|  
                   Reinhold Steig, Heinrich von Kleists Berliner Kämpfe 
                    (Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 110-120 
                     
                    9. Halbofficielle Aufsicht Friedrichs 
                    von Raumer und Opposition des märkischen Adels. 
                     
                     
                     Es wurden um diese Zeit zwei 
                    Aufsätze für die Abendblätter eingereicht. Kleist hielt ehrlich 
                    sich verpflichtet, sie beide vor dem Drucke Friedrich von 
                    Raumer zur Prüfung und Begutachtung zuzusenden. Zu dem ersten 
                    schreibt er nur: Ew. Hochwohlgeboren lege ich folgenden 
                    für die Abendblätter be- <111:> stimmten Aufsatz gehorsamst 
                    vor, ohne über Inhalt und Verfasser ein Wort zu verlieren. 
                    Der zweite Aufsatz war Kleist mit einem Begleitschreiben von 
                    Adam Müller zugekommen. Er möge, so wünschte Müller, sofort 
                    am selben Tage noch (13. 12. 1810) gedruckt werden; 
                    sein Name aber solle dabei verschwiegen bleiben. Indem Kleist 
                    trotzdem beide Schriftstücke Raumer einhändigte, that er Etwas, 
                    das er seinem eigenen Gefühle nach vor dem Freunde nicht verantworten 
                    konnte. Er glaubte aber, Müller einen Dienst zu erweisen. 
                    Beide Stücke enthielten Wendungen, die in eine minder scharfe 
                    Tonart, als früher, überlenkten. Der ganze Zusammenhang legt 
                    diese Auffassung nahe. Aber dennoch war Müllers Brief 
                    eine blos freundschaftliche Ergießung gegen Kleist gewesen, 
                    und keineswegs dazu bestimmt, zu officieller Wissenschaft 
                    zu gelangen. Kleist bat deshalb Raumer um immerwährendes Stillschweigen 
                    über diesen Punkt. Als ob solche Dinge, schwarz auf weiß geschrieben, 
                    jemals im Tageskampfe verschwiegen und nicht als Waffe aufgegriffen 
                    würden. Kleist schwächte die Position seines Freundes Müller 
                    und brachte sich selbst gegen Raumer in eine schiefe Lage. 
                     Raumer hat sich an Kleists Bitte nicht gekehrt, 
                    sondern später den Brief veröffentlicht, und zwar mit dem 
                    hinzugesetzten Vermerk (1, 231): Dieser Aufsatz von 
                    Müller enthielt jetzt so große Schmeicheleien und Lobpreisungen 
                    des Kanzlers, als ein anderer wenige Tage zuvor Angriffe und 
                    Schmähungen enthielt. Diese Notiz hat nun alle Leute 
                    in die Irre geführt. Denn einen schmähenden Aufsatz Adam Müllers 
                    wenige Tage vorher giebt es in den Abendblättern nicht. Der 
                    lobpreisende Artikel Müllers ließ sich erst recht nicht 
                    auffinden. Dennoch führte dieser seine mythische Existenz 
                    ruhig weiter: kürzlich hat Jemand den ehrlichen Muth gehabt, 
                    ihn, weil er nicht auffindbar schien, auch als nicht vorhanden 
                    abzuleugnen. Nichts <112:> desto weniger hat Raumers, 
                    nur ungenau gefaßte, Notiz wirklich geschehene Dinge zur Unterlage. 
                    Er meint mit dem schmähenden Artikel Müllers 
                    den früheren vom Nationalcredit.\*\ 
                    Der lobpreisende aber steht im Abendblatt vom 17. December 
                    1810, mit der Ueberschrift: Schreiben aus Berlin, 
                    und mit der Unterfertigung: l.v.p. Durch 
                    diesen trat ein ganz neues Element der politischen Kampfbewegung 
                    in die Berliner Abendblätter ein. 
                     Dies Neue war: daß der märkische Adel als solcher 
                    nun auch öffentlich in die Oppositionsstellung gegen 
                    Hardenberg einrückte und Adam Müller mit der journalistischen 
                    Vertretung seiner Ansprüche betraute. Der Adel als Stand war 
                    über das October-Edict und seine Folgen empört, weil ihm bisher 
                    besessene Rechte entzogen wurden, ohne Entschädigung. Die 
                    neuen Bestimmungen über den erleichterten Grundbesitz, über 
                    die Aufhebung der Erbunterthänigkeit verschoben die altpreußische 
                    Ordnung innerhalb der Stände. Ohne Befragung der alten Landstände 
                    erlassen, beruhten sie blos auf einem ministeriellen Acte, 
                    der freilich von der Krone sanctionirt worden war. Der märkische 
                    Adel leistete also Hardenberg 1810 staatsrechtliche Opposition 
                    und Standes-Opposition. Bis dahin hatten die Wünsche des Adels 
                    unmittelbar an den Thron gelangen können, Königthum und Adel 
                    waren wie unter vier Augen miteinander fertig geworden. Unter 
                    Hardenberg änderte sich dies Verhältniß, da jede Vorstellung 
                    an den König auch <113:> zur Kenntnißnahme, Kritik und 
                    Gegenwirkung des Staatskanzlers gelangte. Jetzt wurde für 
                    den Adel die litterarische und journalistische Vertheidigung 
                    seiner Rechte nothwendig. Der Adel verstand aus langer Tradition 
                    den Krieg, die Administration, die Landwirthschaft, aber nicht 
                    das Schreiben. Darin war ihm durch lange Gewohnheit der bürgerliche 
                    Stand überlegen. Derjenige bürgerliche Litterat, der sich 
                    durch seine in Werken und Vorlesungen bekundete Gesinnung 
                    sowie durch seinen gesellschaftlichen Umgang dem Adel empfahl, 
                    war Adam Müller. An ihn wandte man sich. In ähnlicher Weise 
                    ist bekanntlich auch später noch die Staatsanschauung des 
                    Adels von bürgerlichen Männern vor der Oeffentlichkeit vertreten 
                    worden, und erst in neuerer Zeit stellt der Adel in Presse 
                    und Parlament aus den eigenen Reihen seine Vorkämpfer. 
                     Wir kennen, zuerst aus Kloses Leben Hardenbergs 
                    (1851, S. 300), die ausführliche Denkschrift an den Staatskanzler, 
                    die, von Adam Müller verfaßt und mundirt, Marwitz im Februar 
                    1811 einreichte. Eine Rückschau auf Hardenbergs politische 
                    Gesammtlaufbahn wird gegeben. Keine geflissentliche Abneigung 
                    gegen die Person des Staatskanzlers, aber unter mildernder 
                    Anerkennung der seinen Absichten entgegenwirkenden Hindernisse 
                    eine ziemlich scharfe Kritik seiner Maßnahmen. Und daraus 
                    hergeleitet die Forderung: daß in höherem Maße, als bisher, 
                    sich die Fürsorge des Gesetzgebers dem Besitze, dem besitzenden 
                    Theile des Volkes, insbesondere dem Grundbesitzenden Adel 
                    zuwenden müsse. 
                     Dieser Denkschrift an Hardenberg geht nun, sechs Wochen 
                    früher, wie eine Einleitung dem Hauptstücke, der Artikel des 
                    Abendblattes vom 17. December 1810 voraus. Inhalt, Sprache 
                    und Gedankenentwicklung decken sich in beiden überraschender 
                    Weise. Der Abendblatt-Artikel ist in der Form eines Schreibens, 
                    eines Briefes aus Berlin an einen Herrn <114:> in der 
                    Provinz verfaßt, dem über die neuesten Vorgänge in der Hauptstadt 
                    Auskunft zu ertheilen sei. Es wird infolge der neuerlich emanirten 
                    Verordnungen (so in beiden Schriftstücken!) ein allgemein 
                    gesteigerter Antheil an den öffentlichen Angelegenheiten constatirt, 
                    jedoch hinzugefügt: Wie könnte sich ein solches Interesse 
                    anders äußern als im Streit und in der Lebhaftigkeit des pro 
                    und contra? Die Persönlichkeit des Staatsmannes, 
                    den der König  es spricht hier der Royalist!  
                    an die Spitze der Angelegenheiten gestellt, habe auch das 
                    Vertrauen der Nation. Es gebe Niemand, der nicht zuletzt um 
                    den Preis, diesen Staatsmann erhalten zu sehen, jedes Privatopfer 
                    gering geachtet hätte. Vertrauen erwecke die rücksichtslose 
                    Hingebung eigener Erfahrungen und Meinungen an das Vaterland, 
                    das in einem so kritischen Momente vielleicht wirklich nur 
                    durch außerordentliche Maßregeln  d. h. 
                    blos durch von der Krone sanctionirte Edicte, nicht durch 
                    ordentliche Vereinbarungen mit den Ständen  möge 
                    zu retten gewesen sein; oder, wie die Februar-Eingabe sich 
                    über dieselben Dinge ausdrückt: Das Ganze war 
                    zu retten, es war periculum in mora, auf dem Wege 
                    der Negotiation und der freien ständischen Bewilligung schien 
                    (damals dem Staatskanzler) keine Hülfe zu erwarten. 
                    Ueber die Vereinigung der Administrationszweige in die eine 
                    Hand des Staatskanzlers sei nur eine Stimme des Beifalls 
                    und des Segens. Vorläufig halte man sich den einzelnen Verordnungen 
                    gegenüber besser zurück; nach Publication der gesammten Gesetze 
                    sei eigentlich erst ein Urtheil möglich und werde, Seitens 
                    des fingirten Briefschreibers, nicht ausbleiben. 
                     Indeß (fährt das Abendblatt fort) werden Sie 
                    manches hören von den Beschwerden eines Standes, der zunächst 
                    herbeigerufen werden muß, wenn das Vaterland große Opfer verlangt. 
                    Sehr fein wird bemerkt, der Staatskanzler gehe <115:> 
                    gerade wegen seiner adeligen Gesinnung und aus persönlicher 
                    Resignation gegen den Adel zu weit. Denn: Wer sich zuerst 
                    dem Allgemeinen aufopferte, war der erste Adliche: die Gesetze 
                    haben einen der Stände des Staats besonders mit Mitteln ausgerüstet, 
                    und für alle kommenden Geschlechter ausgerüstet, um zu den 
                    großen Opfern, die das Gemeinwesen in alle Zukunft verlangen 
                    wird, fähig, nahe und bereit zu sein. Die Gesetze haben ganze 
                    Gütermassen über allen Wechsel menschlicher Sinnesart erhoben, 
                    an die Erbfolge geknüpft  damit der Staat in der 
                    Stunde der Noth besonders hülfreiche Freunde hat. Wird der 
                    Mann, der dieses erkennt und empfindet, wie wenige, vergessen, 
                    daß auch die Zukunft solcher Opfer bedarf? Lauter Sätze 
                    echt Müllerscher Gedankenprägung: wie wenn sie in den 
                    Vorlesungen über Friedrich II. stünden. Alles für oder gegen 
                    Hardenberg Gesagte wird aber, scheinbar absichtslos, überboten 
                    durch den das Schreiben beschließenden Ruf: Lange lebe 
                    der König! 
                     Nun dürfen wir, denk ich, aus der Betrachtung Schlüsse 
                    ziehen. Adam Müller hat das Schreiben aus Berlin 
                    freilich geschrieben: aber nicht aus eigenem Antrieb oder 
                    in Verfolg eigener Absichten, sondern auf Wunsch und Veranlassung 
                    eines märkischen Edelmanns. Darum die Unterzeichnung l.v.p., 
                    die wahrscheinlich einen wirklichen Namen andeutet; darum 
                    Müllers bestimmter Wille, daß sein eigener Name dabei 
                    verschwiegen bleibe. Genau wie die von Müller geschriebene 
                    Februar-Eingabe allein von Marwitz unterzeichnet wurde. Adam 
                    Müllers Begleitbrief, den Kleist an Raumer weitergab, 
                    wird sich über das Zustandekommen des Artikels ausgelassen 
                    haben. Wahrscheinlich stand darin, daß Müller die Kraftsprache 
                    seines märkischen Hintermannes eher gemäßigt habe. Bei Kleists 
                    und Raumers Zusammenkunft am Nachmittag des 13. Decembers 
                    1810 muß der Abdruck des <116:> Artikels zugestanden 
                    worden sein, sah doch Raumer in ihm hauptsächlich nur Schmeicheleien 
                    gegen Hardenberg. Allerdings, eine gewisse Art von Lob ist 
                    dick genug aufgestrichen. Aber es galt auch, an der Censur 
                    vorbeizukommen. Der Zweck wurde erreicht: Widerspruch des 
                    Edelmanns gegen den Staatskanzler.\*\ 
                     Der andere von Kleist am 13. December Raumer 
                    vorgelegte Aufsatz findet sich gleichfalls in den Abendblättern, 
                    und zwar in der Nummer vom 20. December 1810. Er betrifft 
                    das von Hardenberg am 27. October verheißene, und Tags 
                    darauf schon publicirte Gesetz über die Besteuerung des Luxus. 
                    Die Physiokraten verwarfen die Luxussteuer ebenso bestimmt, 
                    wie die Smithianer sie forderten. Als ein kleines Mittel zur 
                    Tilgung der französischen Kriegsschuld war sie daher schon 
                    von Kraus in seinem umfassenden Gutachten vom Juli 1807 (Schr. 2, 
                    75) empfohlen worden. Für Bediente, Hunde, Pferde, Wagen stellte 
                    das neue Gesetz bestimmte Taxen auf. Wieder fühlte sich der 
                    Landadel in althergebrachter Lebens- und Standeseinrichtung 
                    belästigt und machte sich zum Widerstande fertig. 
                     Der Kleist eingereichte Artikel sucht, ebenfalls in 
                    Briefform, zu zeigen, wie man den Bestimmungen des Gesetzes 
                    bei schlauer Anwendung der vom Gesetze selbst zugelassenen 
                    Ausnahmen entschlüpfen könne. Nach offenbar fingirten Voraussetzungen 
                    hält der Artikelschreiber, der sich als märkischen Edelmann 
                    kund giebt, eine Dienerschaft von zwölf Köpfen, <117:> 
                    zwei auserlesene Koppeln Hunde, eine schöne Anzahl Pferde 
                    und Wagen. Nach dem Gesetze wäre eine sehr beträchtliche Gesammtsumme 
                    zu zahlen gewesen. Da nun aber angeblich die Diener nur nebenher 
                    oder auch als Knechte dienen, die Koppeln als des Gewerbes 
                    wegen gehalten dem Jäger gehören, die Pferde zugleich als 
                    Gebrauchspferde bei der Erndte mithelfen, die Wagen auch als 
                    Acker- und Lastwagen benutzt werden, so bleibe kaum Etwas 
                    von dem ganzen Luxus zu versteuern übrig. Ziemlich deutlich 
                    bemerkt der Verfasser: Die Absicht und die Meinung, 
                    in der die Steuern ausgeschrieben sind, lasse ich dahin gestellt 
                    sein, sie ist eine Sache für sich: die Auslegung aber kömmt 
                    dem Publico zu. Die hier beliebte Auslegung lief absichtlich 
                    auf eine Verspottung des Gesetzes hinaus. 
                     Raumer muß es für rathsam erachtet haben, diesen regierungsfeindlichen 
                    Artikel nicht einfach abzulehnen, sondern ihn nach Möglichkeit 
                    für seine Zwecke auszunutzen. Er ließ sich leicht als das 
                    nichtswürdige Machwerk eines unpatriotischen Staatsbürgers 
                    brandmarken. Man brauchte den Leser nur in den rechten Gesichtspunkt 
                    zu bringen. Der Artikel erschien also in den Abendblättern 
                    von einer Ein- und Ausleitung umrahmt und mit einer Beantwortung 
                    gleichfalls in Briefform beschlossen, worin ihm von Seiten 
                    der Regierung herb und derb widersprochen wurde. Die Luxussteuern 
                    seien nicht ausgeschrieben worden, um die Hofhaltung eines 
                    ausgelassenen Fürsten oder die Tafel seines Günstlings oder 
                    den Putz und die Haushaltung seiner Mätressen zu bestreiten. 
                    Sie seien vielmehr im festen Vertrauen auf den Edelmuth und 
                    den Gemeinsinn der Nation, als eine Art von patriotischem 
                    Beitrag, in Augenblicken dringender, fast hülfloser Noth, 
                    zur Rettung des Staates erfordert worden. Gäbe es der begüterten 
                    Staatsbürger, welche so wie der Briefschreiber dächten, <118:> 
                    mehrere, so wäre es allerdings besser, weder die Luxus- noch 
                    irgend eine andre Steuer wäre ausgeschrieben. Denn ob ein 
                    Staat, der aus solchen Bürgern zusammengesetzt sei, bestehe, 
                    oder ob er von den Stürmen der Zeit in alle Lüfte verweht 
                    werde, das gelte völlig gleichviel. Glücklicherweise aber 
                    fehle es an wackern, der Aufopferung fähigen Leute im Lande 
                    nicht. Der Brief sei nur die Verirrung einer einzelnen, isolirten 
                    Schlechtigkeit. Zur Rechtfertigung der staatskanzlerischen 
                    Maßregel wird nun folgende neutralisirende Antwort auf den 
                    Brief gegeben: 
                      Mein Herr! 
                    Wenn die Landesbehörde, welche die Steuer ausschrieb, streng 
                    gegen Sie sein wollte, so nähme Sie dieselbe, vermittelst 
                    eines eigenen Spezialbefehls, von der Steuer aus. Sie ließe 
                    Ihren Namen da, wo er wahrscheinlich früh oder spät noch einmal 
                    zu lesen sein wird, anschlagen, und setzte darunter: dieser 
                    ist von der Steuer frei. Da jedoch Huld und Güte, seit undenklichen 
                    Zeiten, die Eigenschaft aller unserer Landesregierungen gewesen 
                    ist: so wird, meine ich, die ganze Maasregel, die sie in Bezug 
                    auf Ihre Genossenschaft (falls Sie dergleichen haben) ergreifen 
                    dürfte, diese sein, daß sie durch Vergrößerung des Beamten-Personale, 
                    die Controlle der Luxussteuer und der Verpflichtung sie zu 
                    bezahlen, die Kosten, die dieser neue erhöhte Etat veranlaßt, 
                    auf die Steuer geschlagen werden; und statt pro Bedienten 
                    10 Thl. und pro Pferd oder Hund 15 Thl. oder 1 Thl. 
                    werden dieselben pro Bedienten vielleicht 12 Thl. und 
                    pro Pferd oder Hund 16 Thl. und 3 Thl. zu bezahlen 
                    haben. Der ich die Ehre habe zu sein Dero Anonymus. 
                     Sehr geschickt ist diese Antwort nicht. Der eigentliche 
                    Groll macht sich im ersten Theile derselben Luft; die finanz- 
                    <119:> fiscalische Drohung mit einer Steuererhöhung, 
                    als Ausfluß der Huld und Güte der Regierung, steht wie an 
                    unrechter Stelle da; bemerkenswerth aber ist die Hindeutung 
                    auf eine Genossenschaft hinter dem Einzelnen, 
                    der die Luxussteuer angreife. Innerhalb der Abendblätter spielt 
                    sich also hier derselbe Vorgang ab, wie früher bei Adam Müllers 
                    Fragmenten und seinem Aufsatz vom Nationalcredit, wo gleichfalls 
                    regierungsseitig dem Schlag der Gegenschlag folgte. Vom Luxus-Artikel 
                    wissen wir durch directes Zeugniß, daß er Raumer vorgelegen 
                    hat. Liegt da nicht der Glaube nahe, daß die Zuthaten im Regierungssinne 
                    Raumers Arbeit seien? und stärkt sich dadurch nicht 
                    die Möglichkeit, daß Raumer auch die früheren, Müller neutralisirenden 
                    Stücke verfaßt habe? Dann wäre also Raumer thatsächlich Mitarbeiter 
                    der Abendblätter gewesen. Die Anonymität des ursprünglichen 
                    Luxus-Briefes dagegen bleibt hartnäckig bewahrt. Es wird in 
                    der Einleitung gesagt, daß der Brief der Redaction von unbekannter 
                    Hand mit der Bemerkung, daß er gefunden worden, zugekommen 
                    sei. Müller ist nach der Sprache der Verfasser nicht, Arnim 
                    gleichfalls nicht. Kleist ganz und gar nicht, wie er überhaupt 
                    keinen einzigen, reinpolitischen Aufsatz für sein Blatt geschrieben 
                    hat; und es war ein großer Irrthum, dieses journalistische 
                    Luxus-Gefüge fremder Autoren in Kleists Schriften aufzunehmen. 
                     Noch einmal hat sich die Staatskanzlei vor dem Quartalsschluß 
                    der Abendblätter bedient. In dem Edict vom 27. October 
                    1810 war die Aufhebung des laßbäuerlichen Verhältnisses angedeutet 
                    worden. Die Ausführung aber zog sich bis in den September 
                    1811 hinein. Es erschien nun in dem Abendblatte vom 29. December 
                    1810 anonym ein officiöser Beschwichtigungs-Artikel über 
                    die Aufhebung des laßbäuerlichen Verhältnisses. Die 
                    Maßregel könne, trotz ihrer augenschein- <120:> lichen 
                    Wohlthätigkeit, nicht plötzlich und mit Einem Schlage ins 
                    Leben gerufen werden. Durch jede Beschränkung der Freiheit 
                    trete der Beschränkte in eine Art von Unmündigkeit. Durch 
                    Beschränkung geistiger Kräfte noch mehr, als körperlicher 
                    Kräfte. Der Leibeigene werde anfangs stutzen, wenn er nicht, 
                    wie bisher, zur Zeit der Noth bei seinem Herrn Unterstützung 
                    finde. Er müsse erst lernen, von dieser Freiheit Gebrauch 
                    zu machen: Wie der Blindgeborene unter der wohlthätigen Hand 
                    des Arztes erst allmählig sehen lernen müsse. Schließend: 
                    Diese Betrachtungen sind ohne Zweifel von der Regierung 
                    in Erwägung gezogen worden, und wir führen sie hier nur an, 
                    um der Ungeduld derjenigen zu begegnen, welche die Publication 
                    der Edicte über diesen Gegenstand nicht erwarten können. 
                    Damit war klar genug die Herkunft des Artikels bezeichnet. 
                    Er stimmt in Sprache und Auffassung mit den früheren, die 
                    Politik des Staatskanzlers vertheidigenden lh-Artikeln 
                    überein. Immerhin eine diplomatische Concession, vielleicht 
                    nur Schein-Concession, des Staatskanzlers an den lauter widersprechenden, 
                    Grund besitzenden Adel. 
                     Wir sehen: seit dem Arrangement mit Raumer enthalten 
                    die Abendblätter nur noch im Interesse der Staatskanzlei geschriebene 
                    Artikel. Mit Kleists ideell festgehaltener Unabhängigkeit 
                    war es in Wirklichkeit aus. Der Oeffentlichkeit gegenüber 
                    erschien er als der Redacteur eines regierungsfreundlichen, 
                    halbofficiellen Blattes. 
                     
                    \*\ Die Möglichkeit 
                    der ungenauen Anmerkung war darin gegeben, daß Raumer in seinem 
                    Briefe vom vorhergehenden Tage (12. 12. 1810, in 
                    den Erinnerungen 1, 229) auf den Nationalcredit 
                    als auf den unglücklichen Zufall, der dem Abendblatte Verdruß 
                    bereitet habe, anspielt; ein weiterer Irrthum Raumers 
                    war der, daß er (1, 231) der auf den Nationalcredit 
                    ergangenen Cabinets-Ordre an unrechter Stelle Erwähnung that. 
                    \*\ Eine Hindeutung 
                    auf diesen Artikel finde ich in Omptedas Briefwechsel. 
                    Der Oberstlieutenant berichtet am 18. December 1810 seinem 
                    Bruder über politische Wichtigkeiten. Er hebt die ¤ 
                    gezeichneten Aufsätze hervor, mit denen er die officiösen 
                    Artikel in der Vossischen und Spenerschen Zeitung (über die 
                    ich später Seite 136 spreche) meint. Und fährt dann fort: 
                    Das Gegengewicht im gestrigen Abendblatte, welches ich 
                    hier anschließe. Ompteda hat also den Artikel richtig 
                    als einen Oppositions-Artikel aufgefaßt. 
                     
                    
                  |