VI. Philosophische
und kritische Miscellen.
Beilage zum Phöbus.
Einleitung.
A.–
Clavigo sagt, da ihm Carlos eine neue Liebschaft einreden
will: er halte nicht viel auf solche Vorschläge; ein
Roman, der nicht ganz von selbst komme, sei nicht im
Stande ihn einzunehmen. – Das ist mein Mann! wenn
werden doch Schriftsteller und Leser in Deutschland
so keusch und männlich von einander und von ihrer Liebschaft
denken. Dieses Kuppeln, diese Zwischenträgerei der Recensenten
und besonders – daß es zum Bedürfniß des Publikums
geworden, zeigt mir, wie sündhaft und unrein Literatur
und Geschmack in Deutschland sein müssen. Da ist mir
noch kein Leser vorgekommen, welcher sich gebührlich
geschämt hätte, irgend ein schönes Kind der Literatur
aus zweiter Hand zu kaufen. Als wenn sie herkömmlich
ein für allemal die erste Blüthe der Liebe den Recensenten
überlassen müßten, wie in gewissen Ländern die Edelleute
über die Bräute ihrer Unterthanen ein ähnliches Recht
haben – ja wahrhaftig! es giebt so entnervte Leser
in Deutschland, die an unmittelbaren Umgang mit den
Werken des Geistes nicht mehr denken, die sich Jahr
aus Jahr ein mit den Literaturzeitungen und – ihrer
Zuschauerrolle begnügen.
B.Wie
magst du, mein wohlerfahrner und doch so spekulativer
A., einstimmen, in den gemeinen Klaggesang über die
Zeit? der Zeitungsleser werden täglich mehr, meinst
du, der Agirenden weniger; und demnach, willst du fortfahren,
muß in unserm Kunstjournal, falls wir nur bestehen wollen,
nicht blos auf die Agirenden Rücksicht genommen, sondern
auch ein Stück Zeitung zum Besten gegeben werden. –
C.Ist
schlechterdings nothwendig, wie ich euch vom Anfang
gesagt: Heutzutage müssen die solidesten Kaufleute Mäklergeschäfte
nebenher treiben! der Markt von Europa ist groß, und
die Natur hat vornehmlich Deutschland zum Zwischenhandel
bestimmt. Sonach müßt ihr euch fügen! die paar Gold-
und Silberstoffe, welche ihr da aushängt, sind noch
nicht die Welt; das elegante Schild, welches ihr ausstellt,
haben die Vorübergehenden gratis; und eure Firma –
ich sage nichts: dankt Gott, daß ihr das Geld zur Entreprise
im Kasten habt. Besser thätet ihr, ihr behieltet es
darin.
B.Unterbrichst
du uns denn immer, lieber ökonomischer Rath! du bist
eine höchst wesentliche Person, umsichtig, thätig, und
was mehr sagen will, agil: du weißt am besten, welche
andre größere Rolle, wir, deines Genies eingedenk, dir
<33:> noch zugedacht, Noch aber widerstehst du
unserm A und seiner großmüthigen Natur. Laß mir, ich
bitte, die Zeit jenen Edlen zu besänftigen, und seine
heilige Wildheit zu zähmen.
C.Auch
ich habe einst recensirt – und so hat sein Gleichniß
vom Kuppeln mich persönlich angegriffen. Doch es thut
nichts, ich entäußre mich: ich will nichts sein als
Geist – Geist eurer Casse! wenn ich also in guter
Absicht die Recensenten mit den Mäklern vergliche –
A.Mäklern,
ich bin zufrieden! wer treibt denn dies Geschäft als
ein creditloser Anfänger und –
C.–
Und ein Banqueroutirer, willst du sagen. Du dauerst
mich, mein Kind, mein ironischer Kunstfreund, mit der
schwerfälligen Moral! so ein banquerouter Philosoph,
der mir nichts dir nichts seine Parthei ergreift, und
eine Literaturzeitung ankündigt, ist mir eine ehrwürdige
Person. Die Landesgesetze sind auch schwerfällige Wesen,
betragen sich mit unausstehlicher Prüderie gegen meine
Göttin, das Glück: aber daß sie mit einer gewissen liebenswürdigen
Gelassenheit den Concurs gestatten, das söhnt mich wieder
mit ihnen aus. Doch diese Ansichten begreifst du nicht;
also: Wo ein großer Markt ist, da sind Börsen, wo Börsen
sind, da sind nicht blos Kaufleute, sondern auch Mäkler.
Wollt ihr nun recht große Kaufleute sein, und euch einen
großen Markt bilden, so müßt ihr auch die Mäklergeschäfte
verstehn. Denkt doch an die Buchhändler! welche Autorität,
welchen Einfluß kann euch eine Handvoll Lob und Tadel,
klug ausgestreut, einbringen. Welcher Zulauf von allen
Seiten! wie gewürzig, wie piquant wird die Schüssel,
die ihr dem Publikum vorsetzt. Nicht blos um die Improvisatoren
und Marktschreier versammelt sich die Menge: auch eine
derbe Raufferei hat etwas anziehendes, zumal in unserm
Norden. Mischt von beiden, ich bitte euch! Die Corinna,
die doch gewiß singen kann, steigt, wenn ihre Stunde
gekommen, auch wieder herunter vom Capital, und kritisirt
Künste, Zeiten, und die Völker Europas. Kurz, damit
ihr selbst nicht Banquerout macht, und dann zur Mäkelei
eure Zuflucht nehmen müßt, so rathe ich euch: treibt
das Geschäft gleich von Hause aus. Geht das eine nicht,
so geht doch das andre: wills mit dem Kunstjournal nicht
fort, wird eine Literaturzeitung daraus. Und wahrlich
dazu ist der B. ein trefflicher Mann! wie man eine Hand
umdreht, macht er aus jeder Wissenschaft eine Kunst,
und treibt sie dergestalt alle ins Kunstjournal hinein,
und, so es die Umstände wollen, auch wieder in die Literaturzeitung
hinaus.
A.Nun
gut, ich füge mich. Baut euren Markt auf! schleppt philosophische,
kritische und Zeitungs-Waaren zusammen, so viel ihr
vermögt. Aber es werden Gränzen abgesteckt. In der einen
Hälfte dauert das alte ernsthafte Spiel fort; die andre
Hälfte des Phöbus, in der wir jetzt stehen, überlasse
ich euch, und ziehe mich zurück.