Allgemeiner
Deutscher Theater-Anzeiger (Leipzig), 12. 7. 1811, Nr. 28, 120
Das Käthchen von Heilbronn
Revision der neuesten
dramatischen Literatur.
Die nachfolgenden Beurtheilungen der neuesten
Producte unserer dramatischen Literatur, können, der Consequenz dieses Blattes gemäß
und insofern der Hauptzweck desselben ein durchaus practischer ist, nichts weiter in sich
fassen, als eine allgemeine Critik der Stücke, in Hinsicht auf deren Anwendbarkeit für
die Bühne; besondere Winke für den Schriftsteller selbst, so wie die Reduction der
Urtheile auf die Grundgesetze der Poetik, finden daher hier nicht Statt, und bleiben
ausschließend kritischen Instituten überlassen. Freiheit seiner Ansicht,
Unpartheilichkeit und ein nicht unreifes Urtheil glaubt übrigens der Verfasser im voraus
versprechen zu können.
1) Das Kätchen von Heilbronn,
oder die Feuerprobe, ein großes historisches Ritterschauspiel von
Heinrich von Kleist. Berlin 1810.
Der Verfasser, den wir aus seinem Lustspiele Amphitruo,
als einen talentvollen und originellen Dichter kennen lernten, hat in dem vorliegenden
Stücke den seltsamen Versuch gemacht, diese seine Originalität auf das Abentheuerlichste
zu karrikiren, und man wird häufig in der That irre, ob es bei einem wirklich gesunden
Gemüthszustande verfaßt ist, so sehr treiben sich einzelne Schönheiten mit den
widersinnigsten Ausgelassenheiten in einem tollen Gemische durch einander. Die Phantasie
scheint sich von der Herrschaft der Vernunft ganz befreit zu haben, und die Diction
besonders beurkundet eine solche poetische Trunkenheit, daß man sich des Lachens, nachdem
das erste Erstaunen vorüber ist, durchaus nicht erwehren kann. Aus diesem Grunde könnte
das Stück vielleicht, als seine eigene Selbsttravestie, Effect erreichen; so wie wir es
dann in der That für einen Scherz auf Kosten der geneckten Leser, und die lobpreisende Recension in der Zeitung für die elegante Welt, für
eine boshafte Satire halten.
(Die Fortsetzung folgt.)
Recension]
>> Zeitung für die elegante Welt,
29. 10. 1810, Nr. 216
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