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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Das Sonntagsblatt (Wien), 31. 1. 1808, Nr. 57. (a:) 103-107: Deutsche Journale (121 Zeilen); darin: 104-107 (ab Z. 30). (b:) 108-115: Zweyter Brief des Herrn Hans Stolidus an den Herau[s]geber. (197 Zeilen); darin: 112-115 (ab Z. 130; 15 Zeilen ausgelassen)

„Phöbus“

<a:>
Ein Journal, das nicht hauptsächlich durch den Geist seines Redacteurs belebt und getragen wird, kann keinen Bestand haben, welche Kosten man auch darauf verwenden, welche Nahmen man ihm übrigens anheften, durch welche Kunstgriffe man ihm auch Eingang und Dauer zu verschaffen suchen mag. Um das wenige Gute und Vortreffliche aufzunehmen, das wirklich die besten Köpfe Deutschlands zu dem Inhalte belletristischer Zeitschriften möchten beytragen wollen, wären deren Eine genug. In allen Ländern und Zeiten, wo die schöne Literatur in eigentlichem Flor und Ansehen stand, war die Zahl der bloß sammelnden Journale dieser Art auf eines oder zwey beschränkt. Frankreich und England haben deren noch jetzt nicht mehrere; in dem blühendsten Zeitalter der deutschen Dichtkunst genügten uns der Merkur und das Musäum. Das Jahr 1808 allein bringt zu den Göttern des vorigen Jahres einen Prometheus, einen Phöbus, einen Jason; der Teutona, der Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst, (von Ast,) des wiedererstandenen Freymüthigen, und so vieler anderen neuen Journale, vermischteren Inhaltes, nicht zu gedenken. Und welches sind die mächtigen Köpfe, die in so vielen Musentempeln noch nicht Raum genug finden? – Es ist ein wahrhaft kläglicher Anblick, in dieser Zeit der Schwäche und geistigen Unfruchtbarkeit, beynahe alle Gottheiten bemüht zu sehen, den glänzenden Reihen dieser jugendlichen Genien anzuführen, die sämmtlich noch kein ganzes Genie ausmachen, und von denen vielleicht nicht Einer Lebenskraft genug hat, um das nächste Jahrzehend zu erreichen.
Daß die Betriebsamkeit der Sosier und der eitle Wahn unserer Kunstjünger nicht ermüdet, einen so oft mißlungenen Versuch zu wiederhohlen, kann niemanden wundern, der die Selbsttäuschungen der Eigenliebe und des literarischen Speculationsgeistes kennt. Aber was soll man von der Bereitwilligkeit denken, womit mehrere bessere, ja einige der ersten Köpfe Deutschlands, alle diese übernächtigen Geburten der Anmaßung und Unüberlegtheit, bey ihrem Entstehen, begünstigen, und, so bald sie in die Lesewelt eingeführt sind, wieder fallen lassen? – Was sonst, als daß ihnen der Zustand der vaterländischen Literatur durchaus gleichgültig ist, und daß sie das Publicum allzu sehr verachten, um das Unanständige einer so zweydeutigen Patronanz zu fühlen. Indessen glaubt jeder mittelmäßige Kopf, dessen Nahme auf dem Umschlag eines Journals einmahl neben Göthe’s Nahmen erschien, etwas von der Superiotät dieses seltenen Geistes erworben zu haben; und die Überzeugung der kleinen Meister von dem Umfang und der Tiefe ihres Genies nimmt in dem Maße zu, als sich die Beweise vermehren, daß sie dessen ganz und gar ermangeln.–
Ich besorge nicht, daß diese ernsthafte Sprache von verständigen Lesern mißdeutet werden könne. Der Zweck und die Einrichtung dieser Blätter, unsere oft erklärte, anspruchlose Denkart, setzen uns hoffentlich über den Verdacht einer journalistischen Eifersucht hinweg. Wir achten die Herausgeber und Mitarbeiter der neuesten Zeitschriften entweder allzu hoch, oder bey weitem nicht hoch genug, um sie als unsere Nebenbuhler zu betrachten; und von allen Erscheinungen in der deutschen Literatur könnte uns keine angenehmer seyn, als die Entstehung einer musterhaften, wirklich nationalen Zeitschrift, die allerdings möglich und sehr wünschenswerth ist. Ehe wir aber an die Erfüllung eines solchen Wunsches glauben, muß man uns einen Mann als Redacteur dieser einzigen nationalen Zeitschrift nennen, der einen wahrhaft großen Geschmack mit einem durch Nachdenken und Welterfahrung gereiften Verstande verbindet; einen Mann, der die Fesseln und engen Ansichten der Schule abgelegt hat, die ihn erzog; der unpartheyisch aus Grundsätzen ist, nicht aus Schwäche; dessen Urtheil und Sprache zeigen, daß er, wenn nicht über seiner Zeit, doch über der Mode des Tages steht, die sich außer und über aller Zeit zu seyn einbildet.
Ob unter den Herren A. Kuhn, Stoll, v. Seckendorf, Ast, H. v. Kleist, Adam Müller etc., ein solcher Mann sey, haben wir starke Gründe zu bezweifeln; und so lange wir an der Spitze der deutschen Journale keine anderen Helden erblicken, werden wir unsere Bemühung, die Politik und Haltung dieser imaginären Mächte strenge zu beobachten, nicht für überflüssig halten.

Th. West

<b:>
Da ich nun durch die mir überflüssig gewordenen französischen Schöngeister einen unvermutheten Zuwachs zu meinem Bibliotheksfond erhalte, – denn ich denke die Encyclopedie und den Montesquieu zu verkaufen, ehe sich noch meine Frau von der Lectüre der Leontine, und der Rector von seinem Schreck über die Geburt des Antichrists erhohlt hat: – so bin ich entschlossen, mir ohne Verzug noch ein paar nützliche, wenn schon etwas kostbare Werke anzuschaffen. Ich habe also bey meinem Buchhändler Bestellung auf die Zischelzeitung des Hrn. Puff, und auf den Prometheus der Herren Stoll und v. Seckendorf gemacht; zwey Zeitschriften, die recht darauf angelegt sind, einander in der Bearbeitung eines noch etwas dummen Publicums, wie das N**er ist, zu unterstützen; denn da die erste für Ungebildete, und die zweyte ausschließend für die Bildung der Menschen geschrieben wird, so müßte es schlimm seyn, wenn, durch ein solches Zusammenwirken, in der wohlgekneteten, trägen Thonmasse nicht endlich einige Funken zünden sollten. In Betracht des Prometheus bin ich zwar zweifelhaft gewesen, ob ich demselben nicht den Phöbus der Herren Heinrich v. Kleist und Adam Müller vorziehen sollte, da auch dieser von des Hrn. Geheimenraths v. Göthe Excellenz in Gnaden angesehen wird, und nicht bloß die vorzüglichen, sondern die allervorzüglichsten übrigen Schriftsteller Deutschlands sich zu dessen Aufrechterhaltung enge verbunden haben. Aber der Gedanke, daß die Flammen und Blitze des schon in voller Glorie strahlenden Phöbus den schwachen Augen meiner Landsleute gefährlich werden könnten, hat mich zu der bescheidneren Fackel des Prometheus zurück geführt, der uns sein göttliches Licht wohlweislich nur noch in einzelnen Funken zugemessen hat:
<Schlußformel des Briefs und Unterschrift; 15 Zeilen>.

Zusatz der Herausgeber.

Zur Erläuterung dessen, was Herr Stolidus von dem Phöbus anführt, lassen wir hier eine merkwürdige Stelle, aus der neuesten Ankündigung dieses Journals, wörtlich folgen:
„Statt der gewöhnlichen Art sich beym Anfang einer sol-
„chen Unternehmung auf die fremden Theilnehmer zu beru-
„fen, erklären wir nur, daß wir uns der Begünstigung

Göthes

„erfreuen. Es wäre unbescheidenes Selbstvertrauen, wenn wir
„verschmähten, ja wenn wir uns nicht darum beworben hät-
„ten, von Ihm empfohlen zu werden.“

Die Redaction des Phöbus.“

Prometheus (…) Jason (…) Teutona] cf. >> Journal des Luxus und der Moden, Januar 1808, 30-58: VI. Miscellen (870 Zeilen); darin: 43f. (Z. 411-453; 2. Miszelle)
Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst] herausgegeben v. Friedrich Ast, erschien 1808-09 in Landshut (7 Hefte) und 1810 in München (1 Heft)
wiedererstandenen Freymüthigen] „Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser“, hg. v. A. v. Kotzebue u. A. Kuhn, Berlin 1808; die 1803 von Kotzebue begründete, seit 1804 gemeinsam mit Garlieb Merkel hg. Zs. war 1807 nicht erschienen
Sosier] i.e. Buchhändler
Göthe’s Nahmen] die Verse 1-154 von Goethes Festspiel „Pandora“ im 1. Heft des Prometheus als Erstdruck
Zusatz der Herausgeber] cf. Anzeige betreffend den Phöbus (…), >> BKB 6, 65f.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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