Nordische
Miszellen, 19. 8. 1810, Nr. 33, 141-148: Einige Bemerkungen über Wien
im Winter 1810. (Beschluß.) (230 Zeilen). (a:) 141f. (Bis
Z. 37); (b:) 146 (Z. 170-182)
Das Käthchen von Heilbronn
<a:>
Einige Bemerkungen über Wien im
Winter 1810.
(Beschluß.)
- Die Stadt hat zwei Theater, das am Kärnther-Thor und das in der
Burg. Noch befindet sich ein Theater in der Vorstadt an der Wien, eines in der
Leopold-Stadt und eines in der Joseph-Stadt. Die drei erstern stehen unter einer
Direction, und werden Kaiserl. Königl. Hoftheater genannt. Ich rede nur von diesen.
Nicht
ohne Betrübniß sieht man, wie diese herrlichen Schauspielhäuser sammt ihren trefflichen
Schauspielern meistens zu niedern Zwecken gemißbraucht werden, ich meine zur Aufführung
so nichts bedeutender Stücke, wie der Sammetrock, das Singspiel, ein
Singspiel, das Waisenhaus, der betrogene Betrüger,
die Familie Pumpernickel u. s. w. Stücke der Art kehren immer und
immer wieder, sind diesen schönen Schauspielhäusern recht wie Schmarotzer-Pflanzen
angewachsen, und lassen nur selten höheres aufkommen. Nicht ohne Betrübniß sieht man
weiter, wie allen noch bessern Stücken, ehe sie auf diesen Theatern erscheinen, die
Flügel beschnitten oder gänzlich ausgerissen werden, wodurch sie oft ein gar confuses
Ansehen erhalten. Eine solche Beschneidung erlitten: das Kätchen von Heilbronn, die Braut
von Messina, Hamlet, die Räuber, wo aus dem alten Vater Mohr gar ein Oheim gemacht wurde,
u. s. w.
Der erste Schauspieler
für ernsthafte romantische Rollen, den Wien besitzt, ist Grüner. In der Rolle des Grafen
Wetter vom Strahle, im Kätchen von Heilbronn, von Kleist, hat er seine Meisterschaft
aufs herrlichste an Tag gelegt. Dieses romantische Spiel, obgleich, wie es hier
gegeben wird, ohne Zusammenhang und wahrscheinlich sonst noch sehr entstellt, wird durch
sein und der Madame Pedrillo Spiel zu einer recht herrlichen Erscheinung gemacht. Den
Attila von Werner erträglich zu machen, ist selbst die Kunst dieses großen Schauspielers
nicht im Stande. Durch die vielen Pferde und Züge, die in diesem Schauspiele vorkommen,
wird es dem Publikum gefällig gemacht; übrigens wurden auch ihm vor Aufführung auf dem
Theater die Flügel beschnitten.
<b:>
Schauspielerinnen besitzen die Wiener keine, außer der Madame Pedrillo und (in kleinen
bürgerlichen Rollen) der Mademoiselle Adamberger. Madame Pedrillo ist lieblich, wo sie
nur erscheint. In der Hochzeit des Figaro ist sie in der Rolle des Pagen ein wundersames
Feenkind. Bei Aufhebung des Tuches von dem Lehnstuhle, in dem sie sich als Page verborgen,
ist sie ein Gemälde voll Weichheit und Zauber. Als Kätchen, im Kätchen von Heilbronn ,
steht sie recht ob aller Kritik. Sie ist klein und lieblich gebauet, ihre Stimme weich,
voll Wohllaut.
Mademoiselle Adamberger
gefällt in Rollen, in denen sie sich selbst ausspricht, in der Rolle eines kunstlosen,
naiven Mädchens, gleich ihr Madame Korn. Ein aufblühendes, vielversprechendes Talent ist
Mademoiselle Krüger.
Zum Wiener Käthchen von Heilbronn vgl. a.
>> Der Sammler (Wien), 22. 3. 1810,
Nr. 35, 140: Notitzen
>> Der Österreichische Beobachter,
28. 3. 1810, Nr. 12, Beylage Nro. 3. (unpag.): Theater
(170 Zeilen). (Ab Z. 145)
>> Annalen der Literatur und Kunst des In- und
Auslandes (Wien), April 1810, 138-141: Theaternachrichten aus Wien vom März 1810
(90 Zeilen); darin: 140f. (Ab Z. 80)
>> Königlich privilegirte Berlinische Zeitung
von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), 12. 4. 1810, Nr. 44
(unpag.); (Darin:) Wissenschaftliche und Kunstnachrichten
(36 Zeilen). (Z. 12-16)
>> Morgenblatt für gebildete Stände,
18. 4. 1810, Nr. 93, 372: Korrespondenz-Nachrichten (Darin: Wien, im
April; 78 Zeilen). (Z. 39-63)
>> Courrier de lEurope et des Spectacles, et
Mémorial européen réunis, 13. 4. 1810, Nr. 1042, 1: Nouvelles
étrangères. Autriche. Vienne, 17 avril (63 Zeilen;
Antiqua). (Ab Z. 46)
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