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Adam Müller, Fragmente über die dramatische Poesie und Kunst, 41-52; darin: V. Der monologische Naturfreund, 46-48

V. Der monologische Naturfreund.

Lassen Sie uns betrachten, wie der monologische Dichter mit seiner Geliebten, mit der Natur umzugehen pflegt. Dieser scheint freilich minder einseitig, weil er tausend einzelne Schönheiten im Reiche der Natur und Kunst sammelt, und aus ihnen sein s. g. Ideal der schönen Natur bildet: aber betrachten wir ihn näher, so werden wir inne werden, wie bald auch er geneigt ist, das was ihm einmal als schön vorgekommen ist, auf eine unkünstlerische Weise festzuhalten. Recht im Character eines orientalischen Despoten organisirt er die Welt um sich her nach einer Art von Faroritensystem: In der freien unendlich schönen Natur sucht er seine Lieblingsplätzchen aus: Tivoli, Vauclüse: nach Italien geht sein Streben; Lorbeern, Pinien müssen es seyn – die nordischen Tannen werden nicht mehr angesehn. Ferner hat er seine s. g. Lieblingsdichter; wer das monotone, einsylbige und doch so weichliche Herz nicht zu berühren vermag, der kann und soll gar kein Dichter seyn. Hiernächst hat er seine Lieblingshelden in der Geschichte; die allzu unbändigen und überschwenglichen, werden als Barbaren bei Seite gesetzt. Endlich hat er auch seine Lieblingsbeschäftigung und diese ist dann eben das Dichten, eben diese unglückliche monologische, sentimentale Liebe der Natur, die durch die Sprache ans Licht soll. – Auf Reisen, im Umgang mit den Lieblingsdichtern, wo der junge Poet seine Geliebte wie aus der Ferne anbetete, da ward die Liebe noch genährt von der einzigen Kost die ihr bereitet ist, von der Hoffnung der Gegenliebe – da ahndete ihr noch nicht daß sie dereinst die Wolke statt der Juno ergreifen würde. Nun soll der erhabene Umgang mit dem Ideal, oder der Muse, oder wie sie heissen mag, wirklich angehen; <47:> es soll mit ihr gesprochen werden und sie soll antworten, aber da will sich kein Wort in das andre fügen und eingreifen: wir haben doch ihr zu gefallen die ganze Welt verachtet, alles übrige ausser ihr rein vernichtet oder mit Ekelnamen bei Seite gesetzt als, z. B. rauhe, gefühllose Wirklichkeit, traurige Schranken des conventionellen oder Geschäfts-Lebens, elende Sorge um Brod und Familie. Trotz alle dem schweigt sie und gebehrdet sich bei unsern Versen zu ihrem Lobe, wie bei einem Monolog den wir an uns selbst hielten. So löst sich die monologische Leidenschaft zur Kunst endlich auf in dumpfe Hoffnungslosigkeit, in dieselbe an der monologischen Liebe dargestellte Selbstpeinigung, die sich anfänglich noch auszuschütten vermag in harmonischen Klagen über die entflohenen Ideale, endlich aber welkt und mit ihrem Eigner dahin stirbt. Ich brauche nicht die Namen der vielen jungen und hoffnungsvollen deutschen Dichter zu nennen, die auf diese Weise für die höhere Kunst verlohren gegangen. Bemerken wir nur für den gegenwärtigen Zweck, wie hauptsächlich die lyrische Poesie, in den ersten Tagen solcher unglücklichen Leidenschaft für die Muse, wo Hoffnung und Erinnerung noch rege sind, sich am willfährigsten zeigt, und die jungen, nachher (wie man das höhere von ihnen erwartete) ausgestorbenen Dichter, noch im Stande waren, uns mit sapphischen Oden wenigstens, mit Liedern, Elegien und dann neuerdings besonders mit Sonnetten zu bedienen. An dramatische Poesie dachten sie kaum. – Unsre großen Dichter selbst, unter ihnen vornehmlich Schiller, hatten auch in früheren Jahren eine ähnliche unglückliche Leidenschaft für die Muse, unglücklich nenne ich sie trotz dem reizenden und verführerischen Klange ihrer damaligen Klagen, aber wie bald ward sie bei Schiller von religiösem Streben nach dem Ideale verdrängt, und blieb blos als Erinnerung, als wohlthätiges Glied in der Bildungsgeschichte des Dichters zurück. Auch ihm kam es einst vor als seien die Ideale zerronnen: möge jedes große Talent solche Klage so würdig und schweigend zurücknehmen, als er es durch die Bildung seines Wallenstein gethan. Innrer, durch einzelnes Mißlingen nicht zu zerstörender Drang nach der dramatischen Poesie, wie Schillers, ist das sicherste Kennzeichen wahren poetischen Strebens. So viel von monologischer Liebe im Leben und in der Kunst. Wir können ihr nachrufen: sie solle das Leben nicht allzu ernsthaft nehmen, sie soll das schöne und gute, was sie in einzelnen Momenten ergriffen, nicht voreilig als einzig schönes und gutes ergreifen. Auch das Spiel verlange seine Rechte neben dem Ernst. – Jenen dialogischen Naturen hingegen, die aus leichtsinnigem Schwanken von einer Schönheit zur andern, aus raschem unstäten Genuß des Lebens und der Kunst, aus der Freude am Neuen und an den unendlichen Veränderungen der Welt ihren Beruf machen, die ohne festen Wohnsitz für ihr Herz, ohne Auszeichnung für irgend ein besonderes Schöne, jedem huldigen, was sie beschäftigt und allenthalben ihre Rechnung finden – diesen immer spielenden, gleichsam demokratischen Naturen, möchten wir wieder einen gewissen monarchischen Ernst empfehlen. Vielleicht finden sie sowohl, als die monologischen, sich mit allem, was ihnen werth ist, in verklärter Gestalt in der dramatischen Natur wieder. <48:>
Es könnte mir vorgeworfen werden, daß in der bisherigen Darstellung das monologische Interesse am Leben, am Drama und an einzelnen Personen, einer ganz besondern Aufmerksamkeit gewürdigt worden sei, das dialogische Interesse hingegen nur leicht und im Vorübergehn berührt. Indeß hängt der deutsche Character vornehmlich nach der monologischen Seite hinüber: geneigt, zu einförmigem Umgange mit sich selbst und nicht eben tief in der Treue, aber ängstlich und scrupulös darin, rechtfertigt er zu leicht eine ungesellige Härte seiner Natur, und sein ganzes monologisches Wesen mit dem Grundsatze der Beharrlichkeit. Die wahre höhere Treue schließt das ins unendliche fortgesetzte Aneignen aller Schönheit, alles neuen und wahren nicht aus: weil wir festhalten wollen, was wir einmal erworben, so werden wir deshalb warlich nicht aufgeben, immer neues zu erwerben.

Emendation:
an] au D


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Letzte Aktualisierung 28-Mär-2003
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