e-mail-Wechsel: Roland Reuß – Hans-Jürgen Grabbe, 28.3.2009

 

 

rr:

Heidelberg, Samstag, 28. März 2009, 8:25

[…]

Der Heidelberger Appell hat bereits erste Wirkung gezeigt: Die in der »Allianz ...« zusammengeschlossenen wissenschaftsfördernden Institutionen haben am 25. März geantwortet. Bei dem Versuch, einen Keil zwischen die Wissenschaftler und die Künstler zu treiben, haben sie offenbar übersehen, daß sie in ihrem Papier die Attacke auf die Verfassung nunmehr ausdrücklich festgeschrieben haben:

»Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen fordert eine für den Leser entgeltfreie Publikation (Open Access) ausschließlich von Forschungsergebnissen, die durch den Einsatz öffentlicher Mittel und damit zum Nutzen der Forschung und Gesellschaft insgesamt erarbeitet wurden.«

Damit ist aktenkundig, daß sie das Recht eines wissenschaftlichen Autors, frei und verantwortungsvoll sein Urheberrecht ausüben zu können, nicht akzeptieren. Das ist ein Angriff auf die Freiheit von Forschung und Lehre. Die Verfassung ist in Gefahr.

[…]

 

Prof. Dr. Hans-Jürgen Grabbe, Präsident der Europäischen Gesellschaft für Amerikastudien, Halle

Lieber Herr Reuß,

so ist es in der Tat. Jemand, der z.B. in den Geisteswissenschaften als Wiss. Assistent oder Mitarbeiter oder Stipendiat an einer Dissertation oder Habil.-Schrift arbeitet, wäre künftig verpflichtet, seine Arbeitsergebnisse allgemein zugänglich zu machen, auch wenn er oder sie eigentlich vorhatte, eines Tages ein schönes Buch in den Händen zu halten. Wenn sich diese sog. wissenschaftsfördernden Institutionen durchsetzen, hätten nur noch Privatgelehrte die volle Entscheidungsfreiheit, denn alle Forschung an Hochschulen wird mittelbar oder unmittelbar von der öffentlichen Hand ermöglicht.

Es scheint mir aber, daß die Open Access-Bewegung überwiegend von Personen getragen wird, die aus den Naturwissenschaften kommen. Dort ist man nach Charles Darwin ja kaum noch literarisch tätig. Es geht um die schnelle und möglichst weltweite Bekanntmachung von Ergebnissen, was völlig legitim ist. Die Texte selbst sind in sprachlich eher ärmlichem Wissenschaftsenglisch gehalten. Insofern trennt der Keil die Naturwissenschaften, die Ingenieurwissenschaften und die Medizin, vielleicht zumindest teilweise auch Jura und die Wirtschaftswissenschaften, von den Geisteswissenschaften, die ja nicht nur ihre Hypothesen und Ergebnisse publizieren, sondern narrativ, wenn Sie wollen: schriftstellerisch, tätig sind. Unter einem "Forschungsergebnis" kann man z.B. 10 Seiten Tabellen und etwas Text verstehen, aber eben auch eine Monographie von 300 oder mehr Seiten.

Ich bin selbst Herausgeber von zwei Open Access Journals, dem European Journal of American Studies (http://ejas.revues.org) und dem American Studies Journal (http://asjournal.zusas.uni-halle.de), insofern habe ich mit dem Prinzip selbst keine Probleme.

Zudem gibt es, gerade in den Naturwissenschaften, Online-Zeitschriften wie z.B. das renommierte New England Journal of Medicine (http://content.nejm.org), wo nur wenige Artikel "open access" haben und man für alle Inhalte ca. 100 Dollar pro Jahr bezahlen muß. Ich glaube, in den USA lacht man sich tot, wenn Deutschland seine Forschungsleistungen der ganzen Welt kostenlos zur Verfügung stellen würde.

Beste Grüße,
Ihr Hans-Jürgen Grabbe

 



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