Wenn Herr v. R.
behauptet, daß Herr Fr. das Crucifix auf seinem
Bilde von unten auf beleuchtet, und ihm mit Valencienne
und Lairesse beweist, daß er dadurch gegen alle Regeln
der Optik gefehlt habe, so pflichte ich allerdings
dem, was diese Männer über eine solche Beleuchtung
sagen, vollkommen bei, nur Herrn v. R. muß
ich widersprechen, indem dieser Ausspruch auf das
Friedrichsche Bild gar keine Anwendung leiden kann.
Denn das Crucifix ist hier durchaus nicht beleuchtet;
es glänzt nur (als ein polirter Körper) in dem Purpur-Reflexe
des Abendroths. Was Herr v. R. bei dieser
Gelegenheit vom Prisma der Sonnenstrahlen spricht,
verstehe ich gar nicht, aber seine Meinung, daß Herr
Friedrich durchaus keine Strahlen in der Luft habe
sehen können, muß ich widerlegen, weil ich dies verstehe,
und Herr v. R. alle Abende, wenn die Luft
mit Dünsten angefüllt ist, eine ähnliche Wirkung in
der <65:> Natur wahrnehmen kann. Wäre von dem
Kritiker behauptet worden, daß Herr Friedrich seinen
Berg mit der Luft in harmonischere Verbindung hätte
bringen können, so würde ich ihm beipflichten; aber
es ist hart und ungegründet, wenn er sagt, daß die
Erdmasse einen blaubraunen höchst einfärbigen Ton
habe, und in schreiendem Contrast mit dem lichten
Himmel stehe. Daß Herr v. R. mit dem Künstler
darüber nicht streiten will, ob die rothen Streifen,
mit denen die Wolken besäumt sind, nicht in eine Gegend
ihrer Wölbung gehören, die im Zenith des Beschauers
stehet, darin müssen wir ihm völlig Recht geben, indem
er bei diesem Streite nur verlieren könnte, da die
Brechung des Lichts in den Dünsten allein diese Wirkung
hervorbringen kann, sie also im Zenith völlig unmöglich
ist.
Herr
v. Ramdohr läßt sich hierauf sehr mißbilligend darüber
aus, daß einige Maler, die sich erst in spätern Jahren
der Kunst ausschließend gewidmet haben, und den Mangel
einer frühern technischen Bildung fühlen, sich dadurch
zu helfen glauben, daß sie ihre Aufmerksamkeit verdoppeln,
die Natur so ängstlich als möglich zu copiren, dem
Beispiele des Albert Dürer und einiger andern ältern
Meister folgen, die jedes Haar im Barte, jede Faser
in der Pflanze mit sorgsamen Fleiße nachbilden, und
dadurch glauben, ihren Werken den eigentlichen National-Character
der Deutschen, biedere, treue und anspruchslose Wahrheit
aufzudrücken. Indeß meint er aber, daß diese Herren
vergessen, wie unser Zeitalter an den großen Styl
des Michael Angelo, Raphael in seiner spätern Zeit,
der Carrache gewöhnt, ein Bedürfniß dieses fehlerhaften
Luxus erhalten habe. Er bemerkt sehr richtig, daß
für das (wie er es zu nennen beliebt) nun freilich
einmal durch die Raphael, Michael Angelo und Carrache
höchst verdorbene und entwöhnte Zeitalter, schwerlich
Compositionen in dem Geschmacke Albrecht Dürers ausgeführt
werden dürften, von denen es die Neben-Idee der harten,
ängstlichen, steifen und geschmacklosen Nachäffung
trennen könnte. – „Bis dahin, (sagt Herr v. R.)
daß jene Herrn dies Wunder verrichten, will ich, der
ich das Unglück habe, um funfzig Jahre zu spät geboren
zu sein, um statt der Bildung, die ich durch die classischen
Werke der Alten und Neuen erhalten, durch die Werke
aus der ersten Kindheit der Kunst zum Gefühl des Schönen
angezogen zu sein, ich sage, ich will wenigstens unterdessen
vor den Abwegen warnen, welche das ängstliche Bestreben,
die Natur fein zu copiren, so leicht herbeiführen
kann.“
Herr
v. R. macht nun weiter Ausfälle gegen die Historienmaler,
die sich Jahre lang Modelle sitzen lassen, und in
Ermangelung dieser, sich bald von dieser Person eine
Hand, von jener ein Haar, zusammen betteln, oder gar
zum Gliedermann, oder zu Modellen von Thon und Wachs,
ihre Zuflucht nehmen, und statt die Natur darzustellen,
die abentheuerlichste Alfanzerei hervorbringen.
Auf
wen eigentlich dieser Ausfall gerichtet ist, weiß
ich nicht, und kann mir es auch, so sehr ich mir schmeichle,
mit dem Streben der jetzt lebenden deutschen Künstler
bekannt zu sein, nicht einmal denken. Den französischen
Malern wurden <66:> in neuerer Zeit öfter ähnliche
Vorwürfe gemacht, aber was haben die mit dem Character
der Deutschen zu schaffen. Wie der Seitenhieb, der
beträchtlich über eine Kolumne einnimmt, hieher gehört,
weiß ich in der That nicht, so viel aber doch, daß
er keineswegs die Frage: läßt sich die angegebene
Naturscene malen, ohne die wesentlichen Vorzüge der
Landschaftsmalerei aufzuopfern? beantworten hilft.
Herr v. R. sucht zwar dadurch wieder einen
Übergang, oder vielmehr einen Sprung auf diese Art
von Malerei zu machen, daß er sagt, es sei das ängstliche
Copiren der einzelnen Gegenstände gerade dem Zwecke
am meisten entgegen; denn in der Landschaft biete
sich alles als Masse dar, und leide durchaus kein
anderes Detail als gerade nöthig sei die Masse zu
characterisiren. Da dieser Kunstrichter gleich anfangs
in seinem Aufsatze äussert, daß er keiner andern Meinung,
als der, der längst anerkannten großen Meister, des
Claude, Lorrain, des Poussin und Ruisdael zugethan
sei; so erlaube er mir, daß ich jetzt gerade diese
Männer zu Widerlegung seiner Behauptung anführe. Gewiß
hat nie ein Künstler mit zarterem Sinn die Natur in
ihren feinsten Nüancen aufgefaßt und wieder gegeben,
als Claude. Man könnte aus seinen Landschaften die
Botanik erlernen, so sind die Pflanzen und Blumen
in den Vorgründen ausgeführt. Aber komisch genug,
gerade diesem Künstler, der alles das Einzelne wie
das Ganze zur größten Vollendung ausbildete, macht
Herr v. R. in seinem Buche über Malerei
und Bildhauerei in Rom, \1\
den Vorwurf, daß die Form der Blätter seiner Bäume
nicht hinreichend bestimmt sei, obschon sein Baumschlag
sonst sehr viel Abwechselung habe. Auch muß ich bei
dieser Gelegenheit den kritischen Mann an das erinnern,
was er in seiner Charis \2\
zu vernehmen giebt. „Die Belustigung, welche die schönen
Künste dem wohlerzogenen Menschen zuführen
wollen, kann in Gemäßheit ihres Wesens, diesen gar
nicht anders zugeführt werden, als durch einen vollständigen
und richtigen Schein eines specifiken Körpers in der
Natur.“ Und in demselben Buche \3\
sagt er, „der Kohlkopf im Gemälde muß nicht blos ein
Kohlkopf überhaupt, allenfalls mit besondern Merkmalen
einer guten Vegetation dargestellt sein; sondern der
Kohlkopf, den ich in diesem oder jenem Garten, in
dieser oder jener Reihe, gerade so neben andern Gewächsen
und Gegenständen gesehen zu haben glaube.“ Es sollte
mir ein leichtes sein, aus Herrn v. R. eigenen
Schriften, ein paar Dutzend Stellen für, und eben
so viel gegen das, was er über das Vollenden des Einzelnen
und die Nachahmung der Natur von sich hören läßt,
anzuführen. Ich begnüge mich aber, ihn mit diesen
wenigen auf seine Inconsequenz aufmerksam zu machen.
Indem sich der Kunstrichter darüber ereifert, daß
sich die Künstler jetzt gar zu sehr an die Natur halten,
erklärt er es für eine Unmöglichkeit, größere Gegenstände
der Natur selbst nachzubilden. Herr v. R.
vergißt, oder weiß es gar nicht, daß die Künstler
gewöhnlich einzelne Gegenstände der Natur zu ihren
Studien benutzen, und indem sie an ihnen ihren Sinn
für Wahrheit, Characteristik und Individualität ausbilden,
und ihre Hand üben, das Beobachtete wieder zu geben,
dasselbe ihrem Ge- <67:> dächtniß einzuprägen
trachten, daß sie also nicht nöthig haben, ein ganzes
Bild nach der Natur zu malen, was ja auch dem Zwecke
der Kunst entgegen sein würde. Diejenigen Menschen,
denen es durchaus an Phantasie gebricht, können sich
freilich nie eine Idee von dieser freien Schöpfungskraft
machen. Es bleibt ihnen ewig unbegreiflich, wie andere
aus eigener Fülle und Kraft hervorzubringen vermögen,
sie müssen daher auch die Kunst immer nur für das
halten, was ihr Wissen ist, für loses, thörichtes
Flickwerk. Daß aber nun Herr v. R., der
Verfasser dreier Bände, über Liebe, moralischer Erzählungen,
und so vieler Schriften über die Kunst, dieses Geheimniß
der Kunst-Production nicht kennt, wird vielen unglaublich
scheinen. Allein, er behauptet schon früher, daß Herr Fr.
den Gegenstand, den er zu seinem Bilde wählte, in
der Natur gesehen haben müsse, und nun sagt er vollends,
da er dieser nicht habe habhaft werden können, um
ihr alles getreu nachzubilden, so habe er sich mit
einem Modell von Thon oder Wachs beholfen, worin er
Tannen und Fohrenreiser gesteckt, und statt der Felsen
Granitkiesel und Moos eingedrückt habe. Diese Masse
hätte er nun mit einem Lichte von hinten beleuchtet,
sich davor gesetzt und fleißig danach portraitirt.
Ich will das Hämische nicht rügen, welches in dieser
Behauptung liegt, ich will der Unwahrheit nicht dadurch
begegnen, daß ich sage, ich habe das Bild entstehen
sehen; daß das Werk das ganze Publicum ansprach, widerlegt
die Behauptung von selbst. Was nicht aus dem Herzen
kommt, kann nicht zum Herzen dringen, alles was der
bloße Verstand mit Mühe und Sorgfalt zusammensetzen
kann, wird uns immer fühllos und kalt lassen.
Das
Wachs scheint übrigens zur fixen Idee bei diesem Kritiker
geworden zu sein, und es ist ein Unglück, daß er es
nie aus dem Kopfe bekommen kann, wenn er über Kunst
Gericht hält. So sagt er zum Beispiel in seinem Buche
über Malerei und Bildhauerei in Rom \4\
von Michael Angelo: „ In seinem Colorit, im Helldunkeln,
scheint er sich gefärbte Wachsbilder zum Vorbilde
genommen zu haben, die ein Ungefähr vereinigt hat,“
und in demselben Buche von Raphael: \5\
„Er scheint inzwischen nach kleinen Modellen von Thon
oder Wachs gearbeitet zu haben, die er der Perspective
und der Anordnung wegen zusammen stellte. Wenn diese
von ungefähr eine glückliche Abwechselung von Licht
und Schatten hervorbrachten, so trug er sie getreu
in sein Gemälde über.“ Kurz, mit seinem Wachse sucht
er jedem etwas anzukleben.
Die
zweite Frage des Herrn v. R. heißt: Ist
es ein glücklicher Gedanke, die Landschaft zu einer
bestimmten religiösen Idee, oder auch nur zu Erweckung
der Andacht zu gebrauchen?
Er
sagt bei dieser Gelegenheit, daß man schon lange Zeit
davon gesprochen habe, die Landschaft könne noch idealisirt
werden, und daß hier noch viel für den modernen Künstler
zu thun sei. Er beehrt dieses mit seinem Beifall,
nur, fügt er hinzu, <68:> müsse er, wenn er
sich eine Stimme dabei anmaßen dürfte, drei kleine
Bedingungen machen. Die erste davon wäre, daß dieses
Idealisiren nur solchen Künstlern erlaubt würde, welche
den mechanischen Theil der Kunst völlig inne haben.
Zweitens, sei es nöthig, daß er mit dem Künstler über
den Begriff des Idealisirens erst eins werde, und
dann drittens müsse er sich ganz gehorsamst verbitten,
daß es nicht auf dem Wege des Allegorisirens geschehe,
den Herr Fr. eingeschlagen habe. Zuerst bemerke
ich, daß der Kritiker zwischen Allegorisiren und aus
Idee dichten, eine bestimmte Idee oder Empfindung
mit einem Bilde ausdrücken, nicht gehörig unterscheidet,
und indem er gegen Allegorie zu sprechen glaubt, sich
gegen die Bedeutung, gegen den Sinn auflehnt, also
Unsinn in der Kunst zu verlangen scheint. Wir haben
dagegen nichts einzuwenden, nur bitten wir, daß uns
derselbe nicht aufgetischt werde, besonders, da nach
Herrn v. R. Meinung, die nachbildenden Künste
bei dem Eindruck, den sie hervorbringen wollen, hauptsächlich
auf die Associazion der Ideen rechnen, welche die
dargestellten Gegenstände erwecken, sie also auch
unsinnige Ideen in uns hervorbringen müßt. Aus
dieser Ansicht ließe sichs denn auch erklären, was
mir anfangs unbegreiflich war, daß ein einziges Bild
so viel Unsinn und Narrheit in der Welt verbreiten
könnte, daß der Geschmack und das Zeitalter darin
untergehen müßten.
Was
mich betrifft, so finde ich in Herrn Fr. Bilde
keine eigentliche Allegorie, die nur eine Sache oder
Eigenschaft anzudeuten, fremde Gegenstände borgt,
welche dieselbe nur bezeichnen sollen. Doch ich stelle
das Bild nochmals vor die Augen des Publicums. Hoch
auf dem Gipfel eines Felsen stehet das Kreuz, umschlungen
von immer grünenden Epheu, und von immer grünen Tannen
umgeben, strahlend sinkt die Sonne nieder, und im
Glanze des Abendroths leuchtet der Heiland am Kreuze.
Wohl fühle ich, daß der Künstler eine Idee mit dieser
Darstellung verband, und sie wird mir klarer, deutlicher
und bedeutender, jemehr ich mich der Betrachtung seines
Bildes hingebe. Ist hier aber Allegorie, so hat es
auch die Natur an sich, daß sie stets allgorisirt,
und die Frage, ob es möglich sei, mit einer Landschaft
eine bestimmte Idee oder Empfindung ausdrücken zu
können, wäre denn dadurch schon beantwortet. Character
würde Herr v. R. wohl schwerlich in Herrn Fr.
Landschaft vermißt haben, wenn er, wie er selbst sagt,
nicht blos drei Arten desselben kennte, „nemlich den
schnell anstrengenden feierlichen, den allmählich
dehnenden, zärtlichen, – und den zum hüpfen einladenden,
muntern.“ Es ist keinesweges meine Absicht, durch
Aufsuchung anderer Arten desselben, den aufzufinden,
welcher Herrn Fr. Bilde eigenthümlich ist; aber
eine vierte Art drängt sich mir bei Durchlesung dieser
Kritik gar zu gewaltig auf. Das ist der ganz gedehnte,
Gähnen und Schlafsucht erregende Character.
Wer
es für unmöglich hält, mit der Landschaft Ideen und
Empfindungen auszudrücken, und glaubt, daß zu dem
Zwecke das angewöhnte Verhältniß der Gegenstände in
ein ungewöhnliches verwandelt werden müsse, der kann
wohl niemals von <69:> der Natur gerührt gewesen
sein. Denn sind es nicht Gestalten, Formen, Bilder,
Farben und Einwirkungen des Lichts, wodurch die Natur
zu unserm Gemüthe spricht, sind es nicht dieselben
Formen, Bilder und Farben, worein sich unsere Phantasie
kleidet, wenn sie heraus in die Aussenwelt treten
will? Wer aber nie mit der Natur in vertrautem Umgange
gelebt, sich nie den Anklängen hingegeben hat, mit
denen sie unser Gemüth erfreulich anspricht, dem wird
ihre Sprache stets fremd und unverständlich bleiben,
für den sollte man freilich, um mich des Ausdrucks
unsers Kritikers zu bedienen, die Bäume mit Backwerk
belauben, um ihm Interesse und Geschmack für ihre
Erscheinung abzugewinnen. Wem aber dieser Sinn für
das Hohe und Bedeutende in der Natur abgeht, der wird
auch nie in den Geist und das Wesen der Kunst eindringen
und ihre Natur und Bedeutung ergründen können, der
mag es denn auch als Profanation der Kirche ansehen,
wenn ein Poussin in dem Tempel St. Martino al
Monti in Rom, die großen erhabenen und rührenden Eindrücke
in Bildern wieder giebt, die er vorher in der Natur
erhalten hat, der mag wie Herr v. R. ausrufen:
„In der That, es ist eine wahre Anmaßung, wenn sich
die Landschaftsmalerei in Kirchen schleichen und auf
Altäre kriechen will.“
Die
dritte Frage: Ist es der Würde der Kunst und des
wahrhaft frommen Menschen angemessen, durch solche
Mittel, wie Herr Fr. angewandt, zur Devotion
einzuladen? beantwortet Herr v. R. eigentlich
eben so wenig oder noch weniger, als die vorhergehenden.
Er spricht bei dieser Gelegenheit vorzüglich von dem
Rahmen der das Gemälde umgiebt, und dadurch im Zusammenhange
mit demselben stehet, daß Herr Fr. durch Symbole
auf die Gedächtnißfeier dessen hindeutete, der sein
Leben für unser Wohl dahin gab, und der in dem Gemälde
am Kreuze erscheint. Da die Bilder, deren sich der
Künstler hiezu bediente, so klar und deutlich und
jedem Christen bekannt sind, so sollte Herr v. R.,
der selbst die in seinem öfter angeführten Werke,
über Malerei und Bildhauerei in Rom \6\
aufgeworfene Frage, wie weit der Künstler mit seinen
allegorischen Bezeichnungen gehen dürfe? mit der Antwort
abfindet: „So weit als er allen Menschen, die zu dem
Genusse der schönen Künste berechtigt sind, verständlich
zu bleiben glauben darf,“ als devoter, zum Genusse
der schönen Künste berechtigter Mensch und Christ
nichts dagegen einzuwenden haben. Dessen ungeachtet
nimmt der Kritiker an diesem Rahmen einen dreifachen
Anstoß; erstens darum, weil er ihn für einen integrirenden
Theil des Bildes hält, ohne den (ihm wenigstens) die
Allegorie desselben unverständlich bleiben würde,
zweitens, weil Herr Fr. demjenigen Bedeutung
und Interesse zu geben suchte, was nur dazu dienen
soll, das Bild zu begränzen und einzuschließen, und
drittens und hauptsächlich deswegen, weil er, wenn
er die Emblemik des Rahmens mit der Allegorie des
Bildes zusammensetzt, und die Tendenz des Ganzen erwägt,
den Einfluß nicht verkennen kann, den ein jetzt herrschendes
System auf die <70:> Composition des Künstlers
gehabt hat, nemlich jener Mysticismus, von dem Herr v. R.
bemerkt, daß er sich überall einschleiche, aus der
Kunst wie aus der Wissenschaft, aus der Philosophie
wie aus der Religion gleich einem narkotischen Dunste
entgegen wittere, und ihn für die Folgen der
gegenwärtigen Zeit zittern mache, weshalb er an diejenige
erinnere, welche gegen das Ende der römischen Monarchie
den Verfall der wahren Gelehrsamkeit und des Geschmacks
herbeiführte.
Wenn
es eine Eigenschaft aller Menschen von wahrer Genialität
und von schnell ergreifendem durchdringenden Verstande
ist, daß sie sich leicht in die Ideen und Ansichten
Anderer zu finden wissen, daß sie alles Neue für eignen
Gewinn, für Bereicherung ihres Wissens und ihrer Umsicht
betrachten, da sie sich bei allen Erscheinungen mehr
an das Positive, an das Schöne und Eigenthümliche
halten; daß sie leicht über das Mangelnde und Fehlerhafte
wegsehen, und bescheiden von sich und ihren Talenten
denken: so scheint es dagegen den Leuten, die als
das vollkommne Gegentheil von diesen betrachtet werden
können, eigen zu sein, daß sie jede Äusserung einer
andern Meinung als die ihrige ist, für eine Beeinträchtigung
ihres Wesens, für einen Eingriff in ihr Eigenthum
betrachten, besonders wenn sie sich einmal mit Speculation
befaßt, und Theorieen aufgestellt oder compilirt,
und dadurch andern einen Weg vorgezeichnet und gangbar
gemacht zu haben glauben. Wehe dem, der dann keine
Rücksicht darauf nimmt, davon abweicht, und ihnen
seinen Zoll nicht entrichtet.
Werfen
wir nun im Allgemeinen einen Blick auf die Kritik
des Herrn v. R., auf den urbanen, höflichen
Ton, auf die Würdigung des Talents mit der er beginnt
und zu bestechen sucht, auf die Anmaßung und Prätension,
mit der er seine Sätze aufstellt, auf die Sophisterei,
mit der er sie aus einander setzt, auf das Bild anwendet,
und womit er am Ende dem Künstler alles und jedes
Verdienst abspricht; ferner auf die Nichtigkeit seiner
Behauptungen, die Inconsequenz, womit er zum Beispiel
die Künstler auf die Nachahmung des Raphael, Michel
Angelo und der Carrache hinweist, nachdem er kurz
zuvor gezeigt hat, wie unmöglich es sei, die frühern
Meister nachzuahmen, weil sich in ihren Werken der
eigenthümliche Character und Geist ihres Zeitalters
ausgedrückt habe, wie die Nachahmung derselben in
unsern Tagen nur geistlose Nachäfferei sein würde,
ferner die Feindseligkeit, mit der er den Bestrebungen
neuerer Künstler begegnet, in deren Werken sich das
Eigenthümliche ihrer Zeit, die höhern Ansichten der
Natur und der Wissenschaft zu entwickeln und zu bilden
anfangen, und wie er, der Vielgereiste, ohne eine
Ahndung von dem beständigen Wechsel der Dinge zu haben,
bei diesen Erstlingen gleich vom Untergang des guten
Geschmacks, von Nacht und Barbarei spricht: so wird
es wohl leicht sein zu bestimmen, zu welcher Art der
oben bezeichneten Geister dieser Kunstkritiker zu
rechnen sein möchte.
Ich
habe geflissentlich selbst nichts bestimmtes über
Herrn Friedrichs Arbeiten aussprechen wollen, weil
ich glaube, dies gänzlich dem Publicum und der Zeit
über- <71:> lassen zu müssen. Aber ich finde
es, um mit Arndt zu sprechen, menschlicher, in dem
Höchsten und Tiefsten zu irren, als sich nie von dem
falschen Boden elender Sicherheit versteigen; daher
muß uns jedes eigenthümliche Streben eines Mannes
von Talent und Kraft achtenswerth und interessant
sein, indem es uns selbst eine neue Ansicht von der
Kunst giebt; wir müssen ihn, wenn er es nur treu und
ernsthaft meint, auch in seinen erhabenen Irrthümern
ehren, weil er sich selbst opfert, und sich dem Tadel
der nüchternen, polirten, untadelhaften Gewöhnlichkeit
Preis giebt, für eine Sache, die allen freien Naturen
etwas mehr gilt als bloße Belustigung, und welche
die heiligsten Gedanken des menschlichen Geschlechts,
der Mit- und Nachwelt zu offenbaren, bestimmt ist.
Ob im vorliegenden Falle wirklich geirrt worden sei,
darüber läßt sich nach gewissen auf Treue und Glauben
an Andre hingenommenen, oder aus eigenen engen Begriffen
hervorgegangenen Regeln und Theorieen nicht absprechen.
Gegen etwanige Nachahmer eines solchen Talents, würde
ich mir inzwischen schon eine bestimmteres Urtheil
erlauben. Auf welche Kraft sich übrigens der Übermuth
des Herrn v. R., den Geschmack seines Zeitalters
leiten und lenken, in seinem Fortschreiten oder Verfall
aufhalten zu wollen, eigentlich stütze, das will ich
nicht blos mit der Widerlegung dieser Kritik gezeigt
haben, sondern dem Publicum noch ein Pot-pourri aus
dessen gesammten Schriften über die Kunst hinzufügen,
wordurch es, wie ich hoffe, selbst in Stand gesetzt
werden soll, hierüber zu urtheilen.
Dresden,
den 21. Febr. 1809.
Ferdinand Hartmann.
\1\
Th. 2. S. 74.
\2\8. Cap. 7. Buch.
\3\ 8tes
Buch 9tes Cap.
\4\ Th. 1, pag.
179.
\5\ Th. 1. pag.
128.
\6\ 3ter
Th. Seite 218.