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Der Sammler (Wien), 22. 3. 1810, Nr. 35, 140: Notitzen

„Das Käthchen von Heilbronn“

Wien. – Am 17. März wurde im k. k. priv. Theater an der Wien zum ersten Mahle: Das Kätchen von Heilbronn, ein Schauspiel in fünf Aufzügen, von Heinrich v. Kleist, gegeben. Dieses Theaterstück soll ein romantisches Gemählde der Liebe eines Bürgermädchens aus Heilbronn darstellen, das, von diesem Gefühle unaufhaltsam hingerissen, einen Grafen Wetter von Strahl überall auf dem Fuße folgt. Der verlassene Vater hält diese ungewöhnliche Erscheinung für Wirkung der Zauberkraft, und klagt den Grafen vor der heiligen Vehme an. Diese untersucht im ersten Acte diese Anklage, und spricht den Grafen, der sich durch einen interessanten Dialog mit dem Mädchen rechtfertiget, von aller Schuld frey. Der Graf befiehlt nun der Dirne, zu ihrem Vater zu ziehen, und er selbst zieht in das Land, um dem Ausbruche angesponnener Fehden zuvor zu kommen. In einer stürmischen Nacht befreyt er seine Feindinn, die Freyfrau von Thurneck, aus den Händen seines Freundes, des Burggrafen von Freyburg. Die Nacht hinderte ihn, zu unterscheiden, mit wem er das Abenteuer zu bestehen habe. Im Kampfe fällt der Burggraf, stirbt auf der Bühne – und erscheint doch am Schlusse des Schauspiels wieder! – Die Freyfrau von Thurneck, eine mannssüchtige, heillose Giftmischerinn, gewinnt durch anscheinende Großmuth das Herz des Grafen von Strahl in einem solchen Grade, daß er sie zu ehelichen beschloß. Indessen schmiedete sie an seinem Untergange, ihre Verbündeten sollten des Nachts seine Burg erstürmen, und ihre Zofe dem Grafen und seinen Angehörigen Gift mischen. Die Befehlsbriefe wurden aber durch Zufall verwechselt, und geriethen in die Hände eines Waldbruders, bey dem Käthchen sich eben aufhielt. Diese sandte er mit dem Briefe an den Grafen, und hintertrieb auf diese Art den Anschlag. Die Burg wurde dennoch angezündet. Käthchen rettet mit edler Aufopferung der Freyfrau von Thurneck ein Kästchen mit einem Bilde und anderen Kostbarkeiten. Das Haus stürzt über dem Mädchen zusammen; ein in der Luft schwebender Genius! erhält sie aber am Leben, und bringt sie unversehrt aus den Flammen. Ein Genius meldete es auch dem Grafen, daß er eine Fürstinn heirathen würde, und er selbst erfährt von dem, im Garten schlafenden Käthchen, – daß er unaussprechlich geliebt sey. Am Schlusse erscheint der Herzog aus Schwaben, erklärt Käthchen für seine Tochter, und als die Vermählung der Freyfrau von Thurneck schon vor sich gehen sollte und sie im vollen Prunke als Braut erschien, erklärt sie der Burggraf von Freyburg dieser Ehre unwürdig, und holt Käthchen, als Fürstinn gekleidet, zum Traualtare. Die Giftmischerinn wird zum Kerker verdammt. – Man sieht es dem Ganzen an, daß dieses Schauspiel nichts anders als ein ziemlich unzusammenhängendes Gerippe einer Rittergeschichte sey, bey dem man sehr oft von der Kette der Ideenverbindung losgerissen wird. Viel Sonderbares liegt in Käthchens und in ihres Grafen Charakteren, und obschon sie nicht vom Dichter ihre Vollendung erhielten, so wußte sie doch das anziehende Spiel der Mad. Pedrillo und des Hrn. Grüner interessant zu machen. Das ist aber auch alles; denn die übrigen Rollen gleichen bloßen Entwürfen, die der Zufall zusammen getragen hat. Auch die Sprache ist hier und da nicht anständig genug. Z. B. der Ausdruck: Geh Narr! der du bist – und da, wo der Graf dem Bürgermädchen seine Gefühle aufdeckt, versteigt er sich so sehr in das Gebieth der Mythologie, daß er gewiß nicht verstanden werden konnte. Ein Theil des Publicums ergötzte sich an dem bunten Wechsel der Decorationen, am Costüme, und an dem unbegreiflichen Zusammenhange der Scenen; der gebildetere Theil wünschte dem Dichter einen solidern Geschmack, Consequenz, und Studium des Horaz’schen Briefes an die Pisonen.

Zum Wiener Käthchen von Heilbronn vgl. a.
>> Oesterreichischer Beobachter, 28. 3. 1810, Nr. 12, Beylage Nro. 3. (unpag): Theater (170 Zeilen). – (Ab Z. 145)
>> Annalen der Literatur und Kunst des In- und Auslandes (Wien), April 1810, 138-141: Theaternachrichten aus Wien vom März 1810 (90 Zeilen); darin: 140f. (Ab Z. 80)
>> Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), 12. 4. 1810, Nr. 44 (unpag.); (Darin:) Wissenschaftliche und Kunstnachrichten (36 Zeilen). – (Z. 12-16)
>> Morgenblatt für gebildete Stände, 18. 4. 1810, Nr. 93, 372: Korrespondenz-Nachrichten (Darin: Wien, im April; 78 Zeilen). – (Z. 39-63)
>> Courrier de l’Europe et des Spectacles, et Mémorial européen réunis, 13. 4. 1810, Nr. 1042, 1: Nouvelles étrangères. Autriche. Vienne, 17 avril (63 Zeilen; Antiqua). – (Ab Z. 46)
>> Nordische Miszellen, 19. 8. 1810, Nr. 33, 141-148: Einige Bemerkungen über Wien im Winter 1810. (Beschluß.) (230 Zeilen). – (a:) 141f. (Bis Z. 37); (b:) 146 (Z. 170-182)

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