Reinhold Steig, Heinrich von Kleists Berliner Kämpfe (Berlin, Stuttgart:
Spemann 1901), 166f.
Drittes Capitel.
Theater.
Zu der Zeit, wo Kleist als dramatischer
Dichter um die Bühne warb, gab es nur Ein Theater in Berlin,
das das Nationaltheater hieß und Zuschüsse vom KOenig erhielt.
Die Direction führte seit 1796 der Schauspieler und Dichter
von Theaterstücken August Wilhelm Iffland.
Das Berliner Nationaltheater war, weil es vom Königlichen Hofe
abhing, in Wahrheit ein Hoftheater. Ein Hoftheater muß in einem geordneten Staatswesen im
Einklang mit der allgemeinen Staatspolitik geleitet werden. Es wäre unerträglich, wenn
von der Hofbühne Wirkungen in das Publicum hinausgingen, die dem Staatswillen entgegen
arbeiteten. Die reinste Form des Hoftheaters hat Weimar besessen zu Goethes Zeit.
Goethe, als der leitende Director des Staates und des Theaters, hielt die Politik und die
Bühne im Einklang mit einander. Die Bühne fiel in sein Ressort als Cultusminister, und
einen Cultusminister wie Goethe hat es in Deutschland nicht zum zweiten Male gegeben.
Darum wurde die Weimarische Bühne die unerreichte Musterbühne Deutschlands. In keinem
deutschen Einzelstaate trafen gleich günstige Umstände zusammen, wie in Weimar.
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Während der letzten Jahre Kleists regierte in Berlin Hardenberg
den Staat, und dirigirte Iffland das Theater. Iffland war freilich nicht von Hardenberg
berufen worden, aber da diesem die Oberaufsicht über alle Zweige des Staatsbetriebes
zustand, so hätte Iffland ohne seine Zustimmung die Theaterdirection nicht weiterführen
können. Iffland mußte handeln, wie er annehmen durfte, daß es der Regierung genehm
wäre. Wer demnach ein Gegner der Politik Hardenbergs war, mußte nothwendig auch
mit Ifflands Leitung des Nationaltheaters in Conflict gerathen.
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