Rudolf Köpke, Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach
dessen mündlichen und schriftlichen Mittheilungen, 2 Bde. (Leipzig: Brockhaus 1855),
Bd. 2, 55f.
Tieck als Kleist-Herausgeber
Ebenso thätig war er für die deutsche Literatur, wo er durch Sammlung und
Herausgabe anderer Dichter und Schriftsteller eine persönliche Schuld abtragen, eine
Pflicht der Pietät erfüllen wollte. Von dem hohen Talente H. v. Kleists
überzeugt, von seinem tragischen Geschicke tief erschüttert, sah er in der Erhaltung des
Andenkens des halbvergessenen Dichters eine unerläßliche Pflicht. Er wollte die Nachwelt
zu der <56:> Anerkennung nöthigen, welche die Mitwelt verweigert hatte. Ihm
verdankt man die Erhaltung von Kleists bestem Werke, des Prinzen von
Homburg. Er erinnerte an das einzige noch vorhandene Manuscript, welches unter den
Papieren einer hohen Person, die sich dafür interessirt hatte, vergessen worden war.
Schon 1821 gab er Kleists hinterlassene Schriften, 1826 die gesammelten Werke
heraus, und in demselben Jahre vereint mit Raumer, Solgers Nachlaß und
Briefwechsel. Auch Lenz war damals ein verschollener Dichter. Er zog ihn aus der
Vergessenheit hervor und sammelte seine Dramen, für deren derbe Natürlichkeit er seit
der Jugend eine große Vorliebe hatte, aufs neue. Die Einleitung dazu gestaltete sich zu
einer literarhistorischen Darstellung der Epoche, in welcher Goethe zuerst auftrat. Auch
schrieb er manche Kritik oder Vorrede, oft auf Bitten der befreundeten Verfasser, und
seine dramatischen Recensionen in der Abendzeitung gab er 1826 unter dem Titel
Dramaturgische Blätter gesammelt heraus.
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