Allgemeine
Zeitung (Ulm), 19. 9. 1808, Nr. 263, 1049f.: Blike auf die Leipziger Jubilatemesse 1808.
7. Buchhandel. (Fortsezung.) (136 Zeilen); darin: 1050 (ab Z. 86)
Penthesilea
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> Docens Miscellaneen führen auf viele bisher
verkannte Urquellen unserer Literatur und Sprache zurük. Dieser auch jezt wieder so
vielfach beglaubigte Geschmak an ächter klassischer Bildung stellt uns zugleich die
sicherste Bürgschaft, daß alle süßlich-mystischen Faseleien in der neuesten
romantisch-christlichen oder ächt poetischen Poesie, wovon ja auch der neueste Meßertrag
uns manches Schneeglökchen und Alpenröschen dargeboten hat, nie den Kern der
Nation bethören, und den nervigten Jüngling in die Kinderkappe mit dem naiven
Geiferläppchen zurükzwängen werde. Allen lallenden Novalisten zum Troz tritt der
Großmeister Göthe nun selbst mit seinem hochbegabten, in seiner ersten
Hälfte wenigstens nun ganzen und unverstümmelten, Faust auf, einem der
originellsten Produkte, dessen Ehre mit jedem folgenden Zeitalter nur wachsen kan. Zwar
ist zwischen ihm und der durch ihn selbst zum Theil begeisterten Aladdins Lampe
von Oehlenschläger (Amsterdam, Industriekomtoir) noch eine weite Kluft
befestigt, die Morgianes und des Hofnarren Naivitäten wohl schwerlich ausfüllen werden.
Indeß fehlt es auch hier nicht an genialischen, dem Innersten im Innern abgelauschten,
Zügen, und es mag auch seine Erscheinung, aus der Hand eines Ausländers doppelt
willkommen, eine fröhliche genannt werden. Einige Dichter sammelten ihre zerstreuten
Gedichte. Da gab es freilich auch ächt-märkische, schon vertroknet geborne
Haideblumenkränze. Man würde aber sehr ungerecht seyn, wenn man die nette Sammlung von
Friedrich Kinds (Leipzig, Hartknoch) Gedichten, von welchen viele
gewiß perenniren, darunter zählen, oder in Sonnenbergs, nach seinem Tod
herausgegebenen, Gedichten nicht wenigstens kräftige Lebenskeime entdeken wollte. J.
G. Jacobi und Pfeffel, der Altvater, sezen ihre mit gutem Geist
getauften Sammlungen fort. Dazu darf die nun in 12 Bänden vollendete Ausgabe von Göthes
Werken, und die 5te Lieferung der Herderschen Werke (beide von Cotta
unternommen) als vielfache Bereicherung und Zierde der deutschen Literatur,
die sich nie überleben wird, angerechnet werden. Wo solche Früchte reifen, kan man sich
leicht darüber trösten, daß weder die Theater- noch die Romanenwelt, so zahlreich auch
die Titel sich einfanden, etwas sehr Ausgezeichnetes zur guten Meßgabe hervorbrachten.
Wenn Iffland und ein des Verpflanzungsgeschäfts sehr kundiger Ungenannter in
seinem Familientheater (Leipzig, Göschen) mit dem fruchtbaren Theodor Hell
um die Wette uns französische leichte Waare für nichts köstlicheres verkaufen, als
wofür es gleich Anfangs ausgeprägt wurde, so ist diese Unterhaltung wenigstens ganz
unschuldig. Wir erhielten aber doch auch eine Bianka von Toredo von Winkler,
die beim Lesen eher gewinnt, und von Klingmanns Theater den ersten Theil,
worin der kräftige Martin Luther sich gar wohl der Weihe der Kraft gegenüber sehen
lassen darf, und etwas später trat auch noch H. v. Kleists
Penthesilea dazu,
der Kritik ein genialisches Ärgerniß.
(Die Fortsezung folgt.)
Penthesilea] >> Morgenblatt für gebildete Stände,
13. 10. 1808, Nr. 246
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