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Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser (Berlin), 28. 5. 1808, Nr. 107, 425f.

„Phöbus“  

Literatur.
Phöbus. Ein Journal für die Kunst.
Drittes Stück. März, 1808.

Die Fortsetzung der Vorlesungen über das Schöne von Müller macht den Anfang dieses Stücks. Da wir nächstens das Ganze im Buchhandel zu erwarten haben werden, so enthalten wir uns einiger weitern Äußerungen darüber. Übrigens wird jeder Leser die Neuheit der Ansichten darin nicht verkennen, wenn er auch nicht allemal mit ihnen einverstanden seyn sollte, so wie auch der Stil, in dem diese Vorlesungen geschrieben sind, sich sehr vortheilhaft auszeichnet.
Hierauf zeigt sich uns Hr. v. Kleist von einer neuen Seite, nehmlich im Lustspiele. Wir erhalten Fragmente – diesmal nicht organische – aus dem Lustspiele: Der zerbrochene Krug. Die Anmerkung belehrt uns, daß die Herausgeber vorher Willens gewesen seyen, das Fragment eines größern Werks von demselben Verfasser, Robert Guiskard, Herzog der Normänner, ein Trauerspiel, hier einzurücken, doch, da dies kleine, vor mehrern Jahren zusammengesetzte (sic) Lustspiel eben jetzt auf der Bühne von Weimar verunglückt sey, so werde es die Leser vielleicht interessiren, einigermaßen prüfen zu können, worin dies seinen Grund habe, und so solle es denn als eine Art von Neuigkeit des Tages hier seinen Platz finden. Wenn man freilich Bruchstücke aus allen verunglückten Stücken im Journale für die Kunst einrücken wollte, so dürften diese zu Folianten anwachsen müssen; aber in so fern dies Lustspiel zu Weimar, wo Göthe sich seiner annahm, verunglückte, dürfte das Phänomen schon neu genug seyn, um den Platz zu verdienen, den es einnimmt. Freilich scheint es den Herausgebern nicht ernst mit dem Geständnisse, daß es den Grund des Verunglückens in sich selbst trage, und sie scheinen es vielmehr als einen Beweiß aufzustellen, daß auch das gebildetste und geduldigste Publikum manchmal Seitensprünge mache; aber wir möchten doch wissen, ob die Leser nicht auch Lust bekommen möchten, mitzupfeifen, wie es die Zuschauer in Weimar thaten. Der Gang des Stücks, den dies Fragment nicht angiebt, ist aus öffentlichen Blättern – besonders der Theaterzeitung, die ihrer brauchbaren Korrespondenz-Nachrichten wegen ein zahlreiches Publikum verdient – bekannt; hier können wir bloß die Schönheiten des Dialogs und des Witzes bewundern. Einige Pröbchen, ohne allen Kommentar, daß der Leser um so unbefangener richte. Sehr ästhetisch beginnt das Stück damit, daß der Richter Adam sitzt, und sich ein Bein verbindet, übrigens auch das Gesicht braun und blau zerschlagen und zerrissen darstellt. Als Ursach des Letztern giebt er an:
Mit dem verfluchten Bocksgesicht focht’ ich
Der an der Ofenkante eingefugt.
– Da ich beim Auferstehn (aufstehn würden undichterische Leute sagen)
Das Gleichgewicht verlier’ und gleichsam wie
Ertrunken in den Lüften um mich greife,
Faß’ ich – zuerst die Hosen, die ich gestern
Durchnäßt an das Gestell des Ofens hing, (sic)
Nun faß’ ich sie, versteht ihr, denke mich,
Ich Thor, daran zu halten, und nun reißt
Der Bund, es stürzt die Hos’ und das Gestell,
Ich stürz – u. s. w.
Frau Marthe spricht voll Witzes über ihren zerbrochnen Krug.
Veit. – – – Sey sie nur ruhig,
Frau Marth’! es wird sich alles hier entscheiden.
Marthe. O ja! Entscheiden! Seht doch. Den Klugschwatzer.
Den Krug mir, den zerbrochenen, entscheiden,
Wer wird mir den geschiednen Krug entscheiden?
Hier wird entschieden werden, daß geschieden
Der Krug mir bleiben soll. Für so’n Schiedsurtheil
Geb ich noch die geschiednen Scherben nicht.
Weiter sagt Frau Marthe:
Und kämen die Hochmögenden – –
Die könnten sonst was in den Krug mir thun,
Als ihn entschädigen.
Nach Form der Penthesilea heißt es ferner:
Adam. Ich müßt ein Ochs gewesen seyn –
Licht. Was?
Adam. Was!
Licht. Ich fragte – !
Adam. Ihr fragtet, ob ich? –
Licht. Ob ihr taub seyd, fragt’ ich.
Mit Zartheit spricht weiterhin Frau Marthe:
Der Unverschämte! der Hallunke, der!
Aufs Rad (sic) will ich ihn sehen, oder mich
Nicht mehr geduldig auf den Rücken legen.
Und zuletzt zieht sich der Richter Adam sehr fein aus der Verlegenheit, sagend:
Adam. Wohin auch, alter Richter, dachtest du?
Verflucht das pips’ge Perlhuhn mir! daß es
Krepirt war an der Pest in Indien!
Stets liegt der Kloß von Nudeln mir im Sinn.
Walter. Was liegt – was für ein Kloß liegt euch – ?
Adam. Der Nudelkloß,
Verzeiht, den ich dem Huhne geben soll.
Schluckt mir das Aas die Pille nicht herunter,
Mein Seel, so weiß ich nicht, wie’s werden wird.
Und eine solche Unterhaltung wollte man in Weimar nicht goutiren; ist das nicht himmelschreiend?
Doch vielleicht rechnet uns Hr. v. Kleist zu den Hühnerhunden seiner ersten von den unter Nr. III. folgenden Fabeln, die einen Vogel zu fangen gedachten, der aber, als sie ihn bedrängten, sich in die Lüfte schwang; und wozu die Moral ist: Witz! wenn Du Dich in die Luft erhebst: wie stehen die Weisen und blicken Dir nach! Die zweite Fabel führt die Aufschrift: die Fabel ohne Moral, und man könnte eben so gut auch hinzusetzen: ohne wahren Sinn.
Den Schluß macht: Othars Brautwerbung, eine Sage des Saxo Grammatikus, in Romanzen, mit P. unterzeichnet. Man kann dieser Dichtung Eigenthümlichkeit und alterthümlichen Stil nicht absprechen, obschon der letztre hie und da zu sehr antiken Rost nachahmen dürfte, auch nehmen sich die Assonanzen in der Waldfrau nicht eben zum besten dazu aus. Viel Gedichte dieser Art möchten wir uns nicht wünschen; denn das Metrum ermüdet in die Länge. Aber da das Mährchen nicht ohne Interesse ist, ließt mans gern in dieser Behandlung wieder.


Anmerkung Phöb. III 32: „Wir waren nach dem ersten Plane unsrer Zeitschrift willens, hier das Fragment eines größern Werkes einzurücken (Robert Guiskard, Herzog der Normänner, ein Trauerspiel von dem Verf. der Penthesilea); doch da dieses kleine, vor mehrern Jahren zusammengesetzte, Lustspiel eben jetzt auf der Bühne von Weimar verunglückt ist: so wird unsere Leser vielleicht interessiren, einigermaßen prüfen zu können, worin dies seinen Grund habe. Und so mag es, als eine Art von Neuigkeit des Tages, hier seinen Platz finden.“ Theaterzeitung Cf. >> Allgemeine Deutsche Theater-Zeitung, 11. 3. 1808, Nr. 21, 88-90: Correspondenz- und Notizen-Blatt; darin: 89f.
Mit dem verfluchten Phöb. III 34
Veit Phöb. III 35
Und kämen Phöb. III 36
Ich müßt Phöb. III 38f.
Wohin Phöb. III 46.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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