3.
Michael Angelo. Malerei und Bildhauerei. Th. 3.
S. 335. Über M. Angelo, als Bildhauer, finde
ich noch nöthig zu erinnern, daß er zwei verschiedene
Manieren hatte. Die erste ähnelt der des Donatello.
Der Geschmack ist kleinlich, Köpfe und Körper führen
auf den Begriff durch Krankheit niedergedrückter und
abgemergelter Personen zurück, und die Gewänder, wenn
sie gleich das Nackte gut andeuten, scheinen doch
als naß, zu fest daran zu kleben: die Falten gleichen
den Beuteln des Albert Dürers. In der Folge vergrößerte
er seine Manier: hier ist der Faltenschlag freier,
größer, und zeigt die Bekanntschaft des Meisters mit
der Antike.
4.
Raphael. Erste Manier. Malerei und Bildhauerei.
Th. 1. S. 119 u. 120. Raphael hielt sich
eine Zeitlang an die Manier seines Lehrers. Doch zeigte
sich schon dazumal der Zusatz von Ausdruck, den er
in seine Figuren legte; zu jeder Zeit der unterscheidende
Vorzug unseres Künstlers! Übrigens entging er durch
gar zu große Bestimmtheit, und durch den Fleiß, den
er an Nebensachen verschwendete, weder der Trockenheit
noch der Härte und der kleinen Manier seiner Schule. – – <78:>
Zweite
Manier. Th. 1. S. 121. Die malerische Anordnung
ist zu symmetrisch. Die Zeichnung ist richtig, ist
fein, aber zu hart, zu bestimmt, im kleinlichen Sinne.
Die Gewänder sind noch in zu viele Partien getheilt:
die Ausführung ist noch trocken, der Fleiß zu sehr
auf Nebensachen verschwendet. Ja! ein gewisser gothischer
Schmuck, z. E. goldener Schein um die Köpfe der
Heiligen, goldene Stickerei auf den Gewändern ist
noch nicht abgelegt. – –
Th.
1. S. 123. Die malerische Erfindung oder eigentliche
Anordnung war weniger das Verdienst Raphaels. Es zeigt
sich keine Spur in seinen Werken von einer überlegten
Zusammenstellung der Figuren, um dem Auge Gruppen
von angenehmer Form, oder solche Gruppen darzubieten,
die eines vortheilhaften Eindrucks von Licht und Schatten
vorzüglich fähig wären. – –
S.
124. Raphael hat nie das Sublime der Antiken, noch
das Gefällige des Correggio erreicht. Er wählte seine
Weiber aus der Natur, und er brachte, wie es scheint,
wenig Abwechslung in ihre Wahl. Sie haben beinahe
alle den Character eines sanften Ernstes, aber selten
setzen sie uns durch die majestätische Übereinstimmung
ihrer Züge in Bewunderung, oder ziehen uns durch holdselige
Lieblichkeit an. Seine Kinder sind von ganz gemeiner
Natur. – –
In
dem Gemälde, welches das Ordnen des Chaos vorstellt,
hat Raphael dem Schöpfer den Ausdruck eines rüstigen
Alten gegeben, der mit gewaltsamer Anstrengung und
ausgespreiteten Armen und Beinen die Elemente auseinander
treibt. – –
Mit
eben so wenigem Glücke hat Raphael die Begebenheit
der Schöpfung der Thiere sinnlich machen wollen. Hier
breitet der Schöpfer die Hände über eine Menge von
Thieren verschiedener Gattung aus, und gleicht einem
Hausvater, der seine Menagerie besieht. – –
S.
126. Die Galathea Raphaels ist stehend abgebildet
in einem Wagen, bespannt mit zwei Delphinen, deren
Zügel sie selbst leitet. Zur Seite umarmt ein Triton
eine Nereide, ein anderer Triton stößt in eine Meer-Trompete,
und weiterhin sitzt noch eine andere Nereide auf dem
Rücken eines Tritons. Amor führt den Wagen der Galathea,
Amorinen schießen fliegend Pfeile herab. Die Anordnung
ist nicht zu loben, die Figuren sind zu abgerissen
von einander, und das Ganze thut wenig Wirkung. Dem
Kopfe der Galathea sieht man es an, daß vieles von
der ursprünglichen Schönheit, durch die Reise von
dem Kopfe des Künstlers ab in die Hand, verloren gegangen
ist. Die Augen sind zu klein, die Nase ist zu stark.
Der Körper der Galathea, bis an die Kniee, ist schön,
aber dies Knie ist zu muskulös. Die Nereide, die der
Triton umarmt, ist sehr reizend, allein die Schenkel
sind wieder viel zu stark. Dieser Triton selbst scheint
in der Mitte abgebrochen, und das Untertheil des Körpers
kömmt mit der Bewegung der Arme, der Schultern, nicht
überein. Der Amor, der den Wagen führt, ist schön
gezeichnet. In dem Kopfe desselben erkennt man dasselbe
Mo- <79:> dell wieder, nach welchem Raphael
den Christ della Madonna della Seggia zu Florenz gemalt
hat u. s. w. – –
S.
127. 128. Raphael hat bei der Beleuchtung seiner Figuren
mehr auf Rundung jeder Figur im Einzelnen, als auf
die Wirkung des Lichts und Schattens im Ganzen gesehen.
Er ging dabei sehr einfach zu Werke, legte auf die
höchsten Partien weiß auf, und brach dasselbe mit
schwarz bis in den Schlagschatten: von Reflexen wußte
er nichts. Wenn er mehrere Figuren zusammenstellte,
so kamen die hellesten vorn hin, und die dunkelsten
hinten, und auf solche Art schwachte er die Lichter
ab. Von den Repoussoirs, oder den dunklen Figuren
auf dem Vorgrunde, die das Licht herausheben, zeigt
sich keine Idee in seinen Werken; so wenig als von
dem ausgesparten Fall des Lichts und Schattens (den
sogenannten Accidens) jener weisen Austheilung des
Hellen und Dunkeln, wodurch gewisse Theile mehr als
andere, gleichsam von ohngefähr hervorstechend oder
zurückweichend sich zeigen: es sei, daß der Künstler
überhaupt für das Auge des Zuschauers hier und da
eine kleine Ruhe nöthig hält, oder daß er dasselbe
auf gewisse vorzügliche Partien besonders aufmerksam
machen möchte. Darin liegt eine der Hauptursachen,
warum seine Gemälde so wenig auf den ersten Blick
anziehen.
5.
Andrea del Sarto. Malerei und Bildh. Th. 1.
S. 279. Andrea del Sarto ward geboren 1488. Er
bildete sich hauptsächlich nach Leonardo da Vinci,
aber er nutzte auch Werke des Mich. Angelo, des Fra
Bartholomeo und Raphaels. Die meisten seiner Gemälde
waren bestellte Werke, die Assembleen von Heiligen,
ohne Verbindung durch eine gemeinschaftliche Handlung,
vorstellen. Dabei konnte er keine Stärke in der Composition
zeigen. Seine Anordnung ist zu symmetrisch. In seinen
Köpfen herrscht zu wenig Abwechselung. Der Character
ist kleinlich und kränklich furchtsam. Man bemerkt,
wenn ich so sprechen darf, einen leonardisch süßlichen
Zug darin. Als auffallende Kennzeichen kann man die
knörplichten, eckigen Nasen, die hagern Wangen, und
die hoch liegenden Augknochen ansehen. Er zeichnete
mit vieler Feinheit, aber nicht ganz richtig. Seine
Extremitäten sind zu knöchern. Die Gewänder haben
viel von dem Geschmack des Fra Bartholomeo, aber sie
sind viel studirter und weniger wahr u. s. w.
6.
Julius Romanus. Malerei und Bildh. Th. 3.
S. 134. So lange er nach den Zeichnungen seines
Meisters Raphaels, und unter dessen Augen arbeitete,
war seine Zusammensetzung weise, und seine Zeichnung
richtig: aber in der Färbung unterschied er sich gleich,
durch gar zu schwarze Schatten und zu rothe Lichter
der Carnation. Seine Ausführung war übrigens sehr
besorgt, und man kann sogar sagen, geleckt. Sobald
er sich aber nach Raphaels Tode seiner eigenen Willkühr
überlassen sahe, ward er durch seine brennende Einbildungskraft
zu Ausschweifungen jeder Art fortgerissen. Vielleicht
darf man auch sagen, daß er nur übertrieb, um dem
Vorwurf, blos Copist zu sein, zu entgehen. Denn häufig
findet man noch Diebstähle, die er an Werken seines
Vorgängers begangen hat. Er setzte sie aber auf eine
bisarre <80:> Art mit seinen eigenen nicht minder
bisarren Erfindungen zusammen. Daran, und an seinen
grämlichen Männerköpfen, an den Gelenken, die mit
Muskeln und Knorpeln überladen sind, an der krebsrothen
Fleischfarbe erkennt man ihn am leichtesten wieder.
Seine Zeichnung ward nun incorrekt, er fieng an, im
Geschmack der Florentinischen Schule, die Muskeln
zu stark anzudeuten, und weil er gar zu geschwind
arbeitete, so ward die Behandlung vernachlässigt. – –
Schönes
Gemälde von Julius Romanus (in der Kirche S. Maria
dell Anima in Rom.) Th. 3. S. 300. Madonna
mit dem Christkind, ein heiliger Jacob betet es an;
der heilige Joseph lehnt sich auf den Ellnbogen, und
sieht zu, der heilige Rochus wird dem Heiland durch
den heil. Johannes vorgestellt, und hinten füttert
die heil. Anna die Hüner. Es ist ein Hauptbild dieses
Meisters. Ob es gleich auf mancherlei Art durch Retouchiren,
schlechten Firniß etc. gelitten hat. Auch sind Erfindung
und Anwendung nicht zu loben; man muß allein auf das
Detail sehen. Der Kopf der Madonna hat viel Ähnlichkeit
mit dem der Madonna, in der heil. Familie von Raphael
zu Versailles. Eben daher ist auch die Stellung des
heil. Josephs genommen, der sich auf den Arm stützt;
aber, recht nach Art der Nachahmer, hier sehr übertrieben
wieder angebracht. Die Madonna ist die reizendste
Figur auf dem Bilde, dabei in vortrefflichem Geschmack
drappirt. Der Kopf des heil. Rochus und einige Engel
sind auch schön. Dagegen gehören die Kniee des Christkindes
einem ausgewachsenen Bootsknechte, und die Beine des
heil. Johannes sind offenbar zu klein gegen die übrige
Figur. – –
7.
Meisterstück des Garofalo. Über Malerei und Bildh.
Th. 1. S. 284. Ein todter Christ mit der
Mutter und mehrern Heiligen. Ein Meisterstück des
Garofalo. Erfindung und Anordnung sind zwar nicht
zu loben, auch ist die Luftperspectiv nicht beobachtet,
und die Zeichnung trocken und steif. Allein das Bild
hat doch viele einzelne Schönheiten. Die Stellung
der Magdalena ist sehr reizend, und der Ausdruck zutreffend.
Der heilige Hieronimus hat einen schönen Kopf, und
bei dem heiligen Johannes scheint der Maler sehr glücklich
einen der Söhne des Laokoon zum Vorbilde genommen
zu haben. Die frischen Localfarben, welche immer das
characteristische Verdienst unseres Meisters ausmachen,
sind auch in diesem Bilde unserer Aufmerksamkeit werth. – –
Studien
auf einer Reise nach Dänemark. Th. 1. S. 136.
Eine heilige Familie, die man für Raphaels Arbeit
ausgiebt, aber sicherlich nicht von ihm ist. Mir ist
es am wahrscheinlichsten, daß es das Werk des Garofalo
sei. Das zeigt die fehlerhafte Zeichnung, die frische
Farbe in den Gewändern, das zeigen die eckigen Kontouren
und die klunzmäßigen Hände.
8.
Parmeggianino. Malerei und Bildh. Th. 1,
S. 295. Parmeggianino suchte die Zeichnung des
Raphael, mit den Vorzügen des Correggio zu vereinigen.
Er hatte weder Begriff von Zusammensetzung noch von
Anordnung und Ausdruck. Aber er <81:> wußte
seinen Figuren einen gewissen falschen Reiz zu geben,
der sehr anzieht. Seine Umrisse sind sehr fein und
sehr swelt; seine Köpfe haben viel Gefälliges. Aber
bei einer genauern Untersuchung wird man finden, daß
alles incorrekt und manierirt ist. Seine Figuren sind
zu lang, die Finger an den Händen sind spindelmäßig.
Gewänder und besonders der Kopfputz haben etwas reizend
Phantastisches. Seine Färbung fällt ins Graue und
ist ohne Harmonie. Man kann Liebhaber nicht genug
vor den verführerischen Reizen dieses Meisters warnen. – –
Th.
2. S. 81. Das Verlöbniß der heiligen Catharina. Ein
großes Gemälde von Parmeggianino, um so interessanter,
weil es selten ist, von diesem Meister Gemälde in
dieser Größe zu finden. Ausdruck darf man hier nicht
suchen, auch keine sonderlich gute Zusammensetzung.
Während daß die heilige Catharina den Christ beim
Kinn ergreift, um ihn zu küssen, und ihr erhabener
Gemahl die Hand auf ihren Busen legt, sieht die Madonna
nach einer andern Seite. Von den umherstehenden Heiligen
nimmt keiner an der Handlung Theil, und einer küßt
sogar – wie werden unsere Kritiker über diesen Anachronismus
schreien! – das Crucifix. Übrigens ist die Anordnung
und die Gruppirung gut. Der Maler hat den Köpfen und
Stellungen das Liebliche des Correggio zu geben gesucht,
aber es ist zur Affectation geworden. Die Zeichnung
ist nicht ganz correkt; die Gewänder sind von schlechter
Wahl; die Schatten haben nachgeschwärzt.
9.
Annibale Carracci. Malerei Th. 1. p. 15.
Sein Ausdruck ist nicht immer wahr, selten edel, und
beinahe nimmer lieblich. Er hatte wenig Gefühl für
Schönheit, mehr für Stärke: Seine Weiber sind zu männlich,
seine jugendlichen Figuren zu schwerfällig, seine
Alten ohne Majestät. Sein Colorit ist ohne Lieblichkeit
und ohne Harmonie. In Ölgemälden grau, im al Fresco
ziegelroth. Das Helldunkle ist in den mehrsten seiner
Gemälde mit Einsicht angedeutet, aber selten thut
es die Wirkung, die sich der Meister davon versprochen
zu haben scheint. – –
Der
Triumph des Bachus und der Ariadne. Keine einzige
Figur hat den Ausdruck den der Character und die Handlung
erfordern. Bachus hat den Anstand eines schlechten
Schauspielers, der repräsentiret, und Ariadne, seine
neuvermählte Gattin, kehrt ihm den Rücken zu, um den
Maler eine schöne academische Figur im Contrapost
darzubieten. Die Nymphen haben den gemeinen Fehler
aller weiblichen Figuren dieses Meisters, sie sind
zu männlich. Sylen ist ein eckelhaft berauschter Alter.
Hingegen ist die malerische Erfindung vortrefflich.
Die Gruppen greifen wohl in einander, und die einzelnen
Figuren haben sehr abwechslende Stellungen. Schönheit
und Reiz darf man beim Annibale nicht suchen. Das
Colorit fällt ins Ziegelrothe, und ist ohne Harmonie.
10.
Guido Reni. Malerei und Bildh. Th. 2. S. 184.
Kein Maler der Neueren hat so sehr, wie er, im Geiste
der Alten gedacht, und die Grundsätze, die sie bei
der Bildung der Schönheit beobachteten, auf die Darstellung
der Natur seines Landes, auf <82:> die Vorwürfe,
die den Pinsel des Künstlers in neueren Zeiten hauptsächlich
beschäftigen, anzuwenden gewußt. Mehr als jeden andern
ist es ihm geglückt, die edle Gestalt, den einfachen
Reiz, der aus der Übereinstimmung der Züge entsteht,
mit einer hohen Bedeutung des Characters, und einem
erhabenen und wahren Ausdruck des Affects zu vereinigen. – –
Der
heilige Petrus im Palast Zampieri, zu Bologna.
S. 189. Der heilige Petrus an sich eine unedle
Figur, weint nicht wie ein Mann, sondern wie ein ungezogenes
Kind, und kratzt sich dabei hinter den Ohren, während
daß ein anderer Heiliger, von eben so niedriger Natur,
ihn tröstet. Die Extremitäten sind nichts weniger
als schön, nicht einst richtig gezeichnet,
und die Schatten sind offenbar übertrieben. Was hat
denn dies Bild um so sehr anzuziehen? für den rohen
Betrachter einen um so faßlicheren Ausdruck, als er
an Carricatur gränzt, eine Rundung, durch welche die
Figuren sich von dem Grunde heraus zu heben scheinen;
für den Künstler aber die kecke Behandlung, mit der
die kräftigsten Farben in vollkommener Harmonie nicht
einzeln aufgetragen, sondern zusammen gegossen scheinen.
11.
Guercino da Cento. Malerei und Bildh. Th. 2.
S. 211. 212. Er lernte in der Schule der Caracci:
die Manier des M. Angelo Carravaggio war ihn
früh bekannt; aber er ward mehr Schüler der Natur
als irgend eines Meisters. Inzwischen er sahe diese
Natur durch eine ihm allein eigene Netzhaut des Auges,
(wenn ich so sagen darf) die sich in Absicht der Farbe
dreimal veränderte. Das heist: man kennt in ihm
drei verschiedene Manieren: die schwarze, die rothe
und die helle; oft ertappt man ihn auch auf den Übergängen
von der einen zur andern. – –
Sein
Ausdruck ist oft wahr, oft geziert, oft unbedeutend.
Man kann ihn selten eines unedlen wegen tadeln, aber
auch eben so selten eines edlen wegen loben. Ländliche
Naivetät, die zuweilen an bäurische Einfalt streifte,
spröder Ernst, wie man ihn wohl bei blöden Landmädchen
antrift, sind die Charactere seiner Weiber. Seine
männlichen jugendlichen Figuren sind Genossen der
vorigen, Contadini, ehrliche Baurenkerls, nur daß
sie statt des flinken raschen Ausdrucks, den der niederländische
in den Gemälden dieser Schule hat, gemeiniglich einen
weinerlichen Zug auf dem Gesichte tragen, der auf
den Druck, unter dem die päbstlichen Bauren leben,
schließen läßt u. s. w. – –
Der
Tod der Dido von Guercino. Th. 3. S. 84.
Dido fällt in ihr Schwerd, vor einer ganzen Versammlung
des Volks. Das, was wir sehen, hat zu wesentliche
Fehler, um zu bedauren, daß das, was wir zu sehen
wünschten, in diese Hand zur Ausführung nicht gekommen
sei. Eine Menge von Figuren füllt die Fläche: aber
keine einzige nimmt wahren Antheil an der Haupthandlung.
Sie stehen da – weil sie da stehen, und noch dazu
ohne leicht zu übersehende Ordnung. Die Perspective
ist gar nicht beobachtet. Dido liegt in einer unnatürlichen
Stellung. Das Schwerd ohne Ende, dessen Spitze eine
Elle jenseits des Rückens heraus ragt, muß <83:>
den ernsthaften Beschauer zum Lachen bringen. Aber
bewunderungswürdig schön gemalt sind Kopf und Brust:
voll Ausdruck und Schönheit: das Blut scheint den
Wangen
zu entfliehen. Das Gewand ist aus der Trödelbude genommen,\1\
so wie die Kleidung der übrigen Figuren. Ans Costum
darf man nicht denken. Man sieht Männer in spanischer
Tracht.
Es
hat diesem Mildheimischen Kunstbuche, etwa unter der
Aufschrift Pantheon, noch ein dritter Abschnitt
von Ramdohrschen Charakteristiken der alten heidnischen
Götter hinzugefügt werden sollen, indeß ist trotz
aller angewandter Mühe nichts aufgetrieben worden,
was zur Belustigung der Publicums gereichen könnte.
Man überläßt sie also lieber auch fernerhin der Vergessenheit,
die sie bisher, von Leser und Kritiker unangefochten,
genossen haben. Ein Lohn ist dem Verfasser weitläufiger,
bänderreicher Werke, wie der Ramdohrschen, in Zeiten
wie die jetzigen gewiß: man lobt sie unbesehens, um
nur der Mühe, sie zu lesen, überhoben zu sein.
Indeß
um diesen würdigen Freund des classischen Alterthums,
der die Munterkeit so weit treibt, sich neben Winkelmann
und Mengs, als die nothwendige dritte Person, zu stellen,
würdig und classisch abtreten zu lassen, so möge unsre
Sammlung beschlossen sein mit folgender
Characteristik
des Jupiters
Malerei und Bildh.
Th. 1. S. 104. Größe und Güte, wie man sie sich bei
einem Manne in Verbindung denken darf, dem das reife
Alter und lange Erfahrung Herrschaft über seine Leidenschaften,
wahres Gefühl von der Bestimmung seiner Vorzüge, und
Billigkeit gegen die Schwächen andrer gegeben haben,
machen den Character des Vaters der Götter und Menschen
aus.
\1\ In der Beschreibung
des Gemäldes der heiligen Petronilla, von diesem Meister,
sagt Herr v. Ramdohr ebenfalls: Was die Gewänder
betrifft, so scheinen sie alle in einer Trödelbude
zusammen gesucht zu sein.
Emendation:
Wangen]
Wanzen D