Josef
Körner (Hrsg.), Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. 2 Bde. (Zürich,
Leipzig, Wien: Amalthea 1930), Bd. 1, 237f.
August Wilhelm Schlegel an Helmina v. Chézy, Lyon, 30. 6. 1809
Lyon d. 30 Jun 1809
- Wie schön leuchtt uns der Morgenstern! konnte
ich wohl mit Recht singen und sagen, da mir dieser heilige und apostolische Stern,
denn so will er unstreitig vermöge seiner herabfließenden Haare und seines Bartes
angesehen seyn, hier einen Brief von Ihnen brachte, zwar einen Brief voll
nächtlicher Schatten und Finsterniß, welche zu zerstreuen, ein so blasser Stern
schwerlich hinreichen dürfte, sondern die helle Mittagssonne erfodert wird. Was Ihre
eigne Lage betrifft, liebes Kind, da kann ich Ihnen aus der Ferne und unvollkommen
unterrichtet, wenig sagen. Ich möchte, wenigstens auf einige Tage, bey Ihnen seyn, damit
Sie mir Ihr ganzes Herz ausschütteten, und ich Ihnen vielleicht einige Aufheiterung und
Trost schaffen könnte. Die Ursachen Ihrer allgemeineren und edel uneigennützigen
Bekümmerniß sind aber seitdem schon großentheils gehoben, oder wenigstens beträchtlich
gemindert. Ich bin auch den ganzen Frühling hindurch von Niedergeschlagenheit und Unmuth
unglaublich zerrüttet gewesen, habe mich aber seit einigen Wochen wieder aufgerafft.
Wegen Friedrich seyn Sie ganz ruhig, ich habe verschiedentlich mittelbare Nachrichten von
ihm, und jetzt eben durch einen Umweg einen Brief vom 18ten Mai gehabt. Er war
gesund und damals schon gutes Muthes und befand sich zu Znaym in Mähren. Er ist in der
besten Gesellschaft, wird geschätzt und geliebt, und auch in dem allerschlimmsten Falle,
daß er genöthigt seyn sollte, eine weite Reise zu machen, wird ihm seine jetzige
Laufbahn gewiß sehr zu Statten kommen. Dorotheen geht es ebenfalls gut: sie ist in
W.[ien] geblieben, und lebt während dieser schlimmen Zeiten im Hause der Frau von
Arnstein, wodurch sie vieler Sorgen enthoben ist.
Der Himmel verzeihe mir die Sünde, ich glaube ich habe Ihnen seit
Ihrem Briefe vom 15ten März nicht wieder geschrieben, und Ihnen also
<238:> auch für das liebliche Lobgedicht auf die persischen Sänger nicht gedankt.
Ich war zu sehr mit jenen Gegenständen beschäftigt. Sie werden es
längst wissen, daß Phoebus gleich in den ersten Zeichen des Thierkreises zum Phaeton
geworden ist, und seinen Wagen umgeworfen hat. Plus de Phébus dans notre littérature,
wie wohl noch viel Bombast. Über Cotta haben Sie ganz recht, er ist ein Knauser und
ein gemeiner Geselle. Soll ich Sie mit Hofrath Mahlmann in Leipzig, dem Herausgeber der
Zeitung für die elegante Welt, in Verbindung setzen? Da ich ihm letzthin einige
Kleinigkeiten geschickt, so hat er mich sehr dringend um Beyträge ersucht, und sich
bereitwillig gezeigt, alle meine etwanigen Bedingungen einzugehen. Wenn Sie Chateaubriands
Märtyrer in der That übersetzt haben, so muß ich Sie als Märtyrin dieses kostbaren und
anmaßenden Geschreibes betrachten, womit die Poesie eben so wenig zu thun hat als die
Religion. Ich möchte Ihnen gern den zweyten Band meines Spanischen Theaters geben, leider
habe ich ihn selbst noch nicht. Eben so geht es mir mit Friedrichs Gedichten, die längst
heraus sind und auf die ich unendlich begierig bin. Der erste Band meiner dramaturgischen
Vorlesungen ist gedruckt, wird aber vor Vollendung des Ganzen nicht ausgegeben.
Ich habe immer noch die Aussicht spät im Herbste in die Nähe von
Paris zu kommen, ob ich aber überhaupt, und auf wie lange einen Ausflug dahin machen
kann, ist ungewiß. Glauben Sie, daß Ihr freundlicher Umgang ein Hauptgrund für mich
ist, es zu wünschen. Den Sommer bringe ich in Coppet zu, hier bleibe ich nur ein 8 bis 10
Tage Talmas wegen, den ich auch im Umgange recht gern habe. Was macht Koreff?
Sagen Sie ihm doch, daß ich ihm durch einen Hrn. von Rönne geschrieben habe.
Sagen Sie Chezy von meinetwegen, daß das orientalische Magazin des
Krieges wegen nicht aufgegeben sey. Der Haupt-Unternehmer zwar, der Graf Rzewusky ist im
Felde, und soll am Bein verwundet seyn. Hammer ist in W.[ien] geblieben, und arbeitet an
einem artigen Aufsatze über die Blumensprache.
Leben Sie tausendmal wohl, liebe Freundin. Ich habe Ihre Theilnahme an
Fr.[iedrich] sehr liebenswürdig gefunden, und weiß sie Ihnen Dank.
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