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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Reinhold Steig, Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe (Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 373f.

16. Kriegsregel.


Steht im 23. Abendblatt, vom 26. October 1810; anonym. Sie lautet

Kriegsregel.
Ein alter ausgedienter Kriegsknecht sagte zu seinem Sohne: Höre Fritz, du bist nun auch ein Reiter geworden, wie ich war, und übermorgen marschiert die Schwadron gegen den Feind. Da will ich dir was sagen. Wenn wir sonst einhauen sollten, pflegte unser Rittmeister zu sprechen: „haut die Hunde zusammen, daß sie die Schwerenoth kriegen!“ – Der Herr Wachtmeister rief auch wohl: „Drauf! In’s Teufels Namen!“ – Ich habe mir aber nie etwas Sonderliches dabei denken können. Meine Manier war die, daß ich den Pallasch recht fest faßte, und ganz stille aber recht inbrünstig zu mir sagte: „nun mit Gott!“ – Ich wollte, du thätest das auch; es haut sich ganz prächtig darnach.

So rundgeschlossen die Kriegsregel auch herauskommt, eines Kleist an sich nicht unwürdig, so liegt doch wieder ein Etwas darin, das nichtkleistischen Ursprung ahnen läßt. Kleist kam es auf ein paar nicht bös gemeinte Flüche und Donnerwetter mehr oder weniger gar nicht an. Den weicheren religiösen Ton schlägt Fouqué in den Abendblättern an. Eine Parallele zur Kriegsregel bietet der Eingang von Fouqué’s Zauberring 1812. „Es giebt Leute (sagt Fouqué da), welche darüber lachen, daß man zu irgendeinem Thun den lieben Gott mit rechter Inbrunst um Hülfe anrufen könne; demungeachtet scheut sich der Schreiber nicht, zu gestehen, daß er solches jetzt eben von ganzem Herzen gethan habe. Schon früher hat ihm das bei ähnlichen Unternehmungen geholfen, und er hoffet zuversichtlich, es soll auch diesmal helfen.“ Es ist merkwürdig, wie doch oft dieselbe Sache immer auch in <374:> gleichartigen Wendungen wiederkehrt. Bliebe aber noch ein Zweifel an Fouqué’s Autorschaft der Kriegsregel, so zerfiele er durch die Constatirung der Thatsache, daß Fouqué selbst dies anonyme Stück der Abendblätter in seine Sammlung kleiner prosaischer Schriften (1819. 1, 32) aufgenommen hat.
Die Aufnahme ist wieder wortgetreu und ohne Quellangabe. Nach der Erfahrung, daß Kleist weder geschriebene noch gedruckte Vorlagen respectirte, und nach der Freiheit, die er sich nachweislich Fouqué gegenüber gestattete (unten S. 488), glaube ich, daß Kleist der Kriegsregel erst die runde, straffe Form gegeben hat.

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Letzte Aktualisierung 06-Feb-2003
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