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Adam Müller, Fragmente über die dramatische Poesie und Kunst, 41-52; darin: I. Monologische, dialogische und dramatische Naturen, 41f.

V. Fragmente über die dramatische Poesie und Kunst.
I. Monologische, dialogische und dramatische Naturen.

Wir können für den Zweck, den wir uns vorgesetzt, die einzelnen menschlichen Gestalten, die das Leben, die Gesellschaft, die Geschäfte an uns vorüberführen, in drei große, leicht zu unterscheidende Classen abtheilen. Die Naturen der einen Gattung sind monolog; sie sprechen und lehren, ohne selbst wieder zu hören, oder ohne eigentlich eines Hörers zu bedürfen, die ganze Welt wird von ihnen abgehandelt, ohne je behandelt zu werden; wenn man den Spuren der gesellschaftlichen Langenweile nachgeht, wird man meistentheils als Veranlassung auf eine dogmatische Creatur der Art stoßen, die aus der fröhlichen, reichen, sonnigen Natur nichts weiter zu machen weiß, als einen Catheder für ihre finstre, einsame Weisheit. Um ihre Stirne spielt vergebens in tausend Farben die Poesie und alle Lebenslust: sie wissen von nichts als von weiß und schwarz, und nur wo etwa ihre Eitelkeit schmeichelnd ergriffen wird, meldet sich einiges Gehör bei ihnen: der schmeichelnde Widersprecher wird als Curiosität, als zu den sonderbaren Spielarten der Natur gehörig, abgefertigt, und der Faden der Behauptungen wieder angeknüpft ohne Ende. Die zweite Gattung möchte ich aus den dialogischen Naturen bilden: ein leichtblütigeres, lockeres Geschlecht: ohne ferneren Wunsch, die Welt weiter zu fördern, übt es sich, der Thorheit und der Weisheit gleich faßlich und mundrecht zu sprechen. Diesen vielfragenden, wißbegierigen Wesen ist jeder andre in seiner Art, wie sie sich auszudrücken pflegen, der wahre und rechte, wie sie denn auch den Triumph ihrer Umgänglichkeit und Beweglichkeit darin setzen, sich in die Welt zu schicken, und die Menschen zu nehmen, wie sie sind. Das allzuernste, allzubestimmte, besonders die recht characteristischen Exemplare der ersten Gattung mit ihren Behauptungen und Abhandlungen widerstehn ihnen, und sie haben eine Virtuosität darin, jene in sich selbst zu verwickeln oder sie inmitten des Vortrags im Stich zu lassen. In sich etwas entwickeln, sich durch die Einsamkeit zu erheben und auszuweiten für umfassende Geschäfte oder lang nachklingende Werke ist ihre Sache nicht: was der Augenblick erwirbt, muß der Augenblick verzehren; wie der Gedanke sich meldet, muß er gesagt werden und ergreifen. Daher ihre Geselligkeit, ihre Unschädlichkeit, ihre zierliche Unruhe, ihre Flüchtigkeit, ihre Entzündbarkeit; daher die Gemeinsprüche meistentheils von ihrer Seite herklingen: alles in der Welt ist relativ, jede Sache hat zwei Seiten, es kommt auf den Standpunct an, aus dem man die Dinge betrachtet.
Über diesen beiden Gattungen, in ihrer Mitte, oder wie wir wollen, erhebt sich eine dritte, seltene und unvergleichliche: möge sie einstweilen die dramatische heißen. Gleich weit entfernt von der Versteinerung der monologischen, und von der Zerschmolzenheit der dialogischen Naturen, dennoch fester als Stein, flüssiger und <42:> beweglicher als Wasser: der Einsamkeit der ersteren und der Vielsamkeit der letzteren auf gleiche Weise abgeneigt und dennoch allein, eigenthümlich zugleich, und durch das ganze Reich des Lebendigen verbreitet, allgegenwärtig möchte ich sagen, wenn ich des Shakespear gedenke – so stehn und wandeln sie weder blos außer aller Zeit, und abstrahirend von aller Zeit wie jene Prediger in der Wüste, noch bloß in ihrer Zeit, wie die in der zweiten Gattung beschriebenen farben- und tonreichen, federleichten, gesprächigen Seelen.
Ihr Gespräch, oder soll ich es Rede nennen, denn es ist beides, verweilt weder blos, noch bewegt es sich blos: es ist lehrreich und nachgiebig, tief und leicht, ernst und spielend zugleich, und wenn die monologischen Naturen zurückschrecken, die dialogischen hingegen verführen, so zwingen und reizen die dramatischen, dahin, wohin man gern folgt und wo man auch ewig bleiben kann. – Für das am dritten höheren Orte hier aufgestellte Ideal vereingen sich unbedingt alle Stimmen der Leser um so mehr, da die Ideale des dramatischen Dichters, des Schauspielers und des Menschen, darin aneinandergeknüpft, in einem Bilde erscheinen: des Menschen, sage ich, auf den ich, wie auf die dramatische Poesie und Kunst, durch die Überschrift nicht erst besonders eingeladen habe, weil er, von dessen Lebenskunst alle anderen Künste nur einzelne Glieder sind, sich selbst ohnehin nie vergessen darf. –

Emendation:
Mitte,] Mitte,. D

 

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Letzte Aktualisierung 28-Mär-2003
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