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[ APPENDIX: MATERIALIEN ]

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Karl Wilhelm Ferdinand v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien, in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33; 3. Stück, 1-14; darin: 1. Stück, 18-23

Was ihm auf dem Wege der offnen Gewalt unmöglich war, sollte List ihm gewähren. Peter von Turra oder Cyrra hatte durch seine Reichthümer und seine Klugheit für sich ein beinahe unbeschränktes Ansehn in Bisignano erworben, ihm war die Wache des Schlosses anvertraut, und sein Rath lenkte die wichtigsten Angelegenheiten der Stadt. Robert hatte längst den Anschlag gemacht, ihn <19:> aufzuheben, aber weil Peter nie anders als mit guter Begleitung ausgieng, und so oft er zu einer Zusammenkunft eingeladen war, sorgfältig erst einen kurzen Waffenstillstand bedung, hatte sich keine Gelegenheit dazu finden wollen, denn so sehr die Normannen von Sanct Marco auch Räuber waren, so treu hielten sie doch die eingegangnen Verträge.
Robert gab darum seinen Plan noch nicht auf, und nahm die Gelegenheit wahr, Petern wie von ohngefähr an dem gewöhnlichen Orte zu begegnen, ohne vorher ihm Sicherheit versprochen zu haben. Beide hatten eine ansehnliche Begleitung bey sich, und da die Anzahl der Bisignaner die stärkste war, glaubte Peter ohne Gefahr sich den Normannen nähern zu dürfen. Robert unterhielt ihn von einer Angelegenheit, welche beiden wichtig war, und im Verfolg der Unterredung schlug er ihm vor, ihr Gefolge von beiden Seiten einige hundert Schritte zurückgehen zu lassen, damit nicht unzeitige Zänkereyen entstünden. Peter willigte ein, sie lagerten sich unter dem Schatten eines Baums und wurden bald über die wichtigsten Punkte ihres Geschäftes einig.
Schon waren sie wieder aufgestanden und im Begriff sich zu trennen, als Robert seinen Gegner, der um ein ansehnliches länger als er, und etwas unbehülflich war, erst noch einmal recht betrachtet, dann ihn plötzlich mitten um den Leib pakt, mit starkem Arm auf seine Schultern wirft, und aus allen Kräften mit ihm davon läuft. Der erschrokne Bisignaner erhebt ein fürchterliches Geschrey, <20:> seine Mitbürger eilen herbey, ihn zu befreyen, da aber die Normannen ihnen entgegen kommen, wagen sie es nicht, mit Leuten einen Kampf anzufangen, von deren Stärke sie eine so auffallende Probe sehen. Peter, der sich von dem ersten Schrecken erholt hat, ringt und sträubt sich auf dem Rücken seines Entführers. Zweimal stürzt Robert mit ihm nieder, aber auch auf der Erde wälzt er ihn nach den Normannen zu, bald stößt er ihn vor sich her, bald trägt er ihn wieder. Keiner seiner Leute kömmt ihm zu Hilfe, sie begnügen sich auf seinen ausdrücklichen Befehl, blos die Bisignaner in Furcht zu erhalten, und diese eilen in ihre Mauern zurück, sobald sie ihren Anführer zu weit entfernt sehen, um ihn noch retten zu können. Robert verfehlte zwar seine Absicht auf das Schloß von Bisignano, weil die Stadt sich weigerte, ihren Mitbürger um diesen Preis loszukaufen. Aber zwanzigtausend Goldstücke, welche er von Petern als Lösegeld nahm, setzten ihn in den Stand, seine Krieger zu belohnen, und die lustige Art, wie er dieses Geld erworben hatte, vermehrte seinen Anhang eben so sehr, als der Ruf, daß er in den Augenblicken der Noth zuerst seine eigne Person aussetzte, um die Bedürfnisse seiner Gefährten zu befriedigen. Die Normannen priesen seine List, so hoch als seine Tapferkeit, und der Beiname Guiscard, oder der Schlaukopf, den sie ihm deshalb beilegten, war ein Ehrenname, dessen sich Robert mit Vergnügen rühmte. Nicht blos junge Leute, die keinen Unterhalt hatten, als den das Schwerdt ihnen gab, sondern auch Männer, die eigne <21:> Güter besaßen, hielten es für vortheilhaft, unter einem so klugen Anführer zu dienen. Gerhard von Albergo, ein angesehner Ritter, besuchte ihn kurz nach der Gefangenehmung Peters von Turra, gab ihm seine Verwandte Alverarada zur Gemahlin, und machte sich eine Ehre daraus, unter den Fahnen des jüngern Kriegers zu dienen.
Robert breitete jetzt seine Eroberungen immer weiter aus; er nahm den Titel eines Grafen an, wurde durch List Meister von Melvito und zwang die Städte Bisignano, Consenza und Marturano, ihm zinsbar zu werden und Kriegsdienste zu leisten, wogegen er sie im Besitz der Freiheit und ihrer festen Schlößer ließ. Seine Absicht war, sich in Calabrien unabhängig zu machen, als die unvermuthete Nachricht von der tödlichen Krankheit seines Bruders ihm plötzlich neue Aussichten eröfnete.
Er eilte nach Apulien; der sterbende Humphred hatte seinen unmündigen Sohn Bagelard oder Abaelard zu seinem Nachfolger ernannt, und glaubte, der Ehre eines Bruders und eines ausgesöhnten Feindes seine wehrlosen Kinder anvertrauen zu dürfen. Er übertrug Roberten die Vormundschaft, und starb in seinen Armen. Die Grafen, welche den verschiednen Districten des normännischen Freistaats vorgesetzt waren, hatten so viel Ehrfurcht für ihren verstorbenen Anführer, oder glaubten bey dieser Einrichtung so gut ihre Rechnung zu finden, daß Humphreds Testament ohne Widerspruch angenommen <22:> wurde; bald aber gaben die entstandnen Mishelligkeiten und die Unruhen der unterworfnen Apulier dem Vormund Abälards Gelegenheit, die versammleten Krieger zu überführen, daß ein unmündiger Knabe nicht fähig sey, das Oberhaupt einer kriegerischen Aristokratie vorzustellen. Die Normannen waren gewohnt, einen Bruder dem andern folgen zu sehen, Humphred hatte kein Recht gehabt, das ihm für seine Person übertragne Amt eigenmächtig seinem Sohn zu hinterlassen, und Robert Guiscard, dem der grosse Haufe der niedern Ritterschaft mit unbegränzter Ergebung anhieng, konnte in dem Besitz einer Gewalt, die er schon als Vormund ausübte, nicht mehr gestöhrt werden.
In einem Alter von zwey und dreyßig Jahren übernahm er die Regierung des Apulischen Freistaats, und die Geschmeidigkeit seines Characters machte es ihm leicht, sich den neuen Verhältnissen anzupassen. Mit dem veränderten Schauplatz erweitern sich seine Plane. Der Ritter verschwindet in dem Staatsmann, der Abentheurer blickt nur selten aus dem Eroberer hervor. Eine unruhige, des Gehorsams ungewohnte Aristokratie zu bezähmen, und sich durch diese zum unumschränkten Beherrscher eines noch nicht halb eroberten Landes zu machen, ist sein erstes Ziel, und am Ende seiner Laufbahn sehen wir ihn die Hand nach einer Kaiserkrone ausstrecken. Die Art, wie er zu der höchsten Würde in dem Freistaat der Normannen gelangte, war vielleicht keine Usurpation der Gewalt, aber vergebens würde man ihn von dem Vorwurf einer Treulosigkeit <23:> gegen die ihm anvertrauten Pfänder rechtfertigen wollen. Robert erscheint überhaupt in der Geschichte seines Lebens weniger edel, als groß; nach der Wahl seiner Mittel darf er nicht gerichtet werden, keins, das ihm zur Erreichung seiner Absichten nützlich ist, scheint dem Ehrgeizigen unerlaubt, aber an dem festen Schritte, womit er trotz der sich unaufhörlich häufenden Schwierigkeiten grade auf sein Ziel losgeht, an seinem Muth in Gefahren, seiner unerschütterlichen Standhaftigkeit im Unglück, und an den Hilfsquellen, die er stets in sich selbst findet, erkennt man das überlegne Genie. In der Anwendung der erworbnen Güter, in dem Gebrauch seiner Gewalt, in dem Betragen gegen Überwundene erscheint er zu seinem Vortheil, und es gereicht ihm zur Ehre, daß ein bisher durch den härtesten Druck herabgewürdigtes Volk unter seinem Szepter des Daseyns froh wurde, daß bey allen Unruhen nur die normännischen und griechischen Unterdrücker, nie die Eingebohrnen Apuliens und Calabriens gegen ihn aufstanden.


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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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