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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Reinhold Steig, Heinrich von Kleist’s Berliner Kämpfe (Berlin, Stuttgart: Spemann 1901), 276-281

7. Uebersicht der Kunstausstellung.


Am 4. November 1810 wurde die Kunstausstellung nach sechswöchentlicher Dauer geschlossen, und weil so manches ursprünglich beabsichtigte, ja verheißene Wort über sie die Berliner Abendblätter nicht gesprochen hatten, schien es doch wohl Kleist und seinen Freunden nöthig, einen Schlußbericht zu geben, in dem sich Vieles nachholen ließe. Arnim machte sich an die rasch zu leistende Arbeit, und vom 12. November ab erschien in drei Nummern seine „Uebersicht der Kunstausstellung“.
Das Thema verlangte von vornherein eine versöhnliche Behandlung. Arnim’s milde, auch im Tadel nicht verletzende Art war hier so recht in ihrem Elemente. Er fand für Publicum wie Künstler freundlich anerkennende Worte, und der laut gewordenen Kritik verstand er dadurch das Bittere zu nehmen, daß er von ihr als dem immer beschränkten Urtheile der Freunde oder Gegner und den Anforderungen der verschiedensten Naturen sprach, die der Künstler kennen lernen müsse, um aus ihnen zur allgemeinen Billigung zu gelangen. Ohne sich jedoch bei den einzelnen Arbeiten, wie er wünschte, aufhalten zu können, wolle er, erklärte Arnim, zur Uebersicht nur das aufzeichnen, was das allgemeine Urtheil ausgezeichnet habe.
In die Einzelbetrachtung sämmtlicher Kunstwerke, die Arnim jetzt hintereinander ohne allgemeine Gruppirung durchnimmt, kann ich natürlich nicht mit eintreten. Nur diejenigen Urtheile mögen ausgehoben werden, die zu früheren Aeußerungen der Abendblätter in irgend ein Verhältniß rücken, oder die sonstwie der Personen oder Sachen willen allgemeinere Beachtung für sich fordern.
Königin Luise: „Allgemein war der Wunsch, das <277:> Bild der verehrten Königinn von geschickter Hand ähnlich bewahrt zu finden; unter verschiedenen, welche dieser Wunsch hervorgebracht, wurde das Bild von Schadow vorgezogen, ungeachtet es blos nach anderen Bildern und nach dem Rathe verehrter Angehörigen der Verstorbenen gemalt worden. Es übertrift unleugbar alle Bilder, die wir von ihr zu sehen Gelegenheit hatten, die Anmuth ihrer Bewegungen, ihrer Freundlichkeit veranlassen die Maler sehr leicht, ganz fremdartige Ideale an ihr darzustellen; doch ist es unerklärlich, daß eine so allgemein bewunderte Königinn bei ihrem Leben nie von einem der besten Porträtmaler unsrer Zeit gemalt worden.“
Stimmt im Ganzen mit Beckedorff überein (oben S. 257), läßt Arnim’s Verehrung und persönliche Kenntniß der Königin durchscheinen und ist deshalb heute noch von Werthe für die Beurtheilung der damals entstandenen Luisenbilder.
Friedrich Büry: „Die schönste Folge von Bildnissen lieferte Büry, ein früherer Aufsatz in diesen Blättern hat den Sinn des größesten derselben von den beiden kunstschätzenden Fürstinnen, die diese Ausstellung mit ihren Arbeiten geschmückt haben, sehr gut gedeutet. Mancher Tadel, den wir gegen dieses schätzbare Bild hörten, wäre verschwunden, wenn der Sinn so klar aus dem Anblicke, wie dort aus den Worten hervorgegangen wäre; einzelne Nachlässigkeiten in Nebenwerken sind einem Meister wie Büry so leicht zu verbessern, daß wir sie hier nicht erwähnen mögen; die Zusammenstellung der Figuren und die Zusammenfügung der Hände wurde als steif getadelt: der Künstler suchte vielleicht Ernst und Festigkeit der Verbindung eben darin auszudrücken. Die Meinung als wäre es in altdeutschem Style gemalt, ist durchaus unbegründet. Allgemein anerkannt war sein Bild der drei Schweizer; von aller modernen Effektwuth frei, erhebt es sich zu der Würde älterer Kunstwerke, es ist nach unsrer Ueber- <278:> zeugung eines der besten Bilder, die seit einem Jahrhundert gemalt sind. Die rechte Schulter des mittleren Schweizers wurde von einigen für zu niedrig gehalten, doch ließe sich wohl aus der Dicke der Zeuge, die sich leicht erheben, diese Ungleichheit erklären; an ein Verzeichnen ist wohl bei etwas so Sichtbarem nicht zu denken, sondern besser scheints, die Absicht des Künstlers aufzusuchen.“
Also ausdrückliches Citat Beckedorff’s und neue Ausführungen zu dem Portrait der Prinzessinnen. Ueber die drei Schweizer von Büry, für Baron Penz in Mecklenburg bestimmt, hat Arnim schon 1806, als das Bild noch in der Arbeit war, an Goethe berichtet und damals auch bemerkt, daß die Landschaft auf dem Bilde von Genelli angelegt sei.
Weitsch: über ihn sei auf Kleist’s Brief eines Malers an seinen Sohn verwiesen, oben S. 268.
Gerhard von Kügelgen: „Kügelgen’s Madonna in dem heiligen Gruße ist zu klein, um sie in dieser Hinsicht (nämlich ob sie die bei Weitsch gerügten Mängel habe) zu prüfen; viele meinen sie allzu griechich, andere zu feurig roth; wir bemerken aber, daß die Mutter Gottes, ehe sie Mutter Gottes geworden, nur den jungfräulichen Ausdruck, aber nichts göttliches erhält, und dieser ist allerdings in jenem Bilde recht angenehm ausgedrückt, das mit der geheimnißvollen Gegenwart des Herrn im Lichtkreuze, uns einen eigenthümlichen Schauer erweckt hat. Die Behandlung der Farben ist in Kügelgen’s Bildern ausgezeichnet, mit echtem alten Fleiße sind alle, bis auf die Nebenwerke, beendigt, doch mochte der Wunsch zu glätten hin und wieder, besonders aber in den beiden treflichen Portraits (nämlich Goethe’s und Wieland’s), dieselbe Wirkung, wie die allzu vereinzelte Ausführung in Dennerschen Bildern hervor bringen, die Festigkeit der größeren Gesichtsmassen verliert allzu sehr dabei. <279:> Dessen ungeachtet gehört Wielands Bild zu den wahrsten und treusten, welche irgend ein Künstler neuerer Zeit gemacht hat. Sein Hyacinth (auf dem ausgestellten Bilde „Apollo und Hyacinth“) wäre sehr schön, wenn er allein, ohne den Gott, dargestellt worden, als ein Bild frühen gewaltsamen Todes; der fleischige und doch steinerne Apollo gefiel nicht.“
Arnim hatte ein persönliches Verhältniß zu Kügelgen, seitdem er Ende 1808 mit ihm in Weimar zusammengetroffen war und neben ihm und Zacharias Werner an Goethe’s Tische gesessen hatte. Damals arbeitete Kügelgen an den Portraits Goethe’s, Wieland’s, Schiller’s, Herder’s. Aus den Kügelgen’s Potraitirkunst kritisirenden Worten Arnim’s und aus der weniger lebhaften Hervorhebung des Goethepotraits muß man schließen, daß Arnim das letztere nicht ganz recht war. Dies nicht ausgesprochene Urtheil eines unbefangenen, Kügelgen eher freundlich gesinnten Mannes ist wichtig für uns. Das an erster Stelle von Arnim besprochene Bild, in Kügelgen’s Bezeichnung gewöhnlich „Die Verkündigung Mariens“, wurde, des Künstlers eigenem Zeugniß zufolge (Hasse S. 161), vom Könige von Preußen für hundert Dukaten angekauft.
Ludewig: vgl. Arnim’s Sonett, oben S. 260.
Friedrich: vgl. Empfindungen vor Friedrich’s Seelandschaft, oben S. 262.
Schinkel: Auf der Ausstellung befand sich Schinkel’s „Entwurf für eine Begräbnißkapelle der verewigten Königin“, dessen leitende Idee Schinkel, unter Ablehnung der dem modernen Bedürfniß nicht genügenden antiken Formen, den Bauwerken des christlichen Mittelalters entnommen hatte. Arnim bemerkt: „Der Plan seines Denkmals auf die verewigte Königinn vereingt den Kirchendienst, der den Ort nach einer ehrwürdigen Volksgesinnung heiligen muß, wo die Herrscher <280:> begraben liegen, mit der Gesinnung, daß diese Kirche ausschließlich zu ihrem Andenken erbaut sei; allgemein war das Bedauern, daß derselbe nicht ausgeführt worden.“ Der letzte Satz Arnim’s deutet darauf hin, daß vom Könige dem Entwurfe des Hofbaurathes Gentz im griechischen Stile der Vorzug gegeben worden war.
Weißer aus Weimar: „Weißer lieferte eine Büste von Göthe, die nach einem Abgusse auf dem Gesichte verfertigt, also alle die Nachtheile und Vorzüge dieser Art Bilderarbeit trägt, Richtigkeit aller festen Theile, Unrichtigkeit aller beweglichen.“ Auch diese Beurtheilung der Weißer’schen Büste dürfte in Hinsicht auf Goethe heute von Werthe sein.
Thorwaldsen: „Die beiden merkwürdigsten Bildwerke waren unleugbar die kolossalen Marmorbüsten der F. v. d. Recke und Tiedges von Thorwaldsen. Der große Sinn des Auffassens im Ganzen und Einzelnen ist über alles Lob erhaben; sonderbar ist’s, was in dieser Kunst herrlich wird, erscheint Antike.“
Ueberschlagen wir, welche von den 1810 in Berlin ausgestellten Kunstwerken, und welche Namen die hundert Jahre seitdem überlebt haben, so müssen wir bekennen, daß Arnim als Referent der Berliner Abendblätter bei seiner Auswahl von sicherm Kunstgefühl bestimmt gewesen ist. Seine Anerkennung schmeichelte nicht, seine Bemängelung schmerzte nicht, weder nach oben noch nach unten. Ganz leise führt er in die schließenden Sätze die Hoffnung der Patrioten ein: Das edelste und höchste Geschäft der Künstler sei jetzt, die Kunst glücklichern, ruhigern Zeiten zu erhalten. Dazu könne jedes edle Gemüth, das bei redlichem Bemühen doch nicht zur Meisterschaft in einer schönen Kunst gelangen könnte, mithelfen; die darauf gerichtete Arbeit sei der Welt nicht verloren. Fast schon wie die einleitenden Parthien der Kronenwächter <281:> muthen uns diese Sätze an. „Und damit (beendet Arnim den Artikel) möchten wir alle die vertrösten, die einen eigenthümlichen Werth ihrer Arbeiten fühlen, ihn aber von uns nicht erwähnt finden; gern hätten wir jedem Talente und jedem guten Bemühen etwas Aufmunterndes gesagt.“

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Letzte Aktualisierung 06-Feb-2003
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