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(Wilhelm Traugott) Krug’s Lebensreise in sechs Stazionen von ihm selbst beschrieben. Nebst Franz Volkmar Reinhard’s Briefen an den Verfasser. Neue, verbesserte und vermehrte, Ausgabe (Leipzig: Baumgärtner 1842), 127f.

Kleist in Königsberg beim Ehepaar Krug


Der Dritte, nämlich Heinrich von Kleist, hatte zu der Zeit noch nicht so ausgezeichneten Ruf, als jene Beiden und als er späterhin durch seine dramatischen Dichtungen und seinen tragischen Tod erwarb. Indessen fing er schon an, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen; und zu mir selbst stand er in einem so eigenthümlichen Verhältnisse, daß ich noch aufmerksamer auf ihn sein musste. Denn meine Frau war seine erste Liebe gewesen. Auch würde seine Bewerbung um ihre Hand nicht erfolgslos geblieben sein, wenn er nicht zu abenteuerliche Vorschläge damit verknüpft hätte. Ohne hinreichendes Vermögen zur Subsistenz einer Familie wollt’ er dennoch keine Anstellung in der Heimat suchen, sondern mit seiner Geliebten nach der Schweiz ziehen, um dort ein idyllisches Leben zu führen. Deshalb versagten die Eltern ihre Einwilligung und, wie ich glaube, zum Glücke für ihre Tochter. Denn bei dem launenhaften und unsteten Wesen dieses Mannes würde sie schwerlich ein sehr idyllisches Leben gefunden haben. Er war so unglücklich organisirt, daß er sich fast immer in einem fieberhaften Zustande befand; woraus auch manche Seltsamkeit in seinen Dichtungen zu erklären sein dürfte. Das erste Zusammentreffen mit ihm hatte etwas Peinliches, sowohl für ihn als für uns selbst. Nach und nach aber gewöhnte man sich von beiden Seiten daran, frühere Lebensverhältnisse zu vergessen; und ich gestehe, daß ich, wenn er eben heiter gestimmt war, einen recht unterhaltenden Gesellschafter in ihm fand. Doch war jene Stimmung die seltnere. Meist war er in sich gekehrt und düster. Als ich ihn daher einmal besuchte und in solcher Verstimmung am hellen Mittag im Bette liegend gefunden hatte, konnt’ ich mich nicht enthalten, zu meiner Frau zu sagen: „Ich fürchte, unser Freund K. thut sich noch ein Leides an!“ Daher war ich auch gar nicht betreten, als ich sein tragisches Ende vernahm. Ich wunderte mich vielmehr, daß er noch so lange ausgedauert hatte. Hier oben <128:> aber ist er ganz heiter, gleich allen andern Himmelsbewohnern. Ja er kann es selbst nicht begreifen, warum er auf der Unterwelt so ein Narr gewesen und sich immer mit so düstern Vorstellungen gequält habe. Ein andrer Himmelsbewohner meinte zwar, der Grund möchte wohl darin gelegen haben, daß er ein Poet gewesen; denn die wären stets mit der Welt unzufrieden, weil ihre Werke nicht genug gepriesen würden. Ich erwiderte aber, daß ich doch auch manchen heitern Poeten gekannt hätte, mithin der Grund wohl nur in einem unglücklichen Organismus gelegen haben könnte.


Der Dritte] von Krugs Bekannten während seiner Königsberger Jahre neben Fichte und Kotzebue

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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