Reinhold Steig, Heinrich von Kleists Berliner Kämpfe
(Berlin, Stuttgart: Spemann 1901),185-187
4. Iffland und die musikalischen
Aufführungen des Nationaltheaters.
Die Unzufriedenheit der höheren
Schichten richtete sich ebenso bestimmt gegen die musikalischen
Darbietungen des Nationaltheaters. Seit der Rückkehr des Hofes
waren wichtige Veränderungen eingeleitet worden. Die Kapelle
und die italienische Oper wurden 1810 mit dem Nationaltheater
vereinigt, und Iffland war thatsächlich bereits der Generaldirector
der Königlichen Schauspiele, ehe ihm der Titel 1811 formell
verliehen wurde. Die Kapellmeister Righini und Himmel, sowie
der Musikdirector A. Weber mußten sich von nun an Iffland
unterordnen, und ebenso wurde das Ballet ihm unterstellt.
Dieser Neuordnung suchten die Kleist nahe stehenden Kreise
entgegen zu wirken, im Bunde mit Righini und Himmel, die sich
als Künstler und Sachverständige Iffland nur mit Unlust fügten.
Es war allgemein bekannt, daß Iffland von Musik, Gesang und
Oper nichts verstünde. Kleists Kreise suchten die Pläne
zu verwirklichen, die noch in der Umgebung <186:> der
Königin Luise gehegt worden waren. Man wünschte, der König
möchte die Direction des Opern- und Schauspielhauses aus einer
Beamtung wieder zu einer Hofstelle umwandeln, und sie dem
Kammerherrn Grafen Carl von Brühl verleihen. Brühl reichte
im Frühjahr 1810 einen Plan für die Neugestaltung des Schauspielwesens
ein, der seine Spitze gegen Iffland kehrte. Die bisherige
selbständige Kapelle dürfe nicht in das Orchester des Nationaltheaters
übertragen werden wegen der individuellen Verhältnisse
der Direction, was bedeutete: weil Iffland nichts davon
verstehe; der Dienst beim Theater werde den Künstlern der
Kapelle alles Künstlergenie zerstören und ihnen keine Muße
zum Studium übrig lassen. Graf Brühl verlangte die Errichtung
eines vom Nationaltheater abgesonderten Hoftheaters unter
besonderer Direction, das abwechselnd große italienische und
deutsche Opern und während des Carnevals Redouten geben könnte.
Außer an Brühl war wohl auch, wie die Dinge noch im Flusse
und nicht fertig waren, an den Prinzen Radzivil gedacht worden.
In Zschokkes Miscellen finden sich, ab und zu, vortrefflich
unterrichtete H-Correspondenzen aus Berlin. Eine davon (1810,
S. 356) besagt: das Publicum habe Aussicht, den fein
gebildeten Prinzen A. Radzivil bald an der Spitze der
Direction des Opern- und Nationaltheaters zu sehen. Gewiß
würden in diesem Falle alle Uebelstände und Unbilden, worüber
die Freunde des Theaters schon so lange mit Recht klagten,
beseitigt werden. Der Prinz besitze einen rein ästhetischen
Sinn für die Bühne und hasse alle Partheilichkeit. Bei ihm
gelte nur wahres Künstlertalent, und er würde die subalternen
Kunstjünglinge der Bühne bald von ihrer eingebildeten Höhe
herunter und an die richtigen Plätze stellen. Besonders wohlthätig
würde er auf die Oper im Nationaltheater und auf das Orchester
wirken, welches jetzt gänzlich <187:> unter der Leitung
Webers stehe. Diesem werfe man vor, daß er Meisterwerke
noch lebender, oder in Berlin oder in dessen Nähe wohnender
Componisten nicht gern aufs Theater bringe, aus Furcht, sie
möchten seine eigenen Producte verdunkeln. In letzter Linie
lauter Angriffe auf Iffland, der untergeordnete Musiker schalten
lasse. Noch kürzlich hatte er bewiesen, daß er auf Wünsche
von der Gegenseite einzugehen nicht gesonnen sei. Carl Maria
von Weber, der persönlich in Berlin erschienen war, konnte
die Stelle eines Kapellmeisters bei der Oper nicht erhalten,
wie sehr sich die zur Liedertafel und Tischgesellschaft vereinigten
Patrioten seiner annahmen. Carl Maria von Weber war Romantiker,
wie diese; für ihn war unter Ifflands Direction keine
Verwendung möglich. Erst Graf Brühl knüpfte, sowie Ifflands
Händen die Leitung der Geschäfte entfiel, mit Carl Maria von
Weber wieder an, und ist als Intendant der Königlichen Schauspiele,
gegen alle Intriguen und Widerstände, Webers Freund
und Gönner geblieben.\*\
\*\ Ernst Rudorffs
Publication der Briefe Carl Maria von Webers an Hinrich
Lichtenstein (oben S. 18. 27) ermöglicht neue Aufschlüsse
über die Verhältnisse (Westermann, Braunschweig 1900).
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