Gustav Kühne, Deutsche
Männer und Frauen. Eine Galerie von Charakteren (Leipzig: Brockhaus 1851), 278f.
Kleists Bild
Nach einem Miniaturbilde des alten Krüger aus dem J. 1801 gibt uns
E. v. Bülow einen Stahlstich zum Titelblatt der Briefe. Ein Kindergesicht
blickt uns hier entgegen, ehrlich, edel, treu und gut, mit mächtigen Augen, die ihre
Brauen wie Schwalbenfittiche über die dunkeln Blicke breiten. Das Lächeln der
<279:> Lippe, das er in einem Briefe an Wilhelminen für eine absichtliche
Huldigung, um ihr zu gefallen, erklärte, hat ganz etwas geschlechtlos Kindhaftes, und
steht mit dem energischen Schwung seines Augenpaars um so entschiedener im Widerstreit.
Dieser Widerstreit schien aber geistig wie physisch in seiner ganzen Natur zu liegen.
Kleist war und blieb als Mensch eine nicht fertig gewordene Römerseele mit dem Gemisch
knabenhafter Gelüste, die die Würde des Mannes kreuzten, die stolze Hoheit seines Wesens
beeinträchtigten. Steckt hier der von Bülow angedeutete organische Fehler?
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