Karl Wilhelm Ferdinand
v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien,
in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33;
3. Stück, 1-14; darin: 3. Stück, 1-5
1.
Robert Guiscard
Fortsetzung.
Mitten in dieser glänzenden Laufbahn, nach einer Kette von Siegen, die ihn zu den
kühnsten Erwartungen berechtigten, sahe er sich plözlich durch unglückliche Nachrichten
aus Italien aufgehalten. Die Politik eines Gegners, den er im ofnen Felde
niedergeschmettert hatte, wand ihm durch einen Federzug in seinem Kabinette die Früchte
aller seiner Anstrengungen aus den Händen, und an dem nie bezähmten Geist der
Unabhängigkeit seiner Barone scheiterte das Glück und die Tapferkeit des Herzogs.
Anstatt der erwarteten Unterstüzungen überbrachten schnell aufeinander folgende Bothen
die dringendsten Bitten um Hülfe. In einer Bergfestung eingeschlossen, that der junge
Roger den empörten Normannen nur noch schwachen Widerstand, und der deutsche König
Heinrich belagerte zum dritten Mahle Rom, und hatte ein enges Bündniß mit dem
griechischen Kaiser geschlossen. Gregors Rettung konnte allein die Deutschen von den
Staaten Roberts ent- <2:> fernt halten, dem jezt ausser einem bis auf das Drittheil
geschmolzenen Heere mitten in einem feindlichen Lande nichts übrig blieb, als die
Hilfsquellen, die er in sich selber fand.
In der stolzen Überzeugung,
daß seine Gegenwart allein die Übel gut machen könnte, die seine Abwesenheit veranlaßt
hatte, wagte ers, nur von wenigen Rittern begleitet, mit seiner Gemahlinn auf zwey
Schiffen nach dem empörten Lande überzufahren. Um Alexius Anschläge zu vernichten ließ
er sein Heer unter der Anführung eines Helden zurück, der allein im Stande war, ihn
selbst zu ersetzen. Bohemund bedurfte keiner Vorschrift, wie er den Krieg führen sollte,
sein Vater empfahl ihm blos, die zurückbleibenden Grafen als seines Gleichen zu
betrachten, diesen aber, dem obersten Feldherrn zu gehorchen.
Schon das Gerücht von
Roberts Ankunft gab der Partey, die ihm noch getreu war, Muth, das Schloß, worin Roger
belagert war, zu entsezen. Mit jedem Schritt, den der Herzog in seinem Lande vorwärts
that, vergrösserte Furcht oder Zuneigung seine Macht. Ein fürchterliches Beispiel seiner
Rache an der Stadt Cannae, die er von Grund aus zerstöhrte, schreckte die übrigen, und
Herrman, Abälards Bruder, der tapfre Anführer der Rebellen, unterlag dem Misgeschick
seines Hauses und dem überlegnen Geist seines Oheims. Tod oder Verstümlung war die
Strafe der Gefangnen, und ihre eingezognen Güter bereicherten den Herzog. Eine Summe von
30,000 Goldgulden, die er dem Pabst schickte, erhielt <3:> die wankende Treue der
Römer, und die ungesunde Luft der Hauptstadt zwang die Deutschen zum Rükzug.
Robert gewann nun Zeit zu
neuen Zurüstungen, die um so dringender waren, weil Heinrich schon im März des folgenden
Jahres 1084 wieder vor Rom erschien. Ein Geldbeitrag von 144,000 Goldstücken war, mit
kaiserlichen Geschenken begleitet, aus Constantinopel angekommen, und hatte dem größten
Bedürfniß des deutschen Kaisers abgeholfen. Die Römer, der langen Belagerung
überdrüssig, durch Heinrichs Freigebigkeit, durch sein leutseliges Betragen gegen alle,
die zu ihm ins Lager kamen, und durch die Versicherung gewonnen, daß die ihm
unrechtmäßig verweigerte Krönung der einzige Grund der Feindseligkeiten sey, verlangten
dringend die Übergabe der Stadt. Die hartnäckige Weigerung ihres geistlichen Oberhaupts
erbitterte sie gegen den Urheber ihrer Drangsale, und sie öfneten selbst den Deutschen
ihre Thore. Der Gegenpabst Clemens III nahm Besitz von dem Lateran, und setzte seinem
Beschützer die Kaiserkrone auf. Gregor war in dem Thurm der Crescenz, der jetzigen
Engelsburg, eingeschlossen, sein Neffe vertheidigte sich mit sinkenden Kräften in den
Mauern des Septizoniums, und dringende Bothschaften foderten den Herzog zur Rettung auf.
Lehnspflicht, Ehre und
Klugheit ließen ihn nicht länger anstehn, dem bedrängten Papst zu Hülfe zu eilen, ein
Ausschreiben both die ganze waffenfähige Jugend der Normannen und Longobarden auf, und
6000 Ritter und 30,000 Mann zu Fuß versammleten sich bey Salerno <4:> unter dem
Panier der Kirche. Die tiefgedemüthigten Barone konnten ihre Mannschaft von dem
verdrüßlichen Kriege nicht zurückhalten, und der von dem Kaiser gewonnene Fürst von
Capua schloß sich in seiner Hauptstadt ein.
Nahe vor Rom schlug Robert
sein Lager auf, aber Heinrich war schon von seiner Annäherung benachrichtigt worden, und
hatte sich nach Siena entfernt. Bey seiner Kenntniß von dem Wankelmuth der Römer und der
Treulosigkeit ihrer Barone, welche die Gegenwart eines Kaisers schnell zu Anhängern des
Pabstes machte, wagte er es nicht, sich mit der kleinen Anzahl seiner Deutschen einer
Belagerung auszusezen. Dennoch schloß das noch immer gegen seinen Hirten aufgebrachte
Volk die Thore vor dem Herzog, aber die Anhänger Gregors zeigten ihm einen schwach
besezten Ort der Mauer, den er durch eine Schaar ausgesuchter Ritter ersteigen, und darauf
den übrigen Truppen einen Zugang eröfnen ließ. Mit dem gewöhnlichen Feldgeschrei:
Guiscard! stürmten sie durch die Straßen, und die überraschten Römer mußten sich nach
einer kurzen Gegenwehr unterwerfen. Der Pabst wurde nun im Triumph aus der Engelsburg auf
das Capitol geführt, aber die zu strenge Rache, die er an seinen Beleidigern nahm, und
die Ausschweifungen der Normannen empörten die Bürger: Eine mächtige Partey, die es mit
dem Kaiser hielt, erregte einen Aufruhr, und am dritten Tage nach der Einnahme mußte
Robert mit den erbitterten Römern einen wüthenden Kampf in der Straße der Hauptstadt
bestehen. Die Enge des Raums machte seine <5:> Reuterey unnütz; um sich zu retten,
schritt er zu dem grausamen Mittel, Feuerbrände in die Häuser werfen zu lassen. Die
Bürger eilten aus dem Kampf, um zu löschen, und der junge Roger bekam dadurch Zeit, mit
frischen Truppen und den Sarazenen, welche ihm der Graf von Sicilien zu Hülfe geschickt
hatte, die versperrten Thore zu sprengen. Alle Greuel der Verwüstung einer von Barbaren
erstürmten Stadt trafen jetzt über den unglücklichen Römern zusammen. Sarazenen und
Christen wetteiferten mit einander in der Wuth der Verheerung; Weiber, Kinder und Greise
wurden ein Raub des Schwerdts oder der Flamme, und noch war der Tod ihr sanftestes Loos.
Mehrere Tage dauerte die Plünderung, und Robert mußte Ausschweifungen gut heisen, die er
nicht mehr verhindern konnte. Ein ganzes Quartier der Stadt, vom Lateranischen Pallast bis
an das Collisäum lag in der Asche, und Erschlaffung allein machte dem Morden ein Ende.
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