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 Reinhold Steig, Heinrich von Kleists Berliner Kämpfe (Berlin, Stuttgart:
        Spemann 1901), 187-189 
         
                    5. Der Theater-Artikel der Berliner 
                    Abendblätter.  
                     
                     So standen die Dinge, als die 
                    Berliner Abendblätter zu erscheinen begannen. 
         Da in den Berliner Abendblättern alle Bethätigungen des höheren
        geistigen und politischen Lebens besprochen werden sollten, so mußte, für den
        Theater-Artikel zu sorgen, eine der Hauptaufgaben Kleists und seiner Freunde sein.
        Die Vossische Zeitung hielt ihre ständigen Referenten, für das Theater den Prediger und
        Professor am Französischen Gymnasium Samuel <188:> Heinrich Catel, und für die
        Opern J. C. F. Rellstab. Rellstab, der Vater Ludwig Rellstabs, besaß eine
        Musikalien-Handlung in der Jägerstraße; Catel, ein rechter Vertreter der alten
        Berlinischen Aufklärung, stand Eduard Hitzig und Friedrich Buchholz nahe, im Verein mit
        denen er der Frau von Staël Deutschland übersetzte. Man kann sich kaum etwas
        Trockeneres, Geistloseres vorstellen, als die Leistungen dieser beiden Kritiker, die immer
        mit Iffland in schönstem Einvernehmen waren. Eigentlich nur flache Inhaltsangaben der
        Stücke. Ein feinerer Kunstgeschmack mußte sich von ihnen abgestoßen fühlen. Die
        Abendblätter machten es sich von vornherein zur Aufgabe, diesen Zuständen
        entgegenzuwirken. Aber ein ständiger Theaterbesuch, wie er zu ständiger Theaterkritik
        nöthig war, kostete Geld, und über diesen Artikel verfügten Kleist und seine Freunde am
        wenigsten. So kam es, daß die Theaterberichte von verschiedenen Verfassern geschrieben
        wurden, von Kleist, von Arnim, vom Major von Möllendorff, von Friedrich Schulz u. a.
        Schulz sollte, bei Eintritt der Abendblätter in ihr zweites Vierteljahr, allein den
        Theaterartikel übernehmen: woraus jedoch nichts wurde. Während Schulz
        Besprechungen farblos sind (und heute für uns nicht so wichtig), machen die beiden
        anderen Mitarbeiter neben Kleist die Forderungen ihrer Gruppe mit immer stärkerem
        Nachdruck geltend, greifen Iffland selber an und führen ihre Schläge gegen die mit ihm
        verbündeten Berliner Journalisten. 
         Was die Methode anbetraf, so waren Kleist und seine Freunde darin
        keine Neulinge mehr. Sie wußten, daß sie, um die nach ihrer Ueberzeugung verrotteten
        Theaterzustände allmählich zu bessern, behutsam vorzugehen hätten. Gleich von
        vornherein ein heftiger Widerspruch gegen Iffland würde das Berliner Publicum eher
        abgestoßen, als gewonnen haben. <189:> Ifflands Person mußte mit
        anscheinender Schonung behandelt werden. Die Winterspielzeit fiel mit dem Beginn der
        Abendblätter zusammen. Eben, am 30. September 1810, kehrte Iffland von einer
        Gastreise, auf der er auch in Weimar gespielt hatte, nach Berlin zurück und machte den
        Wunsch seiner Gegner und die Befürchtung seine Anhänger, daß er amtsmüde sei, zu
        nichte. Ein entzückter Poet dichtete ein Carmen An unsern Iffland: 
         Singt, Barden! singt Ihm
        Lieder, 
          Ihm, der sich treu bewährt; 
         Dem Künstler, der heut
        wieder 
          In Eure Mitte kehrt 
 
        das Kleist klug genug war, in sein drittes Abendblatt, vom 3. October 1810,
        aufzunehmen; es ist Von einem Vaterländischen Dichter unterschrieben; ich
        wage keinen der Abendblätter-Freunde, in deren Werken ich vergeblich nachgesucht habe,
        mit der Autorschaft des mehr als mäßigen Gedichtes vermuthungsweise zu belasten. Die
        Aufnahme des Gedichtes hatte den Zweck, das Berliner Publicum sicher zu machen und
        leichter einzufangen. Es kam bald besser. 
           
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