Königlich privilegirte
Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung),
18. 10. 1810, Nr. 125 (unpag.\1\
Ballonfahrt Über das Mißlingen der
Luftreise des Herrn Claudius.
Die Ursach dieses
Mißlingens lag nicht an dem Mangel oder der schlechten Beschaffenheit der
angewandten Materialien. Fässer und Röhren waren so dicht, als sie es nur bei irgend
einer meiner Luftreisen waren. Das Eisen war vorzüglich gut, und die Säure war dieselbe,
mit welcher ich größtentheils die Füllung des Balles bei meiner letzten Luftreise
bewirkte. Um den Herrn Claudius mit Ballast u. s. w., zusammen
höchstens 340 Pfund zu heben, wären der Rechnung und den bisherigen Erfahrungen
nach nur 1870 Pfund Säure und 1250 Pfund Eisen nöthig gewesen. Es wurden aber
gemischt 2160 Pfund Säure mit 1800 Pfund Eisen, womit eine Last von
400 Pfund gehoben werden konnte. Die Gesamtlast des Balles betrug aber, als
Herr Reichard die Gondel bestieg, noch nicht 275 Pfund, und konnte nicht
gehoben werden.
Worin lag also der Grund
des Mißlingens? In der ungewöhnlich langsamen Entwickelung des Gases, worüber die Zeit
verstrich und der Ball zur Befriedigung der Zuschauer nur losgelassen werden mußte, wozu
noch ein heftiger Wind kam, welcher durch die Dehnung der Näthe sich auf der einen Seite
in den Ball einschlich und das Gas auf der andern Seite herauspreßte: vielleicht auch,
daß durch das gewaltsame Zerren des Balles derselbe hier und dort einen kleinen Riß
bekam, wie einige von den Zuschauern bemerkt haben wollen, (woran ich jedoch zweifle, da
ich mir den Unfall auch ohne das erklären kann). Daß aber das Gas sich so langsam
entwickelte, daran war ohne Zweifel die so eindringende Temperatur Schuld. Denn auf den
Fässern fand ich das zur Sicherheit am Abend darauf gegossene Wasser am Morgen fingerdick
gefroren. Wahrscheinlich war es also in den Fässern selbst gefroren. Die hinzugegossene
Säure war eben so kalt, und die gehoffte Erhitzung durch den ersten Angriff derselben,
welche zur schnellen Entwickelung des Gases so nöthig ist, ging verloren, daher denn
überhaupt keine bedeutende Erwärmung statt fand, ja manche Röhren an den Fässern,
trotz aller hinzugegossenen Säure, fortwährend kalt blieben, statt daß bei meinen
Luftreisen sie sich jedesmal so erhitzten, daß nur durch unaufhörliches Begießen mit
kaltem Wasser das Zinn der Löthung vor dem Schmelzen geschützt werden konnte. Deshalb
ging auch nach 6 Stunden die Entwickelung des Gases immer noch stark genug, ja
vielleicht stärker, als vorher, fort, ja noch die ganze Nacht hindurch bis zum folgenden
Mittag hat dieselbe fortgedauert, statt daß sie schon mit 3 Stunden hätte beendigt
seyn sollen. Dieß ist nicht meine Ansicht der Sache allein, sondern auch die des Herrn
G. H. Hermbstädt und des Herrn Reichard, welche zugegen
waren. Nur den zufälligen Umständen, keineswegs dem Herrn Claudius, ist die
Schuld des Mißlingens beizumessen.
W.
Jungius.
Herr Professor Jungius hatte mir, zum Behuf meines Versuchs die Lenkung eines
Luftballs zu bewirken den Seinigen geliehen, und die Füllung desselben, von welcher
ich nicht praktische Kenntniß habe, gütigst übernommen. Da nach vorstehenden Zeugniß
des Herrn Prof. Jungius diese Füllung nicht zu dem erforderlichen Grade von Kraft
gediehen ist, indem gegen Abend der Ball nicht Hundert Pfund zu heben im Stande war, so
bin ich für meine Person gänzlich unschuldig daran, daß der von mir angekündigte
Versuch nicht hat statt finden können. Zu Bezeigung meines guten Willens erbot ich mich
vorläufig ohne meine Lenkungsmaschine, und nöthigenfalls gar ohne Gondel, blos im Netze
aufzusteigen, da aber die Obrigkeit mir, als einem im Luftfahren noch Ungeübten, die
Erlaubniß dazu nicht zugestehen wollte; so habe ich, ohne meine Schuld weder meiner
Ankündigung Genüge leisten, noch auch das was zu einiger Befriedigung des versammelten
Publikums mir unter den vorhandenen Umständen zu thun allein noch übrig blieb, ins Werk
richten können, und hoffe deshalb keinen unbilligen Urtheilen ausgesetzt zu seyn. Mein
Wunsch ist und bleibt, unter günstigern Umständen den angekündigten Versuch, ohne
Kosten-Aufwand des Publikums, wagen, um die Wirkung meiner Maschine öffentlich erproben
zu können.
- Claudius,
Wachstuch-Fabrikant.
\1\ auch in: Berlinische Nachrichten von Staats- und
gelehrten Sachen (Spenersche Zeitung), 18. X. 1810, Nr. 125
(unpag.) Die beiden Erklärungen antworten auf den Bericht Über
die gestrige Luftschiffahrt des Herrn Claudius der BA, Extrablatt
14. Bl./16. X. 1810. Vgl. das Schreiben aus
Berlin in BA 13. Bl./15. X. 1810. Carl Friedrich
Claudius hatte seinen Versuch in der Presse mehrfach angekündigt; die Annoncen erschienen
parallel in der Vossischen und der Spenerschen Zeitung: 6. X. 1810,
Nrn. 120 (Luftreise); 9. X. 1810, Nrn. 121 (Luftreise);
13. X. 1810, Nrn. 123 (Nöthige Erklärung).
Zum Thema Ballonfahrt cf. >> Der Freimüthige oder
Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser (Berlin), 22. 10. 1810,
Nr. 211, 844 (113 Zeilen); (bis Z. 12)
>> Berlinische Nachrichten von Staats- und
gelehrten Sachen (Spenersche Zeitung), 25. 10. 1810, Nr. 128 (unpag.)
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