Hans Joachim Kreutzer,
(Rezension:) Helmut Sembdner (Hrsg.), Heinrich von Kleists
Lebensspuren (1964), Heinrich von Kleists Nachruhm (1967), Kleist-Bibliographie 1803-1862
(1966),in: Euphorion 62 (1968), 188-224; darin: 201
Aus Karl Bertuchs Reisetagebuch, Paris, November 1803
Bis zum 3. November kann Kleist von der Küste schon wieder nach Paris zurückgekehrt
sein, denn im Anschluß an einen Theaterbesuch von diesem Tage heißt es:
Ich
deckte Md. W-s Rückzug durch das Foyer, wir wanderten nach dem Café de mille
Colonnes, und tranken bis nach 11 Uhr Thée. H. v. Pfuhl, Werdecks
Reisegefährte durch die Schweiz, der [jetzt] die Preuß. Militairdienst
quittiert hat, und einige Zeit hier leben will, war von der Parthie. Sein Gefahrte [!]
v. Kleist, ein exaltirter Kopf, war heimlich nach St. Omer gereißt, um sich bei
der Descente mit anwerben zu laßen. Man kann ihn aber wegen den Verhaltnissen [!]
mit Preußen nicht nehmen. Kleist war hier also nur Gegenstand des Gesprächs.
Aus dem Ton der Erwähnung ist zu entnehmen, daß auch seine engste Umgebung keine andere
Meinung von ihm hatte als Fernerstehende. Was wir nicht genau erfahren, ist, ob man von
dem Plan Kleists durch die Gesandtschaft oder durch Kleist selbst gehört hat; von der Descente
ist in den Wochen zuvor mehrfach die Rede, jedermann scheint davon gesprochen zu haben.
Auch Pfuel hat damals wohl nicht den sedatesten Eindruck gemacht, denn am
4. November heißt es von ihm: Ich treffe Pfuhl. Eine närrische Mischung von
Gutmüthigkeit und Wildheit. Erst am 18. November wird auch Kleist wieder
erwähnt:
bei Ad. v. W. Hn. v. Kleist und Pful
Kleist, Verfaßer der Familie Schroffenstein, überspannter Mensch, war Preuß.
Lieutenant, hat quittirt u. wird in einigen Tagen als Gemeiner in französische Dienste in
St. Omer treten.
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