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Philosophische und kritische Miscellen, 32-46; darin: <Adam Müller>, 3. Studium der positiven Wissenschaften, 38f.

3. Studium der positiven Wissenschaften.

A.– Lies – o lies vor allen die Schriften von Burke!

B.Du sagtest ja, es wären Gelegenheitsschriften, welche den Zustand der Dinge angingen, wie er zur Zeit des Autors gewesen sei. So müssen sie also antiquirt <39:> sein: es muß jetzt auf ganz andre Dinge und Fragen ankommen. – Wozu soll ich so etwas veraltetes lesen? derweil ist ja die Zeit reißend fortgeschritten, und schreitet während des Lesens immer mehr fort.

A.Lies dennoch den Burke! und grade die Gelegenheitsschriften.

B.Aber es liegt doch so vieles dem Interesse des Augenblicks näher: Eggers, Villers und Buchholz, und die Angelegenheiten von Rom, von Spanien, von Preußen. Du sagst selbst, man müsse in seiner Zeit, in der Gegenwart leben vor allen Dingen.

A. Wohl, nur daß ihr diese Kunst nicht versteht! nicht bloß eure Augen, auch eure Herzen, euer ganzes Leben soll gegenwärtig sein. Dies sollt ihr lernen, indem ihr unermüdet betrachtet, wie ein andrer Rechter, Ächter, in seiner Zeit gegenwärtig gewesen. Darum leset den Burke!

B.Aber die Handbücher der Staatswissenschaft, die nicht bei vorübergehender Gelegenheit, sondern für alle Gelegenheit und Zeiten geschrieben, müsen doch lehrreicher sein.

A.Sie sind es nicht; selbst das größte, das herrlichste, der Adam Smith selbst nicht. Grade, weil sie für alle Zeiten, für alle Örter geschrieben und an alle Leser gerichtet sind, sind sie für keine Zeit, keinen Ort und keinen Leser vollständig passend. – Was dagegen tüchtig und vollständig für oder gegen eine bestimmte Zeit, bei einer recht ordentlichen Gelegenheit geschrieben, das gehört allen Zeiten an. Es nöthigt ja die Zeit, den Ort und die Gelegenheit, welche es veranlaßte zu studiren, und den Helden (den Autor) recht gegenüber den Umständen zu ergreifen. Wer einen solchen Autor lesen will, muß mit ihm, in seinem Geiste agiren; welche Schrift nicht dazu nöthigt, wie sie auch von todter Weisheit strotzen möge, nenne ich nicht lehrreich. Die Regeln in den Handbüchern, und die bloßen Fälle in den Zeitungen, sind nichts; aber der lebendige Staatsmann, den großen reichen lebendigen Welthändeln gegenüber, der ist es: beides will immer mit einander geschaut werden. Demnach betrachtet Burken, und ihm gegenüber die brittische Constitution, Amerika, Ostindien, die Revolution von Frankreich etc. und ihr habt die größte Schule der Staatsweisheit durchgemacht. Ihr habt ideenweise und künstlerisch agirt: nicht begriffsweise oder nach Handwerker-Art.


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Letzte Aktualisierung 30-Jan-2003
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