Drittes
Lied.
Morgens
früh am andern Tage
All’ die Schaar der Götter sucht,
Ruft Iduna wohl zum Festgelage,
Hungrig nach der hochgelobten Frucht,
Botschaft senden sie nach allen Winden,
Keines Orts läßt sich Iduna finden.
Und
von Stund’ an All’ verblühen,
Ihre Kraft und Schöne dorrt,
Sonnenaugen löschen und verglühen,
Recht zusehends fleucht die Jugend fort,
Einer sieht des Andern Haupt ergrauen,
Furchen sind auf Aller Stirn zu schauen.
Und
hinauf zum Zeitenvater
Eilt bestürzt die Götterschaar:
Odin, auf! sei unser Hort und Rather!
Ach dem Vater selbst erbleicht das Haar,
Also schnell verfällt die Kraft des Alten,
Kaum das Scepter kann die Hand noch halten.
Und
es kam vor seine Ohren:
Bald vor Sonnen Untergang
Ging Idun’ und Lokke aus den Thoren,
Und sie eilten weg in scharfem Zank;
Ihre Äpfel hat sie mitgenommen,
Lokke drauf allein ist wieder kommen.
Wie
dem Vater dieß berichtet
In der Götter hohem Rath:
Böser Lokke, du, der uns vernichtet,
Tritt herbei, und flugs bekenn’ die That! <27:>
Auf die Folter laß ich sonst dich spannen,
Ewig aus der Götter Gränzen bannen.
Lokke
drauf hub an zu zagen:
Odin selbst weiß meine Noth,
Wie der Adler mich davon getragen,
Zwischen Leben rang ich, zwischen Tod,
Wiß’t, der Riesenfürst hat sie gestohlen,
Auf! ich will Iduna wiederholen!
Eine
Bitte nur gewähre
Freya\1\ mir, die heil’ge
bald,
Nimmer lös’ ich meines Wortes Ehre.
Komm’ ich in der eigenen Gestalt,
Dir, o Liebe, ja ist Macht gegeben,
Ewig neu zu wandeln alles Leben!
Laß
als Falke, laß mich wallen,
Du, die Allem Flügel schafft!
Andr’ auch zu verwandeln nach Gefallen,
Gieb, o Königin, mir Wunderkraft!
Und die Götter stimmen seiner Bitte,
Und der Falke flog aus ihrer Mitte.
\1\
Freya, Göttin der Liebe, hat die Kraft, alles Lebendige
in Vögel zu verwandeln, allen Flügel zu schaffen.