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[ APPENDIX: MATERIALIEN ]

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Karl Wilhelm Ferdinand v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien, in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33; 3. Stück, 1-14; darin: 2. Stück, 26-33

Alexius hatte seine Masregeln so gut genommen, daß der Ruf von seiner Annäherung ihm nur um wenige Tage vorausflog, und ehe die Normannen sich noch von dem ersten Schrecken erholt hatten, erschienen die türkischen Reuter schon auf dem nahen Gebirge.
Der Herzog verbarg dem versammleten Kriegsrath keineswegs die Größe der drohenden Gefahr. Ein gefangner Anführer leichter Truppen, der sich zu weit gewagt hatte, <27:> gab eine genaue Nachricht von der Stärke des Feindes, die sich ohne alle Übertreibung doch auf 70,000 Mann belief. „Ihr wißt nun alles“, setzte Robert hinzu, „es bleibt uns keine Wahl, wir müssen sterben oder siegen. Einigkeit und strenger Gehorsam allein können uns retten. Um den Feigen auch den Gedanken der Flucht zu benehmen, ist mein Rath, wir verbrennen unser befestigtes Lager, unser Gepäck und unsre Schiffe. Der Sieg giebt uns alles wieder, wo nicht, so überhebt uns der Tod aller Bedürfnisse. Den Feind wollen wir hier auf dieser Stelle erwarten.
Die kalte Größe dieser Rede that ihre Wirkung. In der dringenden Gefahr verstummte jede Regung der Misgunst, eine allgemeine Beistimmung huldigte der Überlegenheit des Herzogs, und die Flamme der brennenden Schiffe verkündigte den edelmüthigen Entschluß der Helden.
Der Schimmer zahlloser Wachtfeuer erfreuete in der Nacht die belagerte Stadt, mit der Hofnung ihrer nahen Befreiung, und ließ die Normannen die Ausdehnung des feindlichen Lagers beurtheilen. Alexius hatte den Befehlshaber von Durazzo zu sich berufen, und gleichfalls Kriegsrath gehalten. Paläologus war der Meinung, mit dieser überlegnen Armee, die ein fruchtbares Land hinter sich hatte, die Pässe des Gebirges besetzt zu halten, mit der Flotte alle Zufuhr über das Meer abzuschneiden, und durch Hunger und unaufhörliche Angriffe der leichten Reuterey, den Feind aufzureiben. Mehrere der erfahrensten Feldherren unterstützten diesen Rath, aber der Unwillen der Prin- <28:> zen und Edlen von Alexius Hofe überstimmte sie. Die kühne Jugend forderte dringend die Schlacht, und überzeugte den Kaiser, daß es schimpflich sey, sie auch nur Einen Tag zu verschieben.
Robert war mit 15,000 Mann, dem Rest seiner ganzen Macht, über einen Fluß gegangen, der ihn von der Stadt trennte, sein rechter Flügel dehnte sich bis an das Meer aus, der linke lehnte sich an eine Kette von Hügeln. In dieser Stellung wünschte er den Angriff zu erwarten, aber ein von des Kaisers Armee abgeschickter Haufen, der mit der Besatzung von Durazzo vereinigt, seine linke Seite zu umgehen drohete, zwang ihn, sich jenseits der Hügel zu setzen. Er mußte durch einen engen Paß gehen, wo er den Pfeilen der türkischen Bogenschützen blos gestellt war, und indem seine Reuterey sich wieder ausbreiten wollte, brachte sie selbst, das vor ihr durchgegangne Fußvolk in Unordnung. In diesem Augenblick warfen die kaiserlichen Leibwachen sich auf den verwirrten Haufen, und stürzten ihn theils auf den Paß, theils gegen den Fluß zurück. Die Brücke war abgebrochen, und der fliehende Schwarm drängte nun nach dem Meere zu, wo er von den Venetianischen Schiffen mit einem Hagel von Steinen und Pfeilen empfangen wurde. Die Bürger brachen aus der Stadt hervor, und drängten die Wache des wenigen noch übrigen Gepäcks in den Fluß, oder gegen das von allen Seiten bestürmte Fußvolk. Gaita, Roberts Gemahlin, die hier zurückgeblieben war, gerieth in die größte Gefahr. Mit einem, über ihr Geschlecht erhabnen <29:> Muth, suchte sie die Fliehenden zu sammlen, und wieder in das Gefecht zurückzuführen; Ein Pfeil verwundete sie an der Schulter, ihr Pferd stürzte, schon waren die Feinde im Begriff, sie nach den Fahrzeugen hinzuschleppen, als sie noch mit Mühe durch ihre tapfre Bedeckung gerettet wurde.
Robert, der sich bey dem Abbrechen der Brücken, und um den Rücken des Heers gegen die Ausfälle der Belagerten zu decken, verweilt hatte, befand sich mitten in dem engen Paß, als ein Theil des zersprengten Fußvolks sich auf die noch im Durchzug begrifne Reuterey warf. Durch die Kraft der von beiden Seiten Andringenden, wurde der Hohlweg verstopft, und die bereits durchgegangnen Reuter begannen der Übermacht des Feindes zu weichen. In diesen fürchterlichen Augenblicken mußte er sich mit dem Schwerdt durch seine eignen Leute Luft machen, aber der Moment, wo er endlich an der Spitze seiner Reuterey erschien, entschied auch das Schicksal des Tages. „Wohin wollt ihr fliehen,“ rief er mit donnernder Stimme, „zieht ihr die Knechtschaft dem Tode vor?“ Schnell ordnete er die Reihen, und seine achthundert Ritter, die jetzt Raum bekamen, sich auszubreiten, rannten mit eingelegter Lanze gegen den Feind. Die Varangier und die glänzende Schaar des constantinopolitanischen Adels, die sich zu weit von der Hauptmacht entfernt hatten, wurden in ihrer entblößten Seite angegriffen, und auf die Türken gestürzt. Alexius verzweifelte an der Tapferkeit seiner Griechen; sobald er die Niederlage der Leibwachen sahe, ergrif er selbst die <30:> Flucht, er bahnte sich, obgleich verwundet, mit dem Schwerdte den Weg durch einen Haufen Normannen, und entkam nach Cychnidus, dem heutigen Achrida. Fünf bis sechstausend Mann von seinem Heere lagen auf dem Platze, auf Roberts Seite traf das Schwerdt nur die Feigen, von den Rittern waren nicht mehr als dreißig geblieben. Der Tod des Mönchs, der den Kaiser Michael vorstellte, brachte nicht die geringste Veränderung hervor; der Sieg der Normannen war zu wichtig, der Übergang von dem hofnungslosesten Zustande zu der Erfüllung ihrer kühnsten Wünsche zu rasch, ihr Glück zu vollkommen, als daß sie nun hätten still stehen können. Mit der kostbaren Beute des griechischen Lagers, entschädigten sie sich reichlich für den Verlust ihres Gepäcks, und Robert zählte eine Menge eroberter Fahnen, und das kaiserliche Zelt unter seinen Trophäen.
Die umliegende Gegend stand ihm nun offen, Zufuhr kam im Überfluß in sein Lager, aber Durazzo widerstand noch, sein Heer war bis auf ein Drittheil geschmolzen, und die späte Jahrszeit schien wenig Raum zu neuen Unternehmungen vor dem Winter zu lassen. Dem ungeachtet rückte der Herzog sogleich wieder vor die Stadt, und ließ Erdhütten bauen, um seine Truppen gegen die Kälte zu schützen. Zu seinem Hauptquartier wurde ein Hügel mit Verschanzungen befestigt, welche noch lange den Namen: Guiscards Schloß, geführt haben.
Er sagte die nahe Eroberung von Durazzo mit einer Zuversicht voraus, welche vermuthen ließ, daß er auf <31:> geheime Hülfsmittel rechnen zu können glaubte. Ein Theil der Bürger, der in der Schlacht den Ausfall gethan hatte, war von der Stadt abgeschnitten worden, und hatte sich mit dem flüchtigen Heere zurückziehen müssen. Einen noch unersetzlichern Verlust aber hatte sie durch die Entfernung des tapfern Paläolog erlitten. Ein Venetianer übernahm an seiner Stelle die Vertheidigung des Schlosses, und ein epirotischer Edler wurde Befehlshaber der Bürger. Eifersucht und Uneinigkeit waren die Folge der getrennten Gewalt. Nach einem fehlgeschlagnen Versuch, seinen Nebenbuhler aus der Stadt zu verdrängen, gab Dominicus, der Anführer der Venetianer, den Vorschlägen des Herzogs Gehör. Die Aussicht, eine Nichte Roberts, mit fürstlicher Aussteuer zur Gemahlin zu bekommen, siegte über seine Treue, und die Masregeln der Verrätherey wurden schnell verabredet. In einer finstern Nacht führte der Unterhändler, ein Überläufer aus Bari, den Herzog an einen bestimmten Ort, dicht unter den Mauern der Stadt. Einige Consentiner, durch die Schnelligkeit ihrer Füsse berühmt, und wenige Ritter waren seine ganze Begleitung, aber zu ihrem Schrecken fanden sie keins der abgeredeten Zeichen. Voll Wuth wollten die Ritter den Unterhändler ermorden, und selbst Robert glaubte sich verrathen, denn sein Heer war in zu weiter Entfernung gefolgt, um den Vorausgegangnen, die jetzt in der Gewalt eines Unbekannten waren, zu Hülfe kommen zu können. In dieser Verlegenheit bittet der Barenser den Herzog, ihn allein in die Stadt gehen zu lassen, und verspricht, sichre Nach- <32:> richt zu bringen; aber alle Ritter widersetzten sich, weil das Leben des Verräthers, den sie jetzt ganz gewiß einer doppelten Treulosigkeit schuldig hielten, ihre einzige Sicherheit ist. Robert allein bleibt kalt: „ich bin nicht hergekommen, um vergebens wieder zurückzukehren,“ sagt er, und entläßt den Überläufer. Noch beinahe eine Stunde verstreicht in peinlicher Ungewißheit, endlich rollen die Strickleitern von den Mauern herab, der Barenser steigt herunter, und bleibt als Geißel zurück. Nur mit Mühe war es ihm gelungen, nachdem man ihn schon als einen Bekannten eingelassen hatte, ohne Aufsehn bis vor den Befehlshaber zu kommen, der den Herzog früher erwartet hatte, und, da Niemand erschien, eingeschlafen war. Robert erstieg nun schnell die Mauern, und bemächtigte sich eines Thors, dessen Wache der Venetianer gewonnen hatte. Das herannahende Fußvolk wurde in der Stille eingelassen, und unter dem Klang der Trompeten, und dem Geschrey: Guiscard, Guiscard ist da! brachen die Normannen in die Stadt.
Die erschroknen Bürger griffen zu den Waffen, ohne zu wissen, wer Freund oder Feind sey, weil sie einen Theil der Venetianer auf Roberts Seite sahen. Doch sobald es Tag wurde, und sie ihre Gegner unterscheiden konnten, begann ein hartnäkiger Kampf. In der Eil aufgeworfne Gräben sonderten die Mauer von den Strassen, und erst am dritten Tage, und nachdem die venetianische Flotte den Hafen verlassen hatte, wurde Robert Meister der Stadt. <33:>
Er war nun im Besitz der ganzen Provinz, die See stand ihm offen, alle Inseln erkannten seine Herrschaft. In einem siegreichen Fluge durchstreifte er Macedonien, und überal unterwarfen sie die Städte einem Eroberer, der die Überwundnen mit Milde behandelte, und sie im Besitz ihres Eigenthums schützte. In der Stadt Castoria wurden dreyhundert Varangier nach einer schwachen Gegenwehr seine Gefangnen; Eilbothen waren auf flüchtigen Schiffen nach Italien gegangen, die Entfernung der Venetianer zu verkündigen, und den Abgang der Hülfsvölker zu beschleunigen, welche in dem Hafen von Thessalonich zu ihm stoßen sollten. Diese Stadt, die einzige, die ihn hätte aufhalten können, zitterte bey der Annäherung des Siegers; sie war bereit sich nach dem Beispiel ihrer Schwestern zu unterwerfen, und Robert hatte nun bis an die Mauern von Byzanz, kein Hinderniß mehr vor sich.

(Die Fortsezung folgt.)

Emendation
(Die] Die D

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