Friedrich
v. Raumer, Lebenserinnerungen und Briefwechsel. 2 Bde.
(Leipzig: Brockhaus 1861), Bd. 1, 132-137
Prüfung von Vorschlägen zum Finanzplan
Zu jenen Zögerungen trug der Tod der Königin und die Ankunft des vom Kanzler berufenen
Präsidenten von Schön bei. Dessen, wahrscheinlich mit Niebuhr berathene Vorschläge
halfen uns nicht weiter. Hardenberg z. B. wollte die Grundsteuer gleichstellen und
die Hälfte zu acht Procent von allen Grundeigenthümern ablösen lassen. Allerdings
würde dieser Plan bei der Ausführung große Schwierigkeiten gefunden haben; ganz
unmöglich war es (wie Schön wollte), nur etwa 400 Erbpächter königlicher
Domänen, von denen die meisten außer Stande waren, ihre laufende Pacht zu bezahlen,
herbeizuziehen und zu verlangen, daß sie zwei Drittheile ihres Kanons zu sechs vom
Hundert ablösen sollten. Hardenberg hegte gewiß zu günstige Hoffnungen von
dem Ertrage zu eröffnender inländischer Anleihen; noch mehr aber täuschte sich Schön,
wenn er glaubte, daß die geistlichen und Klostergüter sogleich dem Staate
6½ Millionen Thaler leihen könnten und leihen würden. Hardenberg hoffte im
nächsten Jahre etwa zwei Millionen aus den Domänen zu ziehen; Schön brachte (höchst
unwahrscheinlich) 6½ Millionen zum Ansatz. Hardenberg wollte Vorspann,
Fourragelieferung, Gewerbebann, Zwangsrechte abschaffen; Schön wollte die
Fourragelieferung in eine Grundsteuer, nach der jetzigen heillosen Vertheilung
<133:> verwandeln, und schwieg über alle andern Punkte, mittelbar sie misbilligend.
Schon aus der Verschiedenheit
dieser Ansichten und Grundsätze ließ sich entnehmen, daß Hardenbergs Gedanke, das
Ministerium des Innern Herrn von Schön zu übergeben, nicht zur Ausführung kommen
würde. Auch entwickelte dieser (August 1810) in einem, dem Könige und dem Kanzler
überreichten Aufsatze, die Gründe, weshalb er als treuer Unterthan keine Anstellung in
Berlin annehmen könne. Er müsse (wenn er nicht aus Eitelkeit, oder Übereilung Minister
werden wolle) das vollste und höchste Vertrauen des Königs besitzen, und nur das
ausführen sollen was vollkommen seiner Überzeugung gemäß sei; es müsse keine Person
zwischen ihm und dem Könige stehen. Außerdem spreche er nicht französisch und sei nicht
reich; ebenfalls zwei Umstände, welche die Annahme einer Ministerstelle unrathsam
machten. Der Aufsatz war in edlem Stile gehalten, auch ehrte der Kanzler Herrn
von Schön nach wie vor, und machte ihm wegen seines persönlichen Benehmens keinen
Vorwurf. Über den Hergang selbst schrieb der König den 24. August an
Hardenberg: Nach Durchlesung des Aufsatzes des Präsidenten von Schön finde ich
mich immer mehr in meiner über ihn gefaßten Meinung bestätigt; denn ich hielt ihn von
jeher für einen treuen, gebildeten Staatsdiener, aber zugleich für einen excentrischen
Kopf. Er will als Minister obenan stehen, das heißt: er will befehlen, aber nicht
gehorchen, seine Meinung ausführen, aber keine annehmen. So sind leider die fähigen
Köpfe jetzt fast alle gestimmt; und dabei wird das Ganze der Darstellung mit
Uneigennützigkeit und Patriotismus ausgeschmückt. Wie unter solchen Umständen von
seinen, allerdings schätzbaren Fähigkeiten wird Gebrauch zu machen sein, wenn man ihn
nicht auf seinem Lieblingsposten in Gumbinnen lassen will, sehe ich nicht recht ein. Ich
erwarte indessen Ihre Vorschläge. <134:>
Kaum war die Prüfung des
Finanzplans von Schön beendet, der ungenügend, aber redlich gemeint war, so wurden mir
neue Vorschläge der Geheimräthe Heydebreck und Beguelin zur Prüfung vorgelegt, worüber
sich zwei Parteien geeinigt zu haben schienen: eine überconservative, welche in
Nichtsthun Weisheit sah, und eine andere, welche wesentlich durch Eigennutz angetrieben
ward. Jene Vorschläge gingen nämlich im wesentlichen dahin: die unentbehrlichen, eiligen
Steuergesetze zu erlassen, alle Anordnungen über innere Verbesserungen aber
auszusetzen. Ich widersprach sehr bestimmt und behauptete: die sehr lästigen
neuen Steuern können selbst auf kurze Zeit nicht beigetrieben werden, sobald
erleichternde, tröstende, beruhigende Maßregeln wegbleiben. Für diese scheint mir jetzt
der günstigste, ja vielleicht der einzige nicht zu versäumende Augenblick.
Wollte man neben großen, neuen Auflagen (denn der Bedarf wird durch Aussetzung jener
Maßregeln nicht geringer), nur einzelne, unbedeutende Vereinfachungen in der Verwaltung
eintreten lassen, so würde dies auf das gesammte Volk gar nicht zurückwirken, sondern
die Last ganz rein und unversüßt als bloße Last erscheinen. Die Behauptung, daß jene
Maßregeln allein die Feudalberechtigten träfen und diese zu Grunde richten würden, ist
irrig; denn manche Befreiungen (wie die von Vorspann und Fourragelieferung) beruhen
lediglich auf ungerechtem Herkommen. Während nämlich die Lasten der Bauern auf allen
Seiten größer geworden sind, hat man die Lehnpferdegelder nicht erhöht. Auch gewinnen
die großen Gutsbesitzer durch Milderung der Verpflichtung die bäuerlichen Höfe
vollzählig und im Stande zu halten, durch Erlaubniß der Wollausfuhr u. s. w.
weit mehr, als sie durch die neuen Maßregeln verlieren. Die Behauptung, daß die
Kapitalisten zeither wenig oder nichts verloren hätten, ist irrig: man denke nur an den
Indult, die ausbleibenden Zinszahlungen, den Stand <135:> aller Staats- und
Institutspapiere, den Ausfall der nachstehenden Hypotheken u. s. w. Die in
Antrag gebrachten Maßregeln greifen so ineinander, daß keine einzige unterbleiben kann,
ohne die ganze Richtung zu verändern, und alle Consequenz zu vernichten.
Aus diesen Gründen verwarf
der Kanzler die Vorschläge der Herren von Heydebreck und Beguelin; doch dienten sie
gleich manchen andern, auch die eigenen Gedanken einer immer wiederholten Prüfung zu
unterwerfen und durch solche Fegfeuer zu reinigen. Unzählige, von unbedeutenden Personen
überreichte Anträge hatte ich indeß aus Mangel an Zeit nicht durchsehen können, bis
ich mich nach der Weisung des, Gutes hoffenden, Kanzlers dieser Arbeit unterziehen mußte.
Ich erstattete ihm hierauf am 26. August 1810 folgenden Bericht: Euer Excellenz
gnädigem Befehle gemäß begann ich die Durchlesung der Actenbände, welche die von
Privatpersonen eingereichten Finanzplane enthalten, gewahrte aber bald, daß das Wahre
nicht neu, und das Neue nicht wahr, oder brauchbar sei. Deßungeachtet war die Leserei
anziehend genug, und ich erlaube mir, beim Mangel ernsthafter Weisheit, einige der gar
curiosen Einfälle und Vorschläge aufzuzählen, deren jeder einzelne von den Einsendern
als allein und radical helfend angepriesen wird. Unter den Einsendern
befinden sich übrigens Grafen, Barone, Edelleute, Bankiers, Juden, Militärpersonen
verschiedener Art, selbst invalide Soldaten, Kaufleute, Bäcker, Riemer, Glaser,
Stellmacher, Studenten u. s. w., ja selbst eine Mademasel, wie sie sich
unterschreibt. Nichts wäre erwünschter, spricht der eine, als wenn dem Staate durch
freiwillige Einzahlung der Bürger geholfen würde; deshalb habe ich einen Plan zu einer die
gesammte Menschheit beglückenden Immobiliarlotterie, einen zweiten zur Verlosung und
Ausspielung sämmtlicher Domänen entworfen. Nur das Entbehrliche kann man
<136:> geben, ruft ein anderer, und will die Militärmacht des Staats, durch
Einschmelzung der entbehrlichen Glocken auf den höchsten Gipfel heben. Und (fährt er
fort) welch ein Nebengewinn: das mir unangenehme Läuten wird abkommen. Nur durch
Papiergeld ist dem Staate zu helfen, schreien viere zu gleicher Zeit. Der erste verlangt
dessen Fertigung allein zum Chausseebau; der zweite zum Ersatz des Abgangs an
Viehcorporibus; der dritte dagegen will, daß jede einzelne Handwerkszunft ihr
eigenes Papiergeld habe, und dies dem Bedürftigen zu 40-200 Procent Zinsen gegeben
werde; dem vierten ist Papiergeld doch gar zu papieren, er will ledernes Geld ausgeben.
Andere behaupten, es
sei leichter dem Staate durch Monopole zu helfen, und verlangen ein solches für die rohen
Tabacksblätter, damit man nicht mehr brillante Etiketten und schlechten Taback
erhalte. Weit großartiger ist dagegen der Vorschlag (des Herrn Ephraim), einer
Gesellschaft das Monopol der Versorgung aller Städte mit Lebensmitteln zu ertheilen. Die
mehrsten der erleuchteten Ärzte wollen mit neuen Steuern retten. Der eine glaubt nur das
streng Gerechte zu verlangen, wenn er den Bauern das Doppelte ihrer bisherigen Grundsteuer
aufbürden will: denn sie besäßen mehr Land als im Kataster in Zahlen ausgedrückt
stehe, und alle müßten Gott danken daß man ihnen die Nachzahlung erlasse. Ein zweiter
zornig, daß die Bauern mit Pferden in der Stadt paradiren und wol gar Menschen
umfahren, fordert ihre höhere Besteuerunng, will sie aber dadurch beglücken, daß
künftig nur Ochsen statt der Pferde gehalten werden dürfen. Um dies Ziel zu erreichen
werden
1) sogleich alle Hengste
castrirt;
2) von drei Kälbern darf der
Bauer nur eins verkaufen und muß zwei aufziehen; <137:>
3) von einem Kalbe wird so
viel Accise erhoben, als von einem Ochsen.
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