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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Eduard v. Bülow (Hrsg.), Heinrich von Kleist’s Leben und Briefe. Mit einem Anhange (Berlin: Besser 1848), V-XIV, 1-81, 274f.; darin: 5-7

Weitere Ausbildung, Militär


Die ungewöhnlichen Fortschritte, welche Kleist machte, die täglichen Beweise ausgezeichneter Geistesfähigkeiten gaben freilich der Schwermuth seines sich überaus unglücklich fühlenden und schon fast mit sich zerfallenden Mitschülers immer neue Nahrung und er warf sich nach beendigten Lehrstunden, oft bitterlich darüber weinend und schluchzend, an die Brust des Lehrers.
Warum hat doch gerade mich die Natur so karg behandelt, klagte er, der ich es mir so angelegen sein lasse zu lernen, warum wird nur mir Alles so schwer; während dem Vetter Heinrich das Schwierigste leicht fällt? <6:>
Der Lehrer that zwar unablässig alles Mögliche, den Unmuth des geliebten Zöglings zu verscheuchen, und ließ es nicht an Zuspruch, Rath und Anerkennung fehlen; seine Schwermuth schlug aber immer tiefere Wurzeln in sein Gemüth und gab ihm auch später einen freiwilligen Tod, nachdem ihm, als Zögling der Militärakademie und als Offizier, das Glück nie hold gewesen war.
Es sollen Kleist und sein Vetter, die sich persönlich niemals wiedersahen, in der Folge einmal schriftlich die Abrede getroffen haben, beide eines freiwilligen Todes zu sterben.
In seinem elften Jahre verließ Kleist das Haus seiner Eltern, die wohl auch um diese Zeit gestorben sein müssen, und ward dem Prediger Catel in Berlin zu seiner weitern Ausbildung anvertraut.
Von jetzt, also vom Jahre 1787 fehlen mir alle Nachrichten über sein äußeres und inneres Leben und ich finde ihn erst im Jahre 1795 wieder, wo er, nach der Rangliste von 1796, als vierter Fähndrich in das Regiment Garde zu Fuß in Potsdam eingetreten war, um dabei den Rheinfeldzug mitzumachen. Er stellte sich in diesem Verhältnisse als ein eleganter, lebensfrischer, junger Mann dar, und zeichnete sich besonders durch ein nicht unbedeutendes, wiewohl ganz unausgebildetes Talent zur Musik aus. Ohne Noten zu kennen, komponirte er Tänze, sang augenblicklich Alles nach was er hörte, spielte in einer von Offiziers zusammengesetzten Musikbande die Klarinette und zog sich, der Musik zu Liebe, sogar einmal Arrest wegen einer Vernachlässigung im Dienste zu.
Er schrieb zu Ende seines ersten Dienstjahres einer <7:> zärtlich geliebten Freundin die, seine damalige Stimmung bezeichnenden, folgenden Worte in ihr Stammbuch:
„Geschöpfe, die den Werth ihres Daseins empfinden, die ins Vergangene froh zurückblicken, das Gegenwärtige genießen, und in der Zukunft Himmel über Himmel in unbegrenzter Aussicht entdecken; Menschen, die sich mit allgemeiner Freundschaft lieben, deren Glück durch das Glück ihrer Nebengeschöpfe vervielfacht wird, die in der Vollkommenheit unaufhörlich wachsen, – o wie selig sind sie!“
Ein abenteuerlicher Zug aus Kleist’s Leben mag vielleicht in eben diese Jugendzeit zu setzen sein. Es ward nemlich eines Tags auf dem Gute eines Verwandten zwischen ihm, einer Schwester und zwei Freunden die Frage aufgeworfen: wie lange man wohl, ohne einen Groschen Geld zu besitzen, in der Welt fortkommen könne, und die vier Menschen beschlossen, den thatsächlichen Versuch zu machen. Sie zogen, als arme Leute verkleidet, jeder mit einem Instrumente versehen, und keinen Groschen Geld in der Tasche, zur Stunde aus und, ich weiß nicht ob acht oder vierzehn Tage lang, im Lande umher, indem sie ihr Leben wirklich nur mit Musiziren in Dorfschenken und Bauerhöfen fristeten.
Sein erstes Herzensverhältniß zu einem jungen adlichen Fräulein fällt in diese Periode und daß dasselbe plötzlich wieder rückgängig ward, führte ihn in der Krise seines Schmerzes darüber, wohl zum erstenmale tiefer in sein Inneres.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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