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Reinhold Steig, Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe (Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 212f.

15. Sonderbares Versehn.


In Arnim’s Nachlasse habe ich ein Briefchen Arnim’s an Kleist vorgefunden, in welchem das „Sonderbare Versehn“ seiner Zeit Kleist überschickt worden ist (oben S. 101), der es, redactionell durchgebessert, aber stilistisch unverändert, in das 30. Abendblatt vom 3. November 1810 aufgenommen und mit der Chiffre ava gezeichnet hat.
Am 29. October nämlich war Gluck’s Iphigenia in Tauris aufgeführt worden, ein Werk, das Arnim unvergleichlich nennt und als die einzige ernste Oper in der Welt rühmt. Um so ungehöriger seien die unzulänglichen Leistungen des Ballets gewesen: die er in seiner humoristischen Weise nun charakterisirt. Durch einen unerklärlichen Zufall, meint er, seien ein Paar Tänze aus dem Ballet der Opernschneider am feierlichen Schlusse der Oper zwischen getreten, welches dem Publicum große Belustigung (in der ernsten Oper!) gewährt habe: „Das Publicum erklärte sich nachher, daß es zwar dankbar wäre für die Aufmerksamkeit, ihm Ballette zu geben, es bäte sich aber dergleichen, wenn es nirgends gut anzubringen wäre, lieber als Nachspiel aus; auch wäre es ihm lieb, wenn die Tänzer die drei oder vier Zusammenstellungen, die sich seit der Vigano noch immer wie alte abgenutzte Decorationen herumtreiben, endlich einmal mit ein Paar neuen vertauschten, besonders in einer heroischen Oper.“ In einfache Sprache übersetzt, bedeuten diese Scherze für Iffland, daß das Ballet seit der Vigano Zeiten – das Ehepaar Vigano war 1796 vom Marquis Lucchesini in Italien für das Berliner Ballet um 5000 Thaler Gold engagirt worden – veraltet sei und einer modernen Ansprüchen genügenden Reform bedürfe. Und Iffland bei seinem eigenen französischen <213:> Geschmack fassend, wünschte Arnim im ersten Aufzuge, statt des „Gespringes“ des einen Herrn – vom Recensenten der Vossischen Zeitung wird gerade dieser Solotänzer gelobt! – den Doppeltanz der beiden Krieger zu sehen, wie er in Paris aufgeführt werde: das Vollendetste in Wirkung und Zusammenhang (im Gegensatze der beiden Gefangenen, die traurig und erschöpft nachgeführt werden), was je die Tanzkunst hervorgebracht habe.
Also auch das Ballet mußte jetzt herhalten! Iffland bekam Tadel über Tadel zu hören.

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Letzte Aktualisierung 06-Feb-2003
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