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[ APPENDIX: MATERIALIEN ]

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Karl Wilhelm Ferdinand v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien, in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33; 3. Stück, 1-14; darin: 1. Stück, 5-9

Bey den ununterbrochenen Fehden der Normannen mußte er bald Gelegenheit finden, seine Waffenprobe abzulegen, und seine Landsleute lernten in ihm einen würdigen Bruder ihrer tapfern Anführer schätzen. Die äusern Vorzüge einer schönen Gestalt verfehlen bey einem kriegerischen Volk ihre Wirkung nicht, er ragte durch einen vortheilhaften Wuchs hervor, sein Körper war in den richtigsten Verhältnissen gebauet, und nachdem er die volle <6:> Kraft des männlichen Alters erreicht hatte, übertraf er an Stärke des Arms und an Geschicklichkeit in allen Leibesübungen, so wie an Dauer bey den größten Beschwerden, die abgehärtesten unter Drogo’s Gefährten. Sein feuriges Auge und seine starke Stimme, die oft durch das Getümmel des Kampfs hervortönte, geboten Ehrfurcht; die jungen Krieger hiengen mit Enthusiasmus an einem Anführer, der, in jeder Gefahr der erste, ihnen unaufhörlich Gelegenheit gab, Ruhm und Beute zu erwerben, und durch die gefällige Bildung seiner Züge und ein einnehmendes Betragen gewann er die Herzen der alten Ritter, die an dem langen, blonden Haar des Jünglings einen ächten Normann erkannten.
So sehr sich Robert durch das Ansehen, worinn er bey seinen Gefährten stand, geschmeichelt fühlen mußte, so konnte doch eine Stelle unter Drogo’s Rittern seinen Ehrgeiz nicht befriedigen. Er lag seinem Bruder an, ihm eine eigene Niederlassung zu geben; aber die in Apulien eroberten Ländereien waren längst unter die ersten Krieger vertheilt, und als das Schloß Lavello nahe bey Melfi dem Landesherrn anheimfiel, hatte sein älterer Bruder Humphred ein näheres Recht dazu. Robert’s Wünsche wurden endlich nach einem Streifzuge in das disseitige Calabrien erfüllt. Diese von den Normannen noch wenig betretenen und von den byzantinischen Heeren nie ganz unterjochten Gegenden bewohnte ein rauhes Gebirgsvolk, das in seinen Wäldern eine Art von Freiheit durch die Entbehrung der Vorzüge gesitteter Nationen erkaufte. Nur an der <7:> Seeküste und in einigen festen Städten des innern Landes blüheten Handel und griechische Betriebsamkeit, hier tauschten die Calabresen ihr Geräth und eine Menge unentbehrlicher Werkzeuge gegen die Früchte ihres Landes und den Gewinn ihrer Heerden ein; und wurden in dem Maaße, wie die Bedürfnisse halb cultivirter Menschen zunahmen, immer abhängiger von den Städten, deren Mauern und Kriegsmaschinen ihnen Ehrfurcht einflößten. Im Handel gedrückt, durch die Kunstgriffe der Griechen ihrer Waffen beraubt, und ohne Schutz gegen die Plünderungen der Saracenen, vereinigten sie sich mit ihren Nachbarn, nicht aus Zuneigung, sondern um ihre eignen Hütten gegen die Verheerungen eines neuen Feindes zu schützen.
Drogo drang demungeachtet bis in die Thäler am Fluß Crate, von dem damals die ganze Provinz den Namen hatte, vor, und eroberte hier einen festen Ort, den er seinem Bruder übergab, mit der Erlaubniß, sich in diesen unbekannten Ländern ein Erbtheil zu erkämpfen. Mehr konnte oder wollte er nicht für ihn thun, und ohne Geld, ohne Macht, in einer feindlichen Gegen sich selbst überlassen, hatte Robert kein anderes Mittel, seine Anhänger zu erhalten, als Beute und Plünderung. Krieg wurde ihm daher nothwendig, um zu leben, und wenn diese Quelle nicht ergiebig genug war, verschmähete er auch die Kunstgriffe eines Räubers nicht. Die Heerden der benachbarten Landsleute, und ihre Erndten wurden ein leichter Raub der offenbaren Gewalt, und weder Mauern noch Thürme blieben der List des schlauen Freybeuters unzugänglich. <8:>
Um die Reichthümer eines stark befestigten Klosters zu plündern, gab er einen seiner liebsten Gefährten für todt aus, und begehrte für den Leichnam ein Grab in heiliger Erde. Seine letzten Kleinodien wurden hervorgesucht, um den Mönchen Geschenke zu machen, und Seelenmessen für den Verstorbenen zu bezahlen, und die betrognen Klosterherren öffneten dem Leichenzug ihre Thore. Aber kaum hatte das Innere des Klosters ihn aufgenommen, so sprang der verstellte Tode von der ofnen Bahre herab, die Leidtragenden zogen ihre versteckten Schwerdter hervor, und nur durch ein ansehnliches Lösegeld entgiengen die Mönche der Plünderung.
Robert wurde dadurch reich genug, daß Schloß Sanct Marco, ohnweit Bisignano, befestigen zu können, welches er von nun an zu seinem Wohnplatz machte. Aber die Schätze, welche er erwarb, dauerten bey ihm nicht lange. Er vertheilte sie mit freigebiger Hand unter seinen Anhängern; und hielt den kleinen Haufen ihm ergebner entschloßner Gefährten für seinen größten Reichthum.
Alle Normannen, die sich zu ihm gesellt hatten, und auch eine Anzahl Calabreser, aus denen er sich ein tapfres Fußvolk zu bilden anfieng, hiengen mit unbegränzter Liebe und einem Zutrauen an ihm, das sie an nichts, was Er unternahm, verzweifeln ließ. Aber eben so sehr wurde er von den Griechen und den Eingebohrnen der umliegenden Gegend gefürchtet und gehaßt. Da sie im ofnen Felde seinen kühnen Räubern nicht widerstehen konnten, begnügten sie sich, die engen Pässe der Gebirge sorgfältig zu be- <9:> wachen, und schlossen ihre Heerden und ihre Vorräthe in unzugänglichen Thälern oder festen Städten ein.
Oft gerieth Robert dadurch in den äusersten Mangel, und nur durch List und kühne Wagnisse zog er sich aus seinen Verlegenheiten. Eines Tages trat sein Haushofmeister mit der Frage zu ihm: „Was Er und seine Gefährten am morgenden Tage essen wollten? In der Burg sey weder Geld noch Vorrath, und wenn man auch Geld hätte, wäre doch dafür nichts zu bekommen, weil alle Einwohner weit umher vor dem Anblick eines Normannen entflöhen.“ Robert geboth ihm zu schweigen, und den Morgen zu erwarten. Er hatte sechszig Calabresen in seinem Dienst, an diese wendete er sich, um zu erfahren, ob nicht irgendwo in der Nähe Lebensmittel versteckt wären. Sie bezeichneten ihm ein enges Thal im Gebirge, dessen einziger Eingang aber sorgfältig bewacht würde. Doch, setzten sie hinzu, sey es nicht unmöglich, noch auf einem andern, ihnen bekannten Wege dahin zu gelangen, aber nicht anders als zu Fuße, und ohne Lasten zu tragen. Robert, der diese Leute durch Freigebigkeit und ein leutseliges Betragen sich ganz eigen gemacht hatte, lobte ihre Klugheit; „Geht, Kinder, sagte er lächelnd, ich sehe wohl, ihr wollt mich nicht verhungern lassen. Macht euch nur voraus auf den Weg, ich werde mit den Rittern nachfolgen.“

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