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[ APPENDIX: MATERIALIEN ]

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Karl Wilhelm Ferdinand v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien, in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33; 3. Stück, 1-14; darin: 2. Stück, 13-20

Seine Absichten waren auf einen andern Gegenstand gerichtet, die Eroberung des morgenländischen Kaiserthums schien seinem Ehrgeiz ein erhabneres Ziel als der unsichre, von den Deutschen bestrittne Besitz der Krone Italiens. Die byzantinischen Monarchen beherrschten nur noch einen kleinen Theil von den Reichen Justinians, aber auch in diesem gesunknen Zustande übertraf das griechische Kaiserthum an Ausdehnung und Volksmenge die mächtigsten Staaten Europas. Vor dem Schwerdt der Ungläubigen hatten sich aus den verlohrnen Ländern die reichsten Einwohnern mit ihren Schätzen, ihren Künsten und Gewerben nach dem Mittelpunkte des Reichs gerettet, ein betriebsames Volk bewohnte die Provinzen von Thracien, Macedonien und Griechenland, die asiatische Küste des schwarzen und ägeischen Meeres, und die zahlreichen Inseln des Archipelagus, alle Vortheile des Bodens, des Clima’s und der Lage vereinigten sich den Wohlstand dieser Länder zu erhöhen, und die ungeheure, noch nie eroberte Kaiserstadt beherrschte noch immer den Handel der drey Welttheile.
Unermeßliche Summen flossen jährlich in die kaiserliche Schatzkammer, und die unumschränkte Gewalt des Monarchen setzte ihn in den Stand, alle Hülfsquellen des Staats zu dem dringendsten Bedürfniß anzuwenden. Die Mauern von Constantinopel allein umschlossen eine zahlreichere Mannschaft, als die Normannen bey der äuser- <14:> sten Anstrengung in allen ihren Provinzen aufbringen konnten, und die Unternehmung, ein so mächtiges Reich mit den geringen Mitteln, die dem Herzog zu Geboth standen, umstürzen zu wollen, schien auf den ersten Anblick abentheuerlich, ja beinahe unmöglich. Aber Robert ließ sich durch den Schein nicht abschrecken, er hatte seine Kräfte und den Widerstand, den er zu finden erwarten konnte, genau berechnet, und hielt sich des glänzendsten Erfolgs versichert. Auf die Schwäche einer fehlerhaften Staatsverfassung, auf den schlechten Zustand der griechischen Kriegsheere, und auf den entnervten Charakter eines tief gesunknen Volkes gründete er seine Hofnungen. Keine Provinz des byzantinischen Reichs hatte sich gegen die verheerenden Einfälle der Barbaren schützen können, und die Hauptstadt selbst war gewohnt, einen feindlichen Angriff lieber durch Geld abzukaufen, als ihm die Tapferkeit ihrer Bürger entgegen zu setzen. Die Leichtigkeit, womit die Griechen ihre Schätze erwarben, und die Gewisheit, daß die Summen, womit sie ihre Sicherheit bezahlten, durch die mannichfachen Kanäle des Handels ihnen in kurzem wieder zuströmen mußten, machten sie verschwenderisch mit ihren Reichthümern, aber karg mit ihrer Person. Sie scheueten den Tod mehr als Schande, Beschwerden mehr als Sclaverey. Längst hatte die Weichlichkeit eines üppigen Volks sich beynahe ganz dem Kriegsdienst entzogen, die Vertheidigung der Grenzen, der Hauptstadt und des Monarchen selbst war Fremdlingen anvertraut, die stets bereit standen, ihr erkauftes Schwerdt, für den beßern Be- <15:> zahler zu ziehn. Die Spiele des Circus und die Zänkereien der Priester waren die leidenschaftliche Beschäftigung der Bürger von Constantinopel geworden; ein Volk, das ruhig seine besten Fürsten von nichtswürdigen Usurpatoren verdrängen sah, und es nicht wagte, einen Schatten von Freiheit gegen das drückendste Joch blutdürstiger Tyrannen zu behaupten, kämpfte im wüthenden Tumult um den Vorzug seiner Lieblinge auf der Rennbahn, oder die verschiedne Auslegung einer dunkeln Schriftstelle, und unbekümmert, welchem entfernten Oberhaupt ihre Satrapen gehorchten, folgten die sclavischen Provincen geduldig dem Beispiel der Hauptstadt, oder den Gebothen eines nahen Befehlshabers.
Alle Kraft war aus dem Charakter des Volks und aus der Verwaltung des Staats gewichen; den Schein der Hoheit darzustellen, war die große Kunst der Regierung. Der Despot selbst, an dessen Willkühr Glück und Leben von Millionen hieng, gehorchte als ein Sclav dem Ceremoniel seines eignen Pallastes, und zitterte bey der Lästerung eines Priesters, die seine Rechtglaubigkeit zweifelhaft machte, bey der geringsten Unzufriedenheit seiner ausländischen Leibwachen, oder der Nachricht von dem verdächtigen Betragen eines entfernten Statthalters. Mönche, Weiber und Verschnittne theilten die Würden des Staats und der Armeen aus, und die Intriguen des Pallastes hoben Verbrecher auf den Thron und stießen Monarchen in’s Kloster. Selbst den bessern unter den Kaisern blieb unter dem gedoppelten Zwang des Glaubens und der <16:> Etiquette, und im gefährlichen Kampf mit den Verschwörungen der Höflinge und den Factionen der Hauptstadt weder Zeit noch Macht übrig, die Mängel des Staats zu verbessern oder den eindringenden Feinden sich entgegen zu stellen.
Fürchterlicher als jemals zerrütteten die vereinten Übel des innern Verderbens und auswärtiger Anfälle das griechische Kaiserthum, nach dem Abgang der männlichen Nachkommen Basils des Macedoniers. Die kurzen Regierungen des ersten Komnenes und Romanus Diogenes waren vorübergehende Sonnenblicke, welche die Laster einer Reihe unwürdiger Regenten nur noch auffallender machten. Verachtet von seinen Unterthanen beschäftigte sich Michael Dukas mit den Spitzfündigkeiten sophistischer Untersuchungen in den Schulen des Psallus, unterdeß der Kornwucher seiner Günstlinge ihm einen schimpflichen Beinamen zuzog, und der Thron eines türkischen Sultans zu Nicäa die Majestät der Nachfolger Constantins höhnte. Michael wurde durch die Rebellion der Anführer seiner Heere des Purpurs beraubt, aber Nicephorus Botaniates hielt das Scepter in eben so schwachen Händen als sein Vorgänger, und die Provinzen auf beiden Seiten des Bosphorus, an der Donau und im Innern Griechenlands seufzten unter den verheerenden Einfällen der Scythen und Türken, und unter den Zerrüttungen eines unglücklichen Krieges gegen vier empörte Feldherren.
Diesen Zeitpunkt wählte Robert, das wankende Kai- <17:> serthum anzugreifen, seine Zurüstungen waren vollendet, und Michaels Fall, mit welchem auch Konstantin, der Tochtermann des Herzogs, vom Thron stürzte, gab ihm den Vorwand zum Kriege. Die Beute der Rebellen hatte seinen Schatz bereichert, und er wendete zwey volle Jahre an, seine Landmacht und seine Flotte in einen furchtbaren Zustand zu setzen. Ungeheure Vorräthe von Proviant und andern Kriegsbedürfnissen wurden auf die Lastschiffe geladen, und die völlig fertigen Belagerungsmaschinen durften nur zusammengesetzt werden, um sogleich zum Gebrauch fähig zu seyn. Aus den Häfen des adriatischen, des jonischen und sicilischen Meeres giengen neugebaute Galeeren hervor, bey Otranto warf eine ragusanische Hülfsflotte die Anker, und die zahllosen Seegel der flachen Fahrzeuge bedeckten den Meerbusen von Tarent.
Aber vergebens bemühte sich Robert, durch Freigebigkeit und große Verheißungen den Normannen Lust zu dieser Unternehmung zu machen. Der Besitz des schönsten Landes in Italien schien ihre Wünsche befriedigt zu haben, es bedurfte eines noch nicht erfundnen Sporns, sie ohne Widerwillen aus ihren blühenden Pflanzungen zu treiben. Eine kleine Anzahl vom Geist der Eroberung angefeuerter Jünglinge ausgenommen, folgten die Übrigen ihm halb gezwungen in ein fernes, durch Meere von ihnen getrenntes Land. Sein Vorsatz wurde dadurch nicht erschüttert; überzeugt, daß die, welche jetzt ungern auszogen, an dem griechischen Ufer doch tapfer fechten würden, eilte er zur Ausführung. Von ungefähr, oder auf seine Veranstaltung <18:> erschien zu Salerno ein Mönch, der sich für den in ein Kloster gestoßnen Kaiser Michael ausgab. Er wurde in öffentlicher Versammlung gehört, und flehte mit Thränen und Seufzern um Schutz und um Rache an seinen Verfolgern. Bey dem Vater der Prinzessin Helena, die sein Unglück theilte, glaubte er seine Absicht am sichersten zu erreichen, und er hätte keinen glücklichern Zeitpunkt wählen können, als den, wo sein Rächer schon im Begriff war, ihm zu Hülfe zu eilen. Zwar wollten verschiedne Normannen, die ehemals an Michaels Hofe gewesen waren, seine Züge in dem Mönch nicht wieder erkennen, aber die Art, wie Robert ihn empfieng, legte jedermann Stillschweigen auf. Mit dem Purpur bekleidet bewohnte er die schönsten Zimmer des Herzoglichen Pallastes, und man bediente ihn mit aller der Ehrfurcht, die allein das Schicksal des erhabnen Flüchtlings erleichtern konnte. Mit einem Pomp, den Robert selbst in seinen Feldzügen nie gekannt hatte, wurde er nach Otranto geführt, und überall dem staunenden Volke gezeigt.
Ein Gesandter gieng voraus, um seine Wiedereinsetzung auf den constantinopolitanischen Thron zu fodern. Er fand das Scepter schon nicht mehr in der Hand, die es dem unglücklichen Michael entrissen hatte. Durch die Klugheit und Tapferkeit seines ersten Feldherrn war Nicephorus Botoniates dem Verderben entrissen worden, womit ihm die Empörung mächtiger Nebenbuhler drohete, aber Undank und die Misgunst der Höflinge machten den Beschützer des Throns zum Rebellen. Alexius Komne- <19:> nes behielt nur zwischen dem Untergang oder der Krone die Wahl; er hatte seine Hauptstadt erobert, seine Festungen und Provinzen mußte er den Misvergnügten entreißen, um sie gegen Türken und Normannen zu behaupten. Glücklichere Umstände konnten Roberts Unternehmung nicht begünstigen. Er eilte, die letzten Masregeln zu nehmen, und für die Ruhe seiner Staaten während einer langen Abwesenheit zu sorgen. Zu Otranto stellte er Rogern, den erstgebohrnen Sohn seiner zweiten Gemahlin Gaita, dem Volke und den versammleten Baronen, als seinen Nachfolger in der Regierung und ihren Regenten während des Feldzuges vor. Politik noch mehr, als Nachgiebigkeit gegen seine Gemahlin, bewog ihn, den jüngern Bruder dem Ältern, den Sohn der Longobardischen Prinzessin dem Sohne Alveradens vorzuziehen. Die Liebe der Eingebohrnen sollte das Scepter eines von mütterlicher Seite aus ihrem edelsten Blut abstammenden Fürsten unterstützen. Der heldenmüthige Bohemund konnte gleich seinem Vater sich ein Erbtheil erkämpfen, und war vielleicht grade jetzt im Begriff, sich eine Krone zu erwerben.
Er gieng mit funfzehn Galeeren voraus, die Küste von Albanien und der Insel Corfu zu untersuchen, und einen Platz zur Landung zu bestimmen. Weder Truppen, noch Kriegsschiffe widersetzten sich ihm, das erschrockne Landvolk unterwarf sich, oder floh bey seiner Annäherung. Er nahm Butrinto ein, Corfu that keinen Widerstand, und Robert konnte sein Heer in voller Sicherheit übersetzen. Hundert und funfzig flache Fahrzeuge trugen jedes zwey- <20:> hundert Mann, Robert selbst fuhr an der Spitze von dreizehnhundert normännischen Rittern über, und führte, gleich den übrigen sein Pferd am Zügel. Der kriegerische Pomp des Übergangs, die Menge der Fahrzeuge, die bey hellem Wetter auf dem Meer hinglitten, und die stolze Begleitung der Galeeren gaben das prächtigste Schauspiel. Hingerissen von Enthusiasmus stieß das Heer ein Freudengeschrey am feindlichen Ufer aus. Vergessen waren alle Sorgen der Heimath, Heldengefühl belebte jede Brust, und Robert zog die glücklichste Vorbedeutung aus der allgemeinen Freude der Krieger.


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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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