Philosophische
und kritische Miscellen, 32-46; darin: <Adam Müller>,
4. Der poetische Besitz, 39f.
4. Der poetische
Besitz.
Wenn du behauptest,
du habest und haltest ein Ding, und seist dessen Herr
und Meister, so meinest du damit, das Wesen und Leben
dieses Dinges, sein Anfang und sein Ende, sein Erwerb
und sein Verlust, seine Geburt und sein Tod stehe in
deiner Hand. Freilich sind ihrer wenige, die mit solcher
Macht, mit so vielem Verstande und solchem Umfange die
Güter dieser Welt zu besitzen wissen; die meisten glauben,
<40:> es sei mit krampfigem Festhalten, mit einem
derben Rechtsgrunde und mit dem Glauben des Besitzes
schon gethan: aber dir traue ich zu, daß du das Leben,
die Bewegung und den Gebrauch der Dinge selbst, und
nicht bloß die Schlösser und Riegel, wodurch sie den
übrigen Menschen vorenthalten werden, beherrschen willst;
ich schmeichle dir und zeichne dich aus, weil du mein
Leser bist. –
Was
du erworben hast mit Mühe und biegsamer Kunst, das liebst
du, weil du es hast kommen sehn, weil es erkannt, gewünscht,
gerufen, gelockt hat werden müssen; du legst hohen Werth
auf den Diamant, dem du jeden seiner Strahlen mit hohem
Fleiße abgewinnen mußtest, und bist gefühllos selbst
gegen das herrliche, nothwendige Element des Wassers,
weil es ungerufen deinen Wohnsitz umspült, und mit zuvorkommender
Eil in deinen Becher fließt, ehe du noch den Durst empfunden.
Aber sollst du das erworbene Gut fort lieben, so mußt
du es auch verlieren können, und der Gedanke, wie auf
tausend Wegen es verloren gehen möchte, muß deine Augen
offen erhalten: jeden Tag, an welchem sein Besitz dir
noch vergönnt wird, muß es dir wie ein neuer Erwerb,
wie ein neues Geschenk erscheinen. Mit der schönen Sorge
der Liebe, wie die Mutter ihr Kind, nicht mit der gemeinen
Sorge der Angst, wie der Kerkermeister seinen Gefangenen,
pflegst du deinen Besitz.
Merke
auf, was ich jetzt sagen werde, und scheue nicht vor
dem seltsamen Ausdruck! – Deine Liebe zu jedem
Gute der Welt ruht darin, daß du um die Gegenliebe solches
Gutes wirbst, und selbige dir in immer vollerem Maaße
zu Theil wird. Erzwingen wirst du nichts, auch das ärmste,
geringste nicht, aber wohl durch werben gewinnen, und
das ist die Bedeutung des schönen Wortes erwerben.
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