen verspricht, 
                    nicht mehr Unwahrheiten ins Publikum zu bringen, ist lediglich 
                    seine Schuldigkeit, deren Erfüllung ihm sehr erleichtert werden 
                    wird, wenn er jezt widerrufen muß. <321:> 
                     Ich halte drum dafür 
                    1) daß, falls meiner Nr. 4 geäußerten Meinung nicht das 
                    Recht entgegen ist, von der Anzeige gegen Waubke &c. gar 
                    keine Notiz genommen, und auf dem Widerrufe bestanden werde. 
                    2) daß auch dieses lezte Schreiben des Herrn pp. Gruner 
                    dem Schreiben an die Behörde beigelegt werde; begleitet von 
                    Bemerkungen, die da anschaulich machen, daß auch wir den wahren 
                    Werth und Sinn desselben klar einsehen. 
                    3) den beigelegten Entwurf zu einem Schreiben an Herrn G. St. R. 
                    Sack, und zu der Anzeige finde ich, einige kleine Nachlässigkeiten 
                    im Styl abgerechnet, die bei der Durchsicht ohne Zweifel werden 
                    geändert werden, zweckmäßig.   d. 
                    7. Jänner. Fichte. 
                     
                    Diesem ausführlichen Gutachten stimmte Hufeland ohne Vorbehalt 
                    zu. Der juristische Decan, Biener, rieth bis zum Eingang der 
                    Antwort Sacks weder mit Gruner unmittelbar zu communiciren, 
                    noch gegen die benannten Studiosos irgend etwas zu verfügen. 
                    Beschwichtigend setzte Schleiermacher hinzu, auch seines Erachtens 
                    sei die Antwort Sacks erst abzuwarten. In der Senatsversammlung 
                    vom 9. Januar 1811 gelangte die Angelegenheit zur endgültigen 
                    Berathung. Man kam überein, dem Entwurfe der Beschwerdeschrift 
                    an Sack, im ganzen nach Fichtes Ausführungen, noch einen 
                    Zusatz hinzuzufügen, und diese Schrift wie die Erklärung für 
                    Kleists Abendblätter, mit dem Datum des 9. Januar 
                    versehen, an die Gruner vorgesetzte Behörde abzusenden. 
                     Mit der Entscheidung Sacks, die darauf erfolgte, 
                    konnte der Senat zufrieden sein. Gruner wurde unter dem 21. Januar 
                    1811 eröffnet, daß die in Anspruch genommene Stelle des Abendblattes 
                    Mißbilligung verdiene und sowohl die darüber erhobene 
                    Beschwerde, als auch die gegen seine (Gruners) diesfällige 
                    Auslassung, vollkommen begründet sei. Eines Widerrufs von 
                    Seiten der Polizeibehörde bedürfe es indessen nicht. Die Widerlegung 
                    müsse aber dem Senate der Universität unbenommen bleiben: 
                    und so wie dazu dessen <322:> im Entwurf eingereichte, 
                    abschriftlich beifolgende Erklärung ganz zweckmäßig ist: so 
                    wird dem pp. Gruner aufgegeben, den Redakteur des 
                    Abendblattes zu deren Annahme ausdrücklich anzuweisen. 
                    Der Senat der Universität erhielt gleichzeitig Abschrift dieser 
                    Verfügung an Gruner, mit dem Bemerken, die Polizeibehörde 
                    habe keine Verpflichtung zu dem Widerrufe da die Bekanntmachung 
                    nicht unmittelbar von ihr ausgegangen sei; überhaupt 
                    aber scheine es passend, die Erklärung, welche zur Berichtigung 
                    des Mißverständnisses gewünscht werde, ebenso 
                    wie jene Mittheilung selbst, dem Publicum ohne irgend eine 
                    besondere Autorität hinzugeben. 
                     Der Senat ordnete nunmehr an, daß die  
                    oben mitgetheilte  Erklärung noch unter Fortlassung 
                    der mit rother Tinte angestrichenen Worte abzuschreiben, die 
                    Unterfertigung wegzulassen und blos Berlin, 1. Februar 
                    1811 hinzusetzen sei. Die Reinschrift sollte dem folgenden 
                    Schreiben des Rectors Schmalz an Heinrich von Kleist, abzugeben 
                    in dem Kunst- und Industriecomtor des Herrn A. Kuhn (wo 
                    damals die Redaction der Abendblätter war), beigeschlossen 
                    werden: 
                     
                        Berlin, 1. Februar 
                    1811. 
                    Der löblichen Redaction der Berliner 
                    Abendblätter theilt der unterzeichnete Rector der Universität 
                    in Verfolg einer Ihr von dem Herrn Polizeipräsidenten Gruner 
                    deshalb wahrscheinlich schon zugegangenen Anweisung, anliegend 
                    eine Erklärung zur Berichtigung einer in Nr. 41 des Abendblattes 
                    enthaltenen Anzeige, von einer angeblich zwischen Studenten 
                    und Handwerksburschen auf einem hiesigen Tanzboden vorgefallenen 
                    Schlägerei, mit dem Ersuchen mit, dieselbe den Abendblättern 
                    einzuverleiben, und ein Exemplar, worin dieser Abdruck geschehen, 
                    nachrichtlich dem Unterzeichneten zuzusenden. 
                        Rector der Universität. 
                         Schmalz. 
                     
                    Der Beamte aber, dem die Ausführung der Abschriften oblag, 
                    hat die Anordnungen des Senats nicht mit der nöthigen <323:> 
                    Aufmerksamkeit befolgt. Er ließ zwar in der Abschrift der 
                    Erklärung den von Fichte beanstandeten Satz, auch zwei von 
                    den roth gestrichenen Wörtern, nämlich des Senats, 
                    fort: indessen copirte er doch den 9. Januar 1811 
                    sowie Rector und Senat der Universität ruhig mit. 
                    Und so ist die obige Erklärung im Abendblatte vom 4. Februar 
                    1811 wirklich und buchstäblich abgedruckt: entgegen den Intentionen 
                    Sacks und der Universitätsbehörden. 
                     Welche Rolle hat nun Kleist dabei gespielt? Anscheinend 
                    keine: die Behörden vermeiden sichtlich, den Namen Kleists 
                    nur zu nennen. Dennoch aber hat man ihm, wenigstens formell, 
                    die ganze Sache aufgepackt. Der Senat der Universität, und 
                    namentlich Fichte, gingen davon aus, Gruner habe die 
                    erste Notiz verfaßt (oder verfassen lassen) und in die Abendblätter 
                    hineingegeben: was der Wahrheit allein entsprach. Trotzdem 
                    hat Gruner, wie aus der Entscheidung Sacks gefolgert 
                    werden muß, die unmittelbare Verantwortung von 
                    sich abgeschoben: wodurch sie nun natürlich auf Kleist fallen 
                    mußte, der doch unschuldig war. Sack gewann freilich dadurch 
                    den Vortheil, seinem Polizeipräsidenten nicht persönlich eine 
                    Rüge ertheilen zu müssen. Mag man Kleist auch nicht ins Gesicht 
                    hinein die Wahrheit zurecht gebogen haben, so behandelte man 
                    ihn doch als den Officiosus, den man nach Bedarf auch dementiren 
                    könne. Kleist, der gerade seine Leidensgeschichte mit Censur 
                    und Staatskanzlei hinter sich hatte, machte keine weiteren 
                    Schwierigkeiten. Er hatte keinen Anlaß, sich mit der Universität, 
                    deren Mitglieder ihm zum Theil befreundet oder gesellschaftlich 
                    verbunden waren, auf gespannten Fuß zu setzen. Ueber alle 
                    intimeren Vorgänge, die nicht in den Acten stehen und doch 
                    zumeist den Ausschlag gaben, war er gewiß gut genug unterrichtet, 
                    und dachte sich sein Theil. Er druckte die Erklärung ruhig 
                    ab. Dem Rector <324:> und Senate hat er nicht geantwortet. 
                    Am 18. Mai 1811 wurden die Universitäts-Acten über die 
                    Angelegenheit geschlossen, mit dem Vermerk, daß die 
                    in dem Schreiben des Rectors vom 1. Februar erwähnte 
                    Erklärung in den hiesigen Abendblättern wirklich abgedruckt 
                    worden sei, obgleich der Senat keine Nachricht durch die Redaction 
                    davon erhalten habe. 
                     
                    \*\ Ich bemerke 
                    textlich hier Zweierlei, das im Nachfolgenden erst seine Erklärung 
                    findet. Zu dem eingeklammerten Satze (welche 
 
                    worden) von Fichtes Hand die Marginalbemerkung: 
                    verwickelt den Perioden und scheint nicht zur Sache 
                    zu gehören. Am Beginn des letzten Satzes die drei Wörter 
                    die und des Senats dick mit rother 
                    Tinte unterstrichen. 
                     
                     
                  |