Karl Wilhelm Ferdinand
v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien,
in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33;
3. Stück, 1-14; darin: 2. Stück, 7-13
Kein Feind in Roberts Staaten durfte jetzt mehr das Haupt gegen ihn
erheben, und er hoffte durch kräftige Masregeln, und indem er die Macht der Barone durch
den Verlust ihrer festen Schlösser brach, sich auch in Zukunft gegen ähnliche Gefahren
zu sichern. Bey der Vermählung seiner dritten Tochter Mathilde, mit dem Grafen Raymund
von Barcellona und Provence wurden die verlangten Geschenke mit wetteifernder
Bereitwilligkeit dargebracht. Entfernte Fürsten suchten seine Verwandschaft, die
Gesandten der größten Monarchen warben um seine Gunst. Heinrich IV, der schon als Kind
auf die Throne von Deutschland und Italien erhoben worden war, und den sein erbitterter
Kampf mit dem Oberhaupt der Kirche so berühmt gemacht hat, trug ihm ein enges
Freundschaftsbündniß an, und die Belehnung mit dem Gebieth von Termo in der
anconitanischen Mark, welches Robert dem Pabst entrissen hatte, sollte das Siegel der
neuen Verbindung seyn. <8:>
Gregor
gerieth bey dieser Nachricht in die heftigste Bestürzung. In dem Moment, wo er im Begrif
war, das stolze Gebäude, das er unter der Regierung seiner vier Vorgänger entworfen und
aufgeführt hatte, zu vollenden, sah er sich auf dem Punct, die Früchte jahrelanger
Arbeit durch einen unvorgesehnen Zufall zu verlieren. Zwey große Zwecke hatte er sich zum
Ziel gesetzt, die Unabhängigkeit der Kirche von der weltlichen Macht zu gründen, und das
Scepter des abendländischen Kaiserthums als ein Lehn des heiligen Stuhls zu vergeben oder
zurückzunehmen. Beide zu erreichen wagte er Freiheit und Leben. Während der
Minderjährigkeit Heinrichs waren große Fortschritte gethan worden, jetzt kam alles
darauf an, das gewonnene Feld gegen den aufs äuserste gebrachten Gegner zu behaupten. Von
den Baronen seiner Hauptstadt ins Gefängniß geworfen und persönlich gemishandelt, in
Todesgefahr bey jedem Auflauf des Volks, schleuderte er Bann und Fluch gegen den König;
von einer Kirchenversammlung in Deutschland abgesetzt, wagte er es unerschrocken, den
mächtigen Heinrich seiner Kronen verlustig zu erklären. Umsonst vereinigten sich die
Bischöffe Deutschlands und der Lombardey mit dem König wider einen Pabst, der mit
unerbittlicher Strenge gegen die Simonie eiferte, und die Priester zur Ehelosigkeit zwang;
Gregor fand in dem Ehrgeiz der deutschen Fürsten ein stets bereitwilliges Werkzeug zur
Ausführung seiner kühnen Entwürfe, und die Freundschaft der Gräfin von Tuscien
sicherte ihn gegen die Angriffe seiner lombardischen Feinde. Schon triumphirte der Pabst,
denn <9:> Heinrich kämpfte in Deutschland mit dem Gegenkönig Rudolph von Schwaben,
und war nicht im Stande seine Anhänger in Italien zu unterstützen, aber Robert befand
sich gleich ihm im Bann der Kirche, er hatte durch feindselige Unternehmungen die Rache
Gregors gereizt, und Rebellion war in Apulien wie in Deutschland die Folge des
päbstlichen Fluchs gewesen. Was war natürlicher, als daß die gemeinschaftliche
Feindschaft eine enge Verbindung zwischen dem König und dem Herzog knüpfen mußte?
Gregors
Politik und die Klugheit Roberts, der über die Gegenwart hinaussah, und die Folgen eines
Schritts, der für immer entscheidend seyn konnte, genau erwogen hatte, täuschten die
Erwartung des Königs. Der Pabst beschloß um jeden Preis die Vereinigung zweier Fürsten
zu hindern, die durch ihre Macht und die Lage ihrer Besitzungen, nicht nur seine
persönliche Sicherheit, sondern auch die Gewalt des römischen Stuhls in Gefahr bringen,
und den Nachfolger des Apostels zu dem Range eines Bischoffs herabsetzen konnten. Einer
von ihnen mußte gewonnen werden, und die Wahl wurde dem heiligen Vater nicht schwer. Er
duldete die Mishandlungen seiner Barone, er konnte dem Herzog der Normannen, seinem
Vasallen, eine Beleidigung verzeihen, aber dem Könige von Deutschland und Italien, dem
gefürchteten Bewerber um die Kaiserkrone, durfte er keinen Fußbreit weichen.
Der Abt
von Monte Casino, der schon seit einiger Zeit an einer Aussöhnung zwischen dem Pabst und
dem Herzog gearbeitet hatte, bekam nur weitläufige Aufträge <10:> von dem heiligen
Vater. Er übernahm es, die gefürchtete Verbindung zu hintertreiben, und Robert, so
vortheilhaft ihm auch der Antrag des deutschen Königs scheinen mußte, überzeugte sich
doch, daß die Freundschaft Gregors für ihn von noch weit größerem Nutzen sey. Wie
leicht konnte Heinrich, wenn es ihm gelungen war, die Macht des heiligen Stuhls zu
unterdrücken, auf den Einfall gerathen, die alten, noch nicht verjährten Rechte des
Kaiserthrons auf das untere Italien geltend zu machen? Und welche erwünschte Gelegenheit,
das Joch des Herzogs abzuschütteln, würde dadurch nicht den Grossen der Normannen
dargebothen werden? Alle Ansprüche Roberts gründeten sich auf das Geschenk der Päbste,
mit ihnen mußten auch seine Rechte fallen. Und überhaupt fand er es auch bequemer, der
Vasall eines Geistlichen, der keine vollziehende Gewalt besaß, als eines weltlichen
Fürsten zu seyn, dem die Macht ganzer Königreiche zu Gebothe stand. Alle die Gründe
unterstützten die Vorstellungen des Abtes, und der Antrag des deutschen Monarchen wurde
mit einer höflichen Entschuldigung abgelehnt.
In
diesen Verhältnissen konnte die Aussöhnung nicht anders als aufrichtig seyn, aber das
Ansehn des römischen Stuhls mußte gedeckt, die ersten öffentlichen Schritte mußten von
Roberts Seite gethan werden. Eine Reise des heiligen Vaters nach Benevent im Jahr 1080 gab
zu einer Zusammenkunft Gelegenheit. Zu Acquino führte Desiderius den Herzog in das Zimmer
des Pabstes, der seinen Fußfall nicht annahm, sondern ihn sogleich aufhob, um-
<11:> armte, und neben sich sitzen ließ. Alle Umstehende traten aus Ehrfurcht
zurück, und Robert hatte eine lange geheime Unterredung mit dem Nachfolger des Apostels.
Gregor versprach ihm das Patriciat der Stadt Rom, und soll ihn sogar zu der Krone von
Italien, die er dem verbannten Heinrich entreissen, und überhaupt von dem deutschen
Königreich trennen wollte, Hofnung gemacht haben.
So bald die geheimen Artikel des Vertrags berichtigt waren, wurden die Anwesenden
eingeladen, an der Unterredung Theil zu nehmen. Robert erhielt unbedingte Absolution,
leistete dem Pabst den Huldigungseid, und versprach die festgesetzte Abgabe zu entrichten.
Er blieb im Besitz des Fürstenthums Benevent, die Stadt behielt der römische Stuhl. Bey
der feierlichen Belehnung wählte der kluge Gregor eine Formel, wodurch er über den
Hauptpunkt des Streits hinglitt, ohne jedoch der Kirche ihre Rechte zu vergeben. Nachdem
er die Provinzen genannt hatte, welche schon durch seine Vorfahren den Normannen
zugesichert waren, setzte er hinzu: In denen Ländern aber, welche du mit Unrecht
besitzest, als in dem Fürstenthum Salerno, in Amalfi und einem Theil des Gebieths von
Termo, dulde ich dich jetzt mit Ergebung, und im Vertrauen auf Gottes Allmacht und deine
Rechtschaffenheit.
Ungeachtet dieser festen Verbindung weigerte sich Robert dennoch mit dem deutschen König
zu brechen, und behauptete auch im folgenden Jahre, da Heinrich seinen <12:>
Gegner in Deutschland besiegt, und in Italien das Heer der Gräfin Mathilde geschlagen
hatte, die strengste Neutralität. So wenig er sich durch die angebothne Freundschaft
Heinrichs, der von Ravenna aus die Unterhandlungen erneuerte, und sogar eine Heirath
zwischen seinem Sohn Conrad und einer der Töchter des Herzogs vorschlug, hinreißen
ließ, so wenig waren die Entwürfe des Pabstes im Stande ihn zu blenden. Die Krone
Italiens, welche der heilige Vater ihm versprochen hatte, konnte seinem Ehrgeiz
schmeicheln, aber die Schlüsse Gregors schienen ihm nichts weniger als untrüglich. Wenn
es ihm auch gelungen wäre, die Widersetzung der Italiener zu besiegen, so sah er doch
voraus, daß er ihren Wankelmuth nur so lange, als kein neuer Bewerber sich ihm
entgegenstellte, würde beherrschen können. Seit dem Zeitalter der Ottonen betrachteten
die Deutschen die Krone Italiens als das Erbtheile ihrer Könige, und die Römer sowohl
als die Lombarden zogen die unsichere Herrschaft eines entfernten Oberhaupts der
nachdrücklichen Regierung eines einheimischen Monarchen vor. Heinrich stand siegreich an
den Grenzen des römischen Gebieths, und nichts widerlegte die kühnen Behauptungen des
Pabstes deutlicher, als seine dringenden Bitten um Hülfe. Robert wußte, daß in
Deutschland allein die furchtbare Macht des Königs gebrochen werden konnte, aber ihr in
Italien Schranken zu setzen, durfte vielleicht bald nothwendig werden. Er beschloß, auf
keinen Fall den Pabst ganz sinken zu lassen, für jetzt aber den Streit noch von ferne zu
beobachten, und <13:> die Vortheile, die daraus für ihn erwachsen konnten, von
der Zeit und den Umständen zu erwarten.
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