Reinhold Steig, Heinrich von Kleists Berliner Kämpfe
(Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 192f.
8. Selbstbeherrschung.
Nicht sanfter ist im 12. Abendblatt, 13. October
1810, die von fs, d. i. Friedrich Schulz,
geschriebene Theateranzeige von Ifflands Schauspiel
Selbstbeherrschung, das am 6. October aufgeführt
wurde. Die schon ältliche Wittwe Baronin von Rosenstein denkt
an eine Verheirathung mit ihrem jungen Secretär, die sie nach
vielem Edelmuth und thörichtem Beginnen aus Selbstbeherrschung
aufgiebt. Ihr Bruder, der Oberhofmeister von Werrthal, eigentlich
der einzige Vernünftige, weil er der unsinnigen Verbindung
von Anfang an widerstrebt, wird als der lasterhafte Aristokrat
gezeichnet, der allen Abscheu des Theaterpublicums auf sich
zu ziehen hat. Das Schauspiel, das 1800 zuerst in Ifflands
dramatischen Werken erschien, war in der Rolle des Oberhofmeisters
für den Schauspieler Unzelmann geschrieben. Da nun Unzelmann
sich im October 1810 auf einer Gastreise nach Königsberg befand,
mußte die Rolle anderweitig, und zwar weniger gut mit Iffland
selbst, besetzt werden, und die Kritik dieser Besetzung ist
das, was den Stachel gegen Iffland <193:> enthielt:
Der Dichter Iffland portraitirt und das
Fehlen eines dieser Portaits aus dem Zusammenhang
der Gallerie konnte der Schauspieler Iffland auch mit
der überschwenglich spaßhaften Laune nicht vergessen machen.
Iffland wurde damit die Fähigkeit rein künstlerischer Gestaltung
seiner Figuren abgesprochen, und die Gesammtdarstellung des
Stückes als mangelhaft gekennzeichnet.
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