Friedrich Gottlob
Wetzel, Der Wole Grab, 3-9; darin: Anmerkungen, 8-9
Anmerkungen.
Die Götter des Nordens
haben kein so absolutewiges Dasein, wie die griechischen.
Sie sind nur die höchsten Blüthen auf dem „Baum der
Erde;“ das große Weltjahr begränzt ihr Leben. Auf diesen
„Tag der Götter“ folgt „die Götternacht“, da die Welt
in jenen Zustand wiederkehrt, welchen die Griechen Chaos
nennen. Einer allein bleibt und ist unvergänglich:
„Allfadur“ <9:> (Allvater), aus Seiner Fülle sind
Götter, Menschen und Riesen hervorgegangen, und entschlummern
dereinst wieder in Ihm. Dem Ende aller Dinge geht ein
dreimaliger schrecklicher Winter voran, (für dessen
unausbleibliche Zukunft Natur und Erfahrung spricht.)
Darauf, um die „Abenddämmerung der Götter,“ wird „Loke“
(das böse Princip) aus seinen Banden frei, mit den „Feuerriesen“
(den Vulkanen) zieht er aus zum Kampfe mit den Göttern,
alle Geburten der alten Nacht erheben sich, das Reich
des Lichts zu zerstören. Aber, wenn die „Götternacht“
vorüber ist, dann schafft, am neuen Morgen, Allvater
Götter und Menschen aufs neue aus der Fülle seiner Herrlichkeit.
Der
Wole Grab ist am Nordpol. Sie ist der Genius der
Erde, die urerste Seherin. Der älteste und heiligste
Theil der Edda heißt von ihr „Voluspa“ (der Wole Gesicht
oder Offenbarung.) Er enthält prophetische Blicke über
das Schicksal der Welt, von ihrer Schöpfung bis zum
Untergang. Die Züge zu dem Lied: „Lang in alten Zaubers
Banden“ sind meist aus der Voluspa, also aus dem eignen
Munde der alten Prophetin. Viele Züge dieses nordischen
Requiem wird man überraschend ähnlich finden, mit dem
Bild, das andre heilige Schriften vom Ende der Welt
entwerfen.
Balder,
Odins Sohn, Königs der Götter, der schönste unter den
Himmlischen. Er hat manchen Zug mit dem griechischen
Apoll gemein. Ihm ist gesetzt, am frühesten zu fallen.
Höder, der Ewig-Blinde, erschlägt ihn unvorsätzlich,
gleich dem Schicksal, welches uns Augenlosen auch blind
erscheint. In Balders ewiger Jünglingsgestalt blüht
das erste goldne Alter der Welt, dessen längst verschwundene
Herrlichkeit die Poesie aller Völker, wie die Göttin
Freya ihres Gemahls Odurs Flucht mit „goldnen Thränen“
beweint. Einer uralten Weissagung zu Folge, kehren nach
dem Ende der Welt, Balder und Höder wieder, in ewiger
Eintracht herrschen dann beide im neuen Himmel und der
neuen Erde, vergessend dessen, was im Traum des alten
Lebens zwischen ihnen geschah, und mit ihnen hebt ein
neues Göttergeschlecht an. Ein schöner Blick in die
neue Welt, wo aller Streit verglichen, und alles Blut
versöhnt sein wird!
Die
Riesen sind die ewigen Feinde der Götter.
Walhalle,
Aufenthalt der gefallenen Helden.
Nebelheim,
der ewigen Nebel Heimath – der Pol.
Hela,
Todtenkönigin. In ihrem Reiche wohnen die Seelen derer,
die nicht im Kriege fielen.
Die
Zwerge sind die Menschen.
Wolf –
Drache, Symbole des bösen Princips.
Mimis,
ein uralter Prophet. Aus seinem Brunnen wird die Zukunft
vernommen. Auch bei den Griechen lebt manch Haupt des
alten Titanengeschlechts durch Weissagung, durch Kraft
des Wortes, in die neue Götterwelt hinüber.
Die
ewige Brücke, die vom Himmel zur Erde führt, im
Sommer Regenbogen genannt. Sie ist unverwüstlich,
nur (lautet die alte Weissagung) wenn die Söhne der
Feuerwelt dereinst sie betreten, wird sie brechen und
der Himmel erobert werden.
Heimdall ist der Wächter jener Himmelsbrücke.
Wenn die Feuerriesen zum Angriff heranziehn, dann wird
sein Heerhorn die Götter zum Kampfe blasen.
Mondverschlinger.
Sonnen- und Mondfinsternisse entstehen, wenn der Wolf –
Finsterniß und Nacht – diese Gestirne verschlingt.
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