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[ APPENDIX: MATERIALIEN ]

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Karl Wilhelm Ferdinand v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien, in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33; 3. Stück, 1-14; darin: 2. Stück, 1-7

1.
Robert Guiscard
Herzog von Apulien und Calabrien.
Fortsetzung.


Aber Robert, voll Zuversicht auf sein Glück, achtete nicht auf die Warnungen, welche er von allen Seiten erhielt. Durch die Freundschaft des ersten Prälaten in seinem Lande, und den mächtigen Einfluß der Casinensischen Mönche gesichert, war er kühn genug, abermals dem höchsten Oberhaupte der Kirche zu trotzen. Schon während der Belagerung von Salerno hatte er die Neutralität des Gebiets von Benevent, auf welches der Pabst gegründete Ansprüche zu haben glaubte, bey mehr als einer Gelegenheit verletzt, und war dafür mit dem Bann bedrohet worden. Weit entfernt, sich dadurch schrecken zu lassen, suchte er vielmehr sich an dem heiligen Vater durch einen Einfall in das mittlere Italien zu rächen. Seitdem er die Griechen über das Meer zurückgetrieben hatte, ließ er die Ab- <2:> sicht, seine Eroberungen bis zu der Hauptstadt der Welt auszudehnen, nicht undeutlich merken. Richard von Aversa wurde sein Bundsgenosse, und die Väter zu Casino vergaßen ihrer Mönchspflicht, indem sie ihm auch zu diesem Zuge den Beystand ihrer Gebethe versprachen. Die beiden Fürsten drangen nun in der Campagne von Rom, und in der Mark Ankona vor, und der erzürnte Gregor sprach 1078 während der Fasten in einer versammelten Synode den Fluch über sie aus. Wirksamer zu seiner Rettung war aber das Hülfsheer, welches seine Freundin, die mächtige Mathilde gegen die Normannen abgesendet hatte. Robert hielt es doch nicht für rathsam, seine Truppen gegen die von dem Pabst geweihten Waffen der Tuscier zu führen, indeß in seinem Rücken die unzufriednen Großen nur auf den günstigen Augenblick warteten, das Volk gegen ihn zu empören. Er kehrte zurück und schloß plötzlich Benevent ein, dessen letzter longobardischer Fürst, Landolph VI, vor kurzem gestorben war.
Roberts Entfernung und die Schwierigkeiten der unternommenen Belagerung begünstigten die Entwürfe der gegen ihn aufgebrachten Edlen; seine Politik, das Volk durch unaufhörliche Kriege zu beschäftigen, schien ihre Wirkung ganz verfehlt zu haben. Die Normannen waren nicht mehr die vorigen Abentheurer, denen das Schwerdt allein den Unterhalt gab, sie waren wohlhabende Grundbesitzer geworden, und wollten sich jetzt im ruhigen Genuß der Güter erfreuen, die sie und ihre Väter mit Blut und zahllosen Beschwerden so theuer erkauft hatten. Die Erobe- <3:> rung Siciliens war für sie von geringen Vortheilen gewesen, die Plünderung von Bari ihnen versagt worden, und der Seedienst, zu welchem der Herzog sie zu bewegen suchte, ließ sie neue Entwürfe ahnen, welche sie chimärisch nannten, und von denen, auch bey dem glücklichstem Erfolg, nicht sie, sondern Er allein Vortheil ziehen würde. Der herzogliche Titel wurde ihm von neuem zum Verbrechen gemacht und Robert dem Volke als ein Tyrann vorgespiegelt, der die alte, von den tapfern Eroberern Apuliens eingeführte Verfassung umgestürzt, und das Oberhaupt ihres Freistaats hinterlistig von seiner Stelle verdrängt hätte. Die Sanction des Pabstes, auf welche er allein seine Rechte gründete, war verwirkt, er hatte seinem Wohlthäter mit Undank gelohnt, und durch wiederholte Beleidigungen den Fluch der Kirche über sein Haupt gezogen. Drohend zog sich das Ungewitter zusammen, Richards Tod beförderte den Ausbruch; Jordan, sein Sohn, versöhnte sich mit der Kirche und entsetzte Benevent, indem er alle Maschinen Roberts bey einem glücklich gelungenen Überfall zerstöhrte.
Dies war das Signal zum allgemeinen Aufruhr. Überal loderte die Flamme der Rebellion, und der Seegen Gregors heiligte die Fahnen der Empörer. Abälard erschien, furchtbarer als jemals, an ihrer Spitze. Für seine Person nie besiegt, nur durch Roberts Ränke um den letzten Rest seines Erbtheils betrogen, machte das Opfer, welches er der Bruderliebe gebracht hatte, ihn dem Volke nur noch theurer. Graue Krieger, die unter Humphreds <4:> Anführung für die Freiheit gekämpft hatten, verließen den ruhigen Heerd, um die Rechte ihres gekränkten Lieblings zu verfechten. Auch die großmüthigen Handlungen des Herzogs wurden vergeßen; die Barone, die bey früheren Empörungen seine Huld erfahren, viele, die seiner Freigebigkeit ihre Besitzungen zu danken hatten, selbst die von ihm mit Wohlthaten überhäuften Söhne seiner Brüder und Schwestern vereinigten sich mit den mächtigsten Städten zu seinem Verderben. In ganz Apulien waren die Bürger von Giovenazzo die Einzigen, die ihm eine unwandelbare Anhänglichkeit zeigten, ungeachtet sie ihre Kinder als Geissel in den Händen der Rebellen lassen, und eine schwere Belagerung aushalten mußten. Der größte Theil der übrigen wankte zwischen beiden Parteyen, und die festen Schlösser der Edlen schienen den Fortschritten Roberts von Benevent bis in das Herz der empörten Länder eine undurchdringliche Mauer entgegen zu setzen.
Nur durch beyspiellose Thätigkeit, nur durch eine kluge Berechnung seiner Kräfte, der Macht seiner Gegner und ihrer verschiednen Privat-Absichten, durch die Kenntniß ihres Charakters, und vorzüglich durch seine eben so schnellen als richtig abgemeßnen Bewegungen gelang es ihm, den Sturm zu beschwören, der ihn vernichten sollte.
Ein Glück für ihn, vielleicht die Folge weiser Vorsicht war es, daß er sein Heer noch vor Benevent versammelt fand. Es hatte in seiner Abwesenheit eine Niederlage erlitten, seine Erscheinung belebte den Muth der Truppen wieder. So groß war sein persönliches Ansehn, und so <5:> mächtig die Furcht, vor dem einzelnen Mann, daß ganze Haufen, die im Begriff standen, sich zu entfernen, jetzt bey ihren Fahnen blieben, und ihm durch ihre Gegenwart den District ihrer Heimath bürgten. Er gieng sogleich mit ihnen über Melfi bis an den Bradano vor, ließ hier, in der Mitte zwischen den empörten Ländern, den größten Theil seiner Armee zurück, und eilte blos mit den leichtesten Geschwadern der Reuterey nach Consenza, welches er in fürchterlicher Gährung antraf. Seine unvermuthete Gegenwart schreckte die Parthey der Rebellen, deren Anführer die Stadt verließen. Robert versicherte sich der Treue der Bürgerschaft, nahm eine Menge Fußvolk mit, und rückte mit den Truppen am Bradano vereinigt, ungesäumt gegen Bari, den Hauptsitz der Empörer vor. Ein Theil ihres Heers war mit der Belagerung von Giovenazzo beschäftigt, und der Herzog kam den zerstreuten Rebellen so plötzlich über den Hals, daß sie nicht Zeit hatten, ihre Macht auf Einen Punkt zu versammeln. Abälard rückte ihm jedoch mit den Truppen der Städte entgegen, aber es war ein Unglück für seine Partey, daß gerade der beste ihrer Feldherrn die schlechtesten Soldaten hatte. Aus Neid oder Eigensinn wollte jeder Baron seine Vasallen in Person, und nach seinem eignen Plan anführen, und machte dadurch die tapfersten Krieger unbrauchbar für die gemeine Sache. Die Miliz der Städte konnte dem Angrif der Normännischen Reuterey nicht widerstehn. Dennoch hielt Abälard durch eine kluge Anordnung lange das Treffen im Gleichgewicht, bis er von eine Lanze verwundet vom <6:> Pferde sank. Bey dem Gerücht von seinem Tode ergriff das Heer die Flucht, und ob er gleich bald nachher wieder zu Pferde erschien, so konnte er doch die Weichenden nicht eher, als unter den Mauern von Bari sammlen.
Robert, mit diesem Erfolg zufrieden, ging nach Giovenazzo, den Einwohnern für ihre Treue zu danken. Er erließ ihnen auf immer die Hälfte des Tributs und beruhigte die Bürger über das Schicksal ihrer Kinder, indem er ihnen versicherte, daß der Befehlshaber des Schlosses, wo die Geisseln aufbewahrt wurden, bereits mit ihm in Unterhandlung stehe. Seinem Plane getreu, nur die Mächtigsten unter seinen Gegnern anzugreifen und durch Überraschung ihrer Vereinigung zuvor zu kommen, flog er, so schnell als das Gerücht seines Sieges von einer Küste zur andern. Die Flamme der brennenden Schlößer verkündete seinen Marsch durch die mittelländischen Gegenden, und der alles vergrößernde Ruf verbreitete Abälards Tod und den völligen Untergang der apulischen Rebellen. Zu Salerno stiegen die sicilianischen Hülfsvölker ans Land, der bestürzte Jordan wagte es nicht den Angrif des Überwinders abzuwarten, und bat durch seine Gesandtschaft um Frieden.
Von dieser Seite gesichert, wendete sich Robert wieder gegen die entfernten Provinzen, und bekämpfte die Empörer nur einzeln, und Schritt vor Schritt. Indem er jetzt nur langsam vordrang, ließ er ihnen Zeit, sich zu besinnen, und zeigte in der einen Hand Verzeihung, in der andern fürchterliche Rache. Durch Verstümlung, ewiges Gefängniß oder den Tod bestrafte er alle, die unter <7:> den Waffen gefangen wurden, die Reuigen aber behandelte er mit äuserster Schonung. Er sahe sich nur selten zur Strenge gezwungen; Abälards eigner Schwiegervater übergab Bari nach einer kurzen Gegenwehr, und dieser unglückliche Fürst rettete sich mit seinem Bruder und den vornehmsten unter seinen Anhängern nach Constantinopel. Mistrauen trennte die noch übrigen Häupter der Rebellion, sie eilten, einander durch freiwillige Unterwerfung zuvor zu kommen, und wenigstens durch das Verdienst der früheren Rückkehr einen Theil ihrer Besitzungen zu retten.


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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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