XIX. Über Kunstausstellungen
und Kunstkritik.
Bei Gelegenheit
dessen, was Herr Kammerherr von Ramdohr über ein zum
Altarblatte bestimmtes Landschaftsgemälde von Herrn
Friedrich, und über Landschaftsmalerei, Allegorie
und Mysticismus in No. 12. 13. 14. und 15. der Zeitung
für die elegante Welt hat einrücken lassen.
Derjenige Weg, auf dem
sich der Mann von Geschmack, der Beschützer, der Führer
des Talents, um die Ausbildung des Künstlers am meisten
verdient machen kann, ist, wie ich glaube, der, daß
er den Geist der Originalität in ihm bewahre.
Basilius von Ramdohr,
über Malerei und Bildhauerei in Rom, 3. Theil, S. 143.
Seit den frühsten
Zeiten haben sich die Künstler der öffentlichen Ausstellungen
bedient, ihre Werke dem Publicum bekannt zu machen.
Indem der Künstler das Schönste und Herrlichste, was
er von seinem Genius empfieng und sein sorgsamer Fleiß
getreulich pflegte, dem Publicum vorzeigt, reizt er
auch in diesem Einbildungskraft, Gefühl und die besten
Kräfte der Seele überhaupt zur Thätigkeit auf. Die
verschiedenen Ansichten und Bemerkungen der ungleichartigen
Betrachter geben zu Auseinandersetzung und Berichtigung
der Urtheile Anlaß, und führen von den Kunstwerken
zur Kunst über. Der Gesichtskreis des Künstlers und
des Publicums wird im Allgemeinen erweitert, nebenbei
auch der erstere auf die Mängel seiner ausgestellten
Arbeit aufmerksam gemacht, und ist er nun (durch Leitung
oder Hang) einseitig geworden, hierdurch am sichersten
zu der Vollständigkeit zurückgeführt, deren er fähig
ist. Ohne daß daher der eine oder der andere Theil
bestimmt die Rolle des Lehrenden oder Lernenden übernimmt,
bilden sich beide: Künstler und Publicum, durch diese
wechselseitige Mittheilung immer mehr aus. Der Sinn
des letztern wird durch die Betrachtung verschiedener
Kunstwerke und abstechender Bestrebungen immer mehr
erweckt, für Schönheit, Harmonie und Übereinstimmung
regsamer, sein Geist für höhere Ideen empfänglicher
gemacht. Der erstre dagegen gewinnt an Umsicht, an
Geschmack und Urtheil; kurz, der aus dieser gegenseitigen
Reibung sich erzeugende Funke, entzündet, erwärmt
und erleuchtet beide.
Bei
der immer entschiedneren Unfruchtbarkeit in Hervorbringung
ausgezeichneter Kunstwerke und der vorzüglichsten
Ursache hievon, der Abnahme an Liebe und Interesse
für die Kunst, haben in neuerer Zeit mehrere Freunde
des Schönen sich bemüht, durch geistige Abspiegelung
oder Beschreibung der einzelnen hie und da erschienenen
Kunstproducte, den Genuß derselben allgemeiner und
die im Verborgenen lebenden Talente bekannter zu machen.
Sie fügten ihren Beschreibungen, Urtheile und Untersuchungen
über das Schöne bei, und suchten so nach ihren Kräften
auf den Geschmack zu wirken, und Achtung und Liebe
für die Kunst immer mehr zu verbrei- <58:> ten.
Diese Art der Mittheilung hat nun freilich das Unvollkommene,
daß sie keinen Einwurf gestattet, auch verfällt sie
oft unvermerkt in den bestimmten Ton des Tadels und
des Lehrens. Jedoch zuweilen wurde das glückliche
Auskunftsmittel gewählt, die Beurtheiler mehr als
Organ des Publicums erscheinen zu lassen, vor dessen
Augen das Kunstwerk ausgestellt worden war, so daß
nur die verschiedenen Bemerkungen und Urtheile dieses
Publicums unter Einen Gesichtspunct gebracht zu sein
schienen. Allein die bescheidenen Beförderer des Schönen,
welche schonend und zärtlich, wie ein so leicht verletzliches
Bestreben verdient, mit den ausgestellten Kunstwerken
verfuhren, verdrängte bald eine dritte Classe, die
sich ganz beherzt zu Lehrern der Künstler und des
Publicums aufwerfen zu müssen glaubte; Kunstkenner,
weil sie unbeschadet ihres academischen Brotstudiums,
der schönen Kunst und demjenigen, was sie unter
dem Worte Ästhetik verstehen, nebenher ein halbes
Ohr geliehen, und so viel Zeichnen und Malen gelernt
haben, als in jetziger Zeit die gute Erziehung nicht
füglich entbehren kann; Männer, von angebornem Geschmack,
die späterhin auf ihren Reisen neben den Zucht- und
Arbeitshäusern und andern gemeinnützigen Anstalten,
einige Bildergallerien besucht, und nun deshalb selbst
lebendige Exemplare des ineinandergeschobenen und
geflochtenen Schönen und Guten abzugeben, sich geeignet
finden. Diese handfesten Herren trauen sich alle mögliche
Erfordernisse zur Beurtheilung des Schönen zu; sie
hören nicht mehr auf die Stimme des unwissenden Publicums;
das Sprichwort, daß diese Stimme die göttliche sei,
taugt durchaus nicht in ihren Kram. Mit Beweisen ihrer
Ansprüche auf den Lehrstuhl meinen sie sich nicht
erst abgeben zu dürfen. Das Publicum konnte freilich
die Anmaßung dieser Herren hingehen lassen, weil sie
ihm weiter nicht damit zu nahe traten. Destomehr haben
sich aber die Künstler darüber aufgehalten, wenn ihnen
auf diese Weise ein geistiges Vermögen nach dem andern
mit der Feder weggestrichen, und noch im Vorbeigehen
als Kleinigkeit bemerkt wurde, daß sie weder zu zeichnen
noch zu malen wüßten, von Perspective, Optik und Haltung
nicht das mindeste verständen u. s. w.
Man
pflegte den Künstlern, die sich gegen solche Gewaltthätigkeiten
auflehnten, immer zu antworten: der Gelehrte müsse
sichs ja auch gefallen lassen, daß man öffentlich
über sein Werk urtheile, daß man die schwachen Seiten
desselben aufdecke, zerlege, und ihn darüber zurecht
weise. Aber indem man eine solche Sprache führte,
übersah man den bedeutenden Unterschied, daß der Gelehrte
immer von den Gelehrten, der Künstler aber nie von
Künstlern öffentlich beurtheilt wird. Denn das Bißchen
Malen, worauf sich diese Kunstkritiker bei ihren Urtheilen
so viel zu gut thun, kann ihnen nur Vorurtheile einflößen,
und ist allenfalls zu betrachten, wie es der Kirchenvater
Tertullian bei einem seiner Zeitgenossen, dem Hermogenes,
betrachtete, von dem er sagt, daß er bei seinen übrigen
Lastern, auch das des Malens an sich habe.
\1\ <59:>
Bei
einem Gedichte oder einem wissenschaftlichen Werke,
wo die Darstellung durch Worte bewirkt wird, kann
die Idee und der Plan des Ganzen weit besser aufgefaßt
und mit Worten wiedergegeben werden, als bei einem
Werke der bildenden Kunst. Wo alles auf dem bildlichen,
auf dem Sinneneindruck beruht, da kommt alles auf
das Beschauen an. Läßt sich der Recensent eines poetischen
oder wissenschaftlichen Werkes, weiter auf Sprache,
Rhythmus, Styl, Ausdruck u. s. w. ein, so
kann er alle seine Behauptungen dem Leser beweisen,
wenn er sie mit Stellen aus dem Werke selbst belegt.
Alles dieses fällt aber bei der Beurtheilung eines
Gemäldes oder einer Statue weg. Noch mehr, das Werk
des Gelehrten kommt mit der Beurtheilung zugleich,
ja noch früher in die Hände des Publicums, und jeder
Leser wird in den Stand gesetzt, selbst über den Gehalt
der Schrift, und das Wahre und Treffende ihrer Recension,
zu entscheiden. Daher sollte dem Beurtheiler schöner
Kunstwerke Wahrheit, Behutsamkeit und Bescheidenheit
zur zwiefachen Pflicht werden.
Es
ist keineswegs meine Absicht, mich im Allgemeinen
gegen alle öffentliche Beurtheilungen von Kunstwerken
auflehnen zu wollen, ich glaube vielmehr, daß sie
von großem Nutzen für die Künstler und das Publicum
sein können, nur muß der Beurtheiler selbst von der
Idee des Schönen lebhaft ergriffen sein, und sein
Streben nach Erkenntniß der Wahrheit, dem endlichen
Zwecke alles Philosophirens beurkunden. Mag dann die
Kritik noch so einseitig sein, wenn der Beurtheiler
nur den Eindruck, den das Kunstwerk auf ihn macht,
rein und unverfälscht zurück giebt, hiermit seine
Bemerkungen, sein Lob, oder seinen Tadel verbindet,
oder auch zeigt, wie der Künstler seine Idee vollkommener
hätte ausdrücken können. Diese Art von Kritik wird
zwar nur einen Theil ihres Berufs erfüllen. Es kann
auch dadurch dem Einzelnen Unrecht geschehen, dennoch
aber ist auch sie im Stande zur allgemeinen Bildung
beizutragen, indem sie auf das Gefühl fürs Schöne
wirkt, und Ideen über die Kunst und ihr eigenthümliches
Wesen in Anregung bringt. Nur gegen jene Kunstkritiker
sei daher meine Rede gerichtet, die ohne Kunstsinn
und Geschmack, – ausser demjenigen, den sie
auf allen Wegen im Munde führen, dahin, als hinter
dem dunkelsten Sinne sich ihre Verworrenheit, wenn
sie bedrängt wird, zurückzieht, und den ich deshalb
ihren Mysticismus nennen möchte – ferner ohne
philosophische Liebenswürdigkeit und den leisen Scharfsinn,
welchen die Künste fordern, sich mit Anmaßung auf
dem Richterstuhl der Kunst setzen, und nach den plattesten
Regeln und Theorien, die nicht dem innern Wesen der
Kunst, sondern nur der Oberfläche verschiedener Kunstwerke
oberflächlich abgenommen wurden, Kunstwerke und Künstler
beurtheilen, diese Regeln gegen Künstler, wie Prokrustes
sein eisernes Bett gegen arme Fremdlinge gebrauchen,
alle ohne Unterschied hineinzwingen, denen, die zu
groß sind, Kopf oder Beine abhauen, den Kleinern alle
Glieder ausrenken, daß sie nur in ihren leeren Raum
mit hineinpassen sollen.
Die
nächste Veranlassung zu diesem Aufsatze ist das, was
kürzlich Herr von Ramdohr über ein zum Altarblatte
bestimmtes Landschaftsgemälde von Herrn Friedrich,
<60:> und über Landschaftsmalerei, Allegorie
und Mysticismus in No. 12. 13. 14. 15. der Zeitung
für die elegante Welt hat einrücken lassen.
Herr
von Ramdohr eröffnet seine Kritik damit, daß er sagt,
wie ungern er mit der Beurtheilung eines Werks von
der Hand eines lebenden Künstlers öffentlich hervortrete.
Ich glaube ihm dies sehr gern: so viel als sich die
verewigten Künstler von jeher von ihm haben gefallen
lassen müssen, werden die lebenden wohl schwerlich
so ruhig erdulden, – und die Art der Antikritiken
ist sehr mannichfaltig. Wenn dem Herrn v. R.
die schönen Künste (wie er Seite XI. in der Einleitung
zu seiner Charis sagt) „nach seiner Denkungsart, Lage
und Bestimmung in der Welt, immer nur als Nebensache
und Mittel zur Belustigung bleiben,“ so erlaube er
nun auch dem Künstler, daß er bei dem ernsten Worte,
was er gelegentlich über Kunstkritiken im Allgemeinen
zu sprechen für nöthig findet, sich nebenher an seinen
Ansichten und Urtheilen über Kunst belustige.
Das
Bild, das Herr Friedrich während der letztverflossenen
Weihnachtsfeiertage für einige Freunde und Kunstliebhaber
hier ausstellte, ist, wie Herr v. R. in
seiner Beurtheilung davon selbst sagt, die einzige
Arbeit, die er von Herrn Friedrich gesehen hat. Er
erkennt in ihm ein ungewöhnliches Talent, einen phantasiereichen,
gefühlvollen Künstler; er siehet, mit welcher zauberischen
Macht das Werk auf das ganze gebildete Publicum wirkt,
allein es ist, wie Herr v. R. sagt, nicht
nach den Grundsätzen verfertigt, die eine lange Erfahrung
erprobt und das Beispiel großer Meister geheiligt
hat. Er eröffnet eine neue, ihm wenigstens, bisher
unbekannt gebliebene Ansicht der Landschaftsmalerei.
Dies schon allein wäre hinreichend ihn zu veranlassen,
sich mit seinem ganzen Gewichte auf das Talent zu
werfen, um es zu ersticken. Ausserdem noch überzeugt
er sich aus diesem einzigen Bilde, daß die Tendenz,
die hier das Talent nimmt, dem guten Geschmacke gefährlich
wird; daß sie dem Wesen der Malerei ihre eigenthümlichen
Vorzüge raubt; daß sie mit dem Geiste in Verbindung
stehet, der, eine unglückliche Brut der gegenwärtigen
Zeit, in ihm das schauderhafte Vorgefühl der schnell
herannahenden Barbarei erweckt. Es wäre daher Kleinmüthigkeit
von ihm, dem Manne, welcher durch Darlegung seiner
Grundsätze, Kunst und Wissenschaft in ihrer fehlerhaften
Richtung aufhalten zu können glaubt, Kleinmüthigkeit
von ihm, der mit Abwerfung der Bande, die ihn vorher
an das Localnützliche hauptsächlich hefteten, der
Ausbreitung des Guten und Schönen überall in ihrem
grenzenlosen Gebiete den Rest seiner Tage gewidmet
hat, wenn er nicht öffentlich gegen ein solches Werk
auftreten wollte.
In
wiefern es möglich ist, aus einem einzigen Werke eines
Künstlers die Tendenz, die sein Talent nimmt, zu errathen;
in wiefern es möglich ist, daß diese dem guten Geschmack
im allgemeinen gefährlich werden, und gar noch allgemeine
Nacht und Barbarei herbeiführen könne, das bedarf
keiner Untersuchung, da die Nichtigkeit dieser Behauptung
am Tage liegt. Wohl werde ich aber im Allgemeinen
und im Ein- <61:> zelnen den Einwürfen, die
Herr v. R. Herrn Friedrich macht, zu begegnen
suchen, und dann nicht nur aus diesem, sondern aus
der Gesamtheit dessen, was Herr v. R. über
die Kunst zu schreiben für gut gefunden, die Frage
beantworten: ob gerade er zum Kunstrichter, zum Vertheidiger
des guten Geschmacks und zum Leiter und Lenker des
Zeitalters im Kunstfache berufen sein möchte?
Vorerst
vergönne man mir aber mit ein paar Worten von Herrn
Friedrich zu sagen, daß er weder ein Partheiführer,
noch irgend einer Parthei zugethan ist, daß er in
seiner Kunst ganz einzeln und isolirt da stehet, daß
erst seit kurzer Zeit das Publicum auf sein schönes
Streben, bei seiner Ausbildung blos dem Weg zu folgen,
den ihm sein Genius und die Natur zeigen, aufmerksam
wurde, daß er seit noch kürzerer Zeit erst Versuche
im Ölmalen gemacht hat, und daß dieses Bild das erste
war, das Herr Friedrich in dieser Art dem Publicum
zeigte. Alles dies sollte bei den vielen Verdiensten,
die Herrn Friedrichs Arbeiten nicht abgeleugnet werden
können, und die jedem unpartheiischen Beschauer einleuchten
müssen, Nachsicht gegen die Mängel, die aus der wenigen
Übung im Ölmalen entstanden sind, einflößen. Besonders
aber sollten wir diese Nachsicht von einem Manne fordern
können, der drei dicke Bände zu dem Endzweck geschrieben
hat,\2\ für die
Vorzüge eines Künstlers Verehrung, gegen dessen Fehler
Billigkeit einzuflößen. „Aber, wird mir Herr v. R.
einwenden, ich greife ja mehr den Geist, der aus dem
Bilde hervorleuchtet, als das Bild selbst an, ich
lehne mich vorzüglich dagegen auf, daß Herr Friedrich
einen neuen Weg in der Kunst einschlagen will, daß
er nicht dem Beispiele bekannter Meister der Claude
Lorrain, Poussin und Ruisdael, und dem was ich in
meinen Werken, besonders in meiner Charis über Landschaftsmalerei
gelehrt habe, gehörig gefolgt ist.“ Allein wenn Claude,
Poussin und Ruisdael sich eben so streng an ihre Vorgänger
gehalten hätten, so könnten sie unmöglich das geworden
sein, was sie sind; wenn ihnen auch das erforderliche
Zeitalter und die erforderliche Geduld vergönnt gewesen
wäre, um ihr Bildungsgeschäft von der etwas umständlichen
Charis des Herrn von Ramdohr zu lernen. Dieser geehrte
Dilettant sagt selbst einmal sehr schön und wahr\3\
„Ein sehr wichtiger Grund, warum unsere gegenwärtigen
Künstler ihren Vorgängern nicht mehr gleich kommen,
liegt darinn, daß sie ihre Nachfolger sind, und hätte
dieses Princip der Nachahmung von jeher in den Künsten
geherrscht, so wäre es wie in China immer beim Alten,
bei den ersten Versuchen geblieben, und jedes Talent,
jede geistige Kraft hätte in dem unbeweglichen Pfuhle
der Observanz vermodern und zu Grunde gehen müssen,
und nur die mechanischen Fähigkeiten hätten mit Noth
etwas mehr Raum gewonnen, sich auszubilden.“ Das ganze
Streben des Herrn v. R. als Kritiker scheint
aber auch vorzüglich dahin zu gehen, den Geist zum
Vortheil der mechanischen Fähigkeiten einzuspannen,
damit nur diese, in die er das Künstlerische der Kunst
zu setzen scheint, bei ihrer Ausbildung kein Hinderniß
finden. <62:>
Nachdem
er unter eigner Signatur eine Beschreibung des Friedrichschen
Bildes gegeben, verläßt er, mit einer Resignation,
die man seiner kunstrichterlichen Selbstgefälligkeit
hoch anrechnen sollte, seine Persönlichkeit: er läßt
den Autor des Bildes selbst sprechen, seine Absichten
darlegen und die Arbeit commentiren. Wie sehr diese
Entäusserung mißlingt, wird niemanden befremden: höchst
liebenswürdige, bewegliche und fromme Naturen gehören
dazu, um einen so reingesinnten Künstler sprechen,
vornehmlich öffentlich sprechen zu lassen, während
sie den Geist seines Strebens zu tadeln unternehmen.
Vor solchen dialectischen Wendungen müssen wir im
Namen des Geschmacks unsern Kunstrichter warnen: hier
müssen wir ihn zur Ordnung und in die Schranken
seiner Natur, zum Vortrag der Grundsätze und
zum Preisgeben der eignen Persönlichkeit zurückführen.
Vor allen Dingen muß man sich in der Schreibart selbst
mit Klarheit repräsentiren, bevor man sich zum Repräsentanten
Andrer aufwirft. Auch gehört nach unsern bürgerlichen
Begriffen eine Art von Auftrag dazu, um nicht
etwa in indirecter Rede, sondern völlig im Namen des
Andern zu reden, und sein Ich direct zu übernehmen.
Hier finden wir verletzt, was wir Urbanität und guten
Ton nennen möchten.
Das
Material dieser Auslegung betreffend, denn das Formale
verdient eine weitere Kritik nicht, fehlt er darin,
daß er den dargestellten Abend für einen Morgen ansah,
was ihn natürlich zu einer ganz falschen Erklärung
des Bildes verführen mußte. Der Kritiker rügt zwar
als einen Fehler des Bildes, daß die Tagszeit zweifelhaft
geblieben sei, er erkennt aber an einem silbernen
Sterne, der oben in dem vergoldeten Rahmen angebracht
ist, den Morgenstern, und macht daher das Bild bestimmt
zu einem Morgen. Wenn die Voraussetzung wahr ist,
so muß es auch der Schluß sein. Da aber Herr v. R.
das Unglück hat, öfter aus irrigen Voraussetzungen
Schlüsse zu ziehen, so halte ich es für Schuldigkeit,
ihm hier im Vorbeigehen zu sagen, daß der Stern, der
zu manchen Zeiten als Morgenstern am östlichen Himmel
glänzt, und der, der uns zu andern, am westlichen
als Abendstern leuchtet, ein und derselbe Stern ist,
und nur von der Zeit seiner Sichtbarkeit am Himmel,
Morgen- oder Abendstern genannt wird, daß dieser also
auch um so weniger dazu beitragen kann, die Tagszeit
zu bestimmen, da er sich einzeln auf einem Bilde vorgestellt,
durchaus von andern Sternen nicht unterscheiden läßt.
Daß Herr v. R. aus diesem Irrthum auf eine
andere, als die von dem Künstler damit verbunden gewesene,
Idee geleitet werden mußte, ist natürlich, inzwischen
spricht es gerade für den Ausdruck des Bildes, daß
Herr v. R. keine andere, als eine religiöse,
die wenigstens in Verwandtschaft mit der des Künstlers
steht, damit verbinden konnte. Da aber der Beurtheiler
seiner Erklärung hinzufügt: „habe ich weniger gesehen,
als ich sehen sollte, desto schlimmer für Herrn Friedrich,
warum hat er sich nicht deutlicher ausgedrückt, warum
rechnete er bei einem Gemälde, das so viele erbauen
soll, auf das Scharfgefühl einiger weniger Auserwählten,“
so muß ich ihm auch hier im Vorbeigehen sagen, daß
das Bild keineswegs für eine öffentliche Kirche, sondern
für die Hauscapelle einer der ausgezeich- <63:>
netsten gebildetsten und feinfühlendsten Frauen bestimmt
ist, auf deren Zartgefühl Herr Friedrich in der That
mit Zuversicht rechnen durfte.
Nachdem
unser Kritiker eine Beschreibung von dem Altarblatte
gegeben, und den Gegenstand desselben nach seiner
Weise gedeutet hat, stellt er folgende Fragen auf:
Läßt sich die angegebene Naturscene malen, ohne
die wesentlichen Vorzüge der Malerei, besonders der
Landschaftsmalerei, aufzuopfern? Ist es ein glücklicher
Gedanke, die Landschaftsmalerei zu Allegorisirung
einer bestimmten religiösen Idee, oder auch nur zu
Erweckung der Andacht zu gebrauchen? Endlich ist es
der Würde der Kunst und des wahrhaft frommen Menschen
angemessen, durch solche Mittel, wie Herr Friedrich
angewandt hat, zur Devotion einzuladen? Die Fragen
sind in der That an und für sich schon komisch genug,
aber noch komischer ist es, daß die Antworten nur
wenig oder gar nicht darauf passen wollen. Um die
erste Frage zu beseitigen, stellt Herr v. R.
ein paar Grundsätze auf, von denen er glaubt, daß
sie auch dem Laien einleuchten müssen. Es möchte wohl
sehr schwer sein, aus der Weitschweifigkeit und Unbestimmtheit,
womit dieselben dargelegt sind, den eigentlichen Grundsatz
dieser sogenannten Grundsätze heraus zu heben, und
ich würde in denselben Fehler der unnöthigen Weitläufigkeit
verfallen, wenn ich Herrns v. R. Worte hier
wiederholen und Untersuchungen darüber anstellen wollte;
ich halte mich daher nur an die Folgerungen, auf die
es bei ästhetischen Schriften, wie unsers Autors,
vielmehr ankommt, als auf die Grundsätze, die für
den gelehrigen Laien zu verworren, für den Künstler
und Philosophen zu breit und zu leer, und für die
leichteren Kinder der Welt zu langweilig vorgetragen
sind, um auch das Unbedeutendste zu begründen oder
festzusetzen. Wenn also Herr v. R. aus seinen
uns und aller Welt sehr gleichgültigen Grundsätzen
die Folgerung ziehet, daß nemlich eine Landschaft
durchaus mehrere Plane und Perspective zeigen müsse,
und daß einzelne Gegenstände, wie zum Beispiel eine
Baumgruppe, ein Fels, ein Haus, eine Wasserfläche
u. s. w. durchaus nicht für sie gehören,
so verdient er eine ihm angemeßne Antwort. Da er nemlich
ein entschiedener Freund von Autoritäten ist, so erlaube
er mir, daß ich ihn bei dieser Gelegenheit an die
schauerlichen Felsenklüfte des Salvator Rosa,
die tiefen Gründe und Mühlen von Everdingen,
die Seestücke von Bockhuisen, und an die vielen
einzelnen Ruinen, Baumgruppen und Waldpartien, die
Ruisdael und andere niederländische Meister
so oft darstellten, erinnere, und ihn frage, ob er
diese für keine Kunstwerke halte? – Wäre aber auch
sonst nie ein von Herrn v. R. sogenannter
einzelner Theil einer Landschaft von einem Künstler
zum Vorwurfe seiner Darstellung gebraucht worden,
warum sollte es darum dem Talente, das demselbigen
eine schöne interessante Seite abzugewinnen, ihm Bedeutung
zu geben, und ihn als ein für sich bestehendes Ganzes
darzustellen weiß, nicht erlaubt sein, ihn zum Gegenstand
seiner Kunst zu erwählen. Wenn daher der Recensent
den Gegenstand dieses Friedrichschen Gemäldes <64:>
darum verwirft, weil er nicht genug Mannichfaltigkeit
und Aussicht gewährt, so ist dies eine Folge der Beschränktheit
seiner Ansichten von der Landschaftsmalerei; wenn
er aber behauptet, daß Herr Friedrich alle Luftperspective
geflissentlicht verbannt und Finsterniß auf der Erde
verbreitet habe, so dürfen wir diesen Kritiker mit
der Blödigkeit seiner Augen um so eher entschuldigen,
da seine übrigen Schriften\4\
manche Belege von dieser Blödigkeit geben, er unter
andern auch von Raphael behauptet, daß er von Reflexen,
(ohne die doch keine Rundung möglich ist,) gar nichts
gewußt habe. Gern trete ich der Meinung des Recensenten
darin bei, daß Herr Friedrich die Einwirkung der Luft,
besonders an den Umrissen des Berges, mehr hätte fühlen
lassen können, aber, daß sie ganz fehle, ist unwahr.
Dem Vorwurfe der Finsterniß widerspricht Herr v. R.
dadurch von selbst, daß er weiter unten, dem Künstler
zum Fehler anrechnet, jedes Reischen, jede Nadel an
den Tannen, und jeden Fleck in den Felsblöcken ausgedrückt
zu haben, was ja mit der Finsterniß ganz unverträglich
gewesen wäre. So widerspricht sich auch Herr v. R.
in der Behauptung, daß der Künstler keinen Standpunct
angenommen habe, noch habe annehmen können dadurch
von selbst, daß er früher (wiewohl ohne Grund) voraussetzt,
Herr Fr. müsse die Scene so in der Natur gesehen haben,
und komisch genug ist die Behauptung, daß der Verfertiger
des Bildes mehrere tausend Schritte entfernt, und
in gleicher Höhe mit dem Berge hätte stehen müssen,
um den Berg zugleich mit dem Himmel in dieser Ausdehnung
zu sehen. Könnte denn der Künstler nicht auch näher
auf einer andern Anhöhe, oder einem andern Felsen
sich befunden haben, von dem der Berg zugleich mit
dem Detail des Vorgrundes sichtbar gewesen wäre. Und
sollte es denn dem Künstler unerlaubt sein, sich das
in seiner Phantasie vorzustellen, und in einem Bilde
wieder zu geben, was unserm Fuß unzugänglich ist,
und was man der Natur zwar nicht geradezu ab-malen,
wovon man aber doch mathematisch beweisen kann, wie
es ganz der Natur gemäß gezeichnet und gemalt werden
müsse.
\1\
Tertull. contra Hermog. c. 1.
\2\ Über Malerei
und Bildhauerei in Rom, von Hrn. v. Ramdohr. Tom. 1. S. 1.
\3\ Über Malerei
und Bildhauerei in Rom, Tom. 3. S. 138.
\4\ S. sein Buch
über Malerei und Bildhauerei in Rom, Tom. 4.
S. 127. T. 3. S. 240. sagt er von einem
Basrelief des Algardi: die Figuren stehen jede am
rechten Orte; die malerische Gruppirung, die Linien
und Luft-Perspective sind gut angedeutet.
Emendationen:
bewahre]
hewahre D
Luftperspective]
Lustperspective D