Edwin H. Zeydel,
Der Maler Ferdinand Hartmann,
in: JbKG (1937), 95-97; darin: 96f.
Ludwig Tieck an Ferdinand Hartmann, Ziebingen,
20. 9. 1816
Zibingen, den 20" Sptbr. 16.
Mein theurer Freund,
Immer habe ich mit Sehnsucht nach einem freundlichen Wort von Ihnen, so
wie nach den Papieren unseres Freundes Kleist ausgesehn, aber vergeblich. Sie waren so
gütig gewesen, mir auf meine Bitte ein Exemplar des Herrmann, den Phöbus, nebst
Bezeichnungen, welche Sachen von unserm Freunde herrühren, auch, worauf ich mich
vorzüglich freue, noch einige ungedruckte Sachen dieses Verfassers zu versprechen. Die
Zeit drängt jezt, sollten Sie noch nichts abgeschickt haben, so bitte ich Sie
inständigst, es jezt durch meine Frau und Kinder zu thun, die auf ihrer Rückreise aus
Böhmen binnen kurtzem sich wieder ein Paar Tage in Dresden aufhalten werden. Sind sie in
der Laune, vielleicht über Kleist, Ihre Bekanntschaft mit ihm, oder dgl. aufsetzen zu
wollen, so werden Sie mich um so mehr verbinden.
Nun noch eine Bitte, die ich an Ihre so oft erprobte Freundschaft
wage. Nachfolgende Bücher wünsche ich auf einige Zeit von der Dresdenschen Bibliothek zu
meinem Gebrauche zu haben, da es jezt aber vielleicht Schwierigkeiten findet, daß man sie
auswärts versendet, so ersuche ich Sie, ob Sie dieselben wohl auf Ihren Namen nehmen
möchten. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich sie Ihnen zu der mir vorgeschriebnen Zeit
zurück senden werde, so daß Sie deshalb in keine Verlegenheit kommen sollen. Die Bücher
(welche ich schon ehemals gebraucht habe) sind folgende: Englische Comedien und Tragedien,
1624; (Der 2te Th. ist später heraus gekommen in Oktav beide ,
vielleicht auch dieser Erste neu aufgelegt worden.) Ich weiß nicht, was sonst noch dort
in diesem Genre ist, könnte ich aber auch einiges andre erhalten, wäre es mir umso
erwünschter: Hans Sachs, den Ayrer besitze ich selbst. Sie können mich, wenn
Sie wollen, hiebei sehr unterstützen; ich glaube, es sind auch noch Faßnacht-Spiele von
Hans Rosenblüth im Mscpt. dort. Wie gern wäre ich nach Dresden gekommen, um Sie einmal
nach so manchen Jahren wieder zu sehn und zu sprechen; ich hoffe, in künftigem Jahre
diese Freude zu haben. Mit meinem Befinden geht es immer auch noch nicht nach Wunsch,
indessen muß ich zu- <97:> frieden seyn, nur daß ich dadurch so oft in meinen
Arbeiten gehindert werde.
Erfreuen Sie mich mit der Erfüllung meiner Bitte, und mit einem Blatte,
das mich der Fortdauer Ihrer Freundschaft versichert, so wie ich mit der aufrichtigsten
Versichrung mich immer nennen werde
Ihren hertzlichen Freund,
L. Tieck.
Es ist nicht anzunehmen, daß Hartmann der
zweiten Bitte, die sich auf die Vorbereitung der Sammlung Deutsches Theater
(1817) bezieht, Folge leistete, erhielt Tieck doch die erwünschten Bücher von Brentano.
Aus dem folgenden Zettel ist dagegen zu ersehen, daß Hartmann dem ersten, Kleist
betreffenden Anliegen nachkam:
Für die Mittheilung der Papiere unseres Kleist, so wie für die Bücher,
sage ich Ihnen, geehrtester Mann, meinen herzlichen Dank. Haben Sie sonst etwas Neues
mitzutheilen? Entschuldigen Sie meine Eil, und erhalten Sie mir Ihre Freundschaft.
Erfreuen Sie mich mit einem Briefe, je länger, je lieber, ich weiß die Briefe solcher
Freunde zu schätzen.
Zibingen, den 29" Novbr. 16.
Ihr
L. Tieck.
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