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[ APPENDIX: MATERIALIEN ]

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Karl Wilhelm Ferdinand v. Funck, Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien, in: Die Horen 9 (1797), 1. Stück, 1-58; 2. Stück, 1-33; 3. Stück, 1-14; darin: 1. Stück, 42-48

Sechs Jahre gingen unter den entferntern und näheren Zurüstungen hin. Eine weise Staatsverwaltung befestigte sein Ansehn im Innern, indeß er durch Unterhandlungen und kurze Feldzüge seine Macht auswärts erweiterte. Tarent, Vieste und einige andere Städte, zuletzt selbst Otranto fielen auf diese Art in seine Hände, und auch Sicilien verlohr er nie ganz aus den Augen. Roger kämpfte dort mit ununterbrochnem Glück gegen die Saracenen, und durch Hülfsvölker, die der Herzog ihm von Zeit zu Zeit zuschickte, behielt er sich das Recht auf einen Antheil an den Eroberungen seines Bruders vor. Bey der Belagerung von Palermo erschien er in Person an der Spitze eines mächtigen Heeres, und ob er gleich seinen Zweck nicht erreichte, so hielt er sich doch durch die reiche Beute des flachen Landes, durch eine ansehnliche Colonie, welche er aus Sicilien in einige entvölkerte Gegenden Calabriens versetzte, und durch ein Bündniß mit den Pisanern schadlos. Diese mächtige Republik, deren Handel durch die Seeräuber von Palermo beunruhigt wurde, versprach ihm den Beistand ihrer Schiffe, bey seinen fernern Unternehmungen. Er selbst arbeitete unaufhörlich an der Bildung seines Fußvolks und einer Flotte, ohne welche er <43:> nie die Griechen ganz aus seinem Gebieth zu vertreiben sich schmeicheln durfte. Aber ungeachtet aller Anstrengungen schränkte sich doch immer noch seine ganze Seemacht außer den wenigen Galeeren, welche er in den Häfen von Reggio, Tarent, Otranto und Brindisi bekommen hatte, auf eine Menge, von unerfahrnen Schiffern regierter, flacher Küstenfahrzeuge ein.
Die Bürger von Bari allein besaßen mehr und besser ausgerüstete Kriegsschiffe, als er ihnen entgegenstellen konnte. Stolz auf ihre Anzahl, reich durch einen ausgebreiteten Handel, und voll Vertrauen auf die Festigkeit ihrer Mauern, und ihrer Lage, verhöhnten sie den Herzog, da er im Jahr 1068 zuerst vor ihren Thoren erschien. Er verlangte von ihnen die Einräumung eines festen Gebäudes, der Thurm von Argyrons genannt, welches durch seine Lage auf einer Anhöhe die Stadt beherrschte. Den Bürgern entgieng seine wahre Absicht bey dieser Foderung nicht. Sie zeigten ihm eine Menge goldne und silberne Gefäße, und reicher morgenländischer Stoffe von den Mauern herab, und luden ihn spottend ein, ihre Schätze zu rauben. Robert antwortete ihnen kalt, sie sollten sie nur sorgfältig aufbewahren, er würde nächstens kommen und Rechnung darüber fodern.
Er zauderte auch nicht lange, ihnen deutlichere Proben seines Vorsatzes zu geben. Die Normännische Reuterey breitete sich in den nahe liegenden Feldern aus, und zahllose Fahrzeuge, die er aus allen Seeplätzen Apuliens zusammengebracht hatte, schwärmten am Ufer. Aber diese <44:> leichten Geschwader waren nicht im Stande, gegen die größern Schiffe der Barenser die See zu halten, und die Belagerten sahen gleichgültig auf alle Anstalten herab, die wieder sie gemacht wurden, so lange ihnen noch ihr Hafen die Gemeinschaft mit den Küsten Italiens und Griechenlands, und ihre Schätze den geheimen Beistand der normännischen Großen sicherten.
Roberts Muth fand in jeder Schwierigkeit nur einen neuen Sporn. Er unterdrückte eine von den Griechen unter seinen eignen Blutsverwandten veranlaßte Empörung, ohne seine Reuterey, welche der Stadt die Gemeinschaft mit dem festen Lande abschnitt, zurückzuziehen, und entwarf einen kühnen Anschlag sie auch von der Seite des Meeres einzuschließen. Ein schmaler Landstrich, der sich in die See hinaus erstreckte, bildete einen kleinen Meerbusen, in dessen Vertiefung der Hafen von Bari lag. Robert ließ im folgenden Frühjahr von dem festen Lande, unterhalb der Stadt bis an die Spitze der Erdzunge eine Reihe von Fahrzeugen Anker werfen, die er durch Balken und eiserne Ketten verband. Über der Mitte und an beiden Enden dieser schwimmenden Linien, erhoben sich hölzerne Thürme, seine Krieger gegen den Angriff der Feinde zu decken, und durch Zugbrücken hiengen die verschiednen Abtheilungen unter einander und mit dem festen Lande zusammen.
Die Bürger, welche diesen Einfall anfangs verlacht hatten, erschraken, da sie das gigantische Werk vollendet sahen, und nun auch ein neuer Thurm auf der Spitze der <45:> Erdzunge den Belagerern einen sichern Posten in ihrem Rücken gab. Eine Menge nahe am Lande versenkter Bäume und Steinmassen sollte dem schwankenden Gebäude die Grundlage aus der Tiefe des Meeres herauf thürmen, und die eingesperrten Barenser beschlossen, um jedem Preis die schwimmende Vestung zu vernichten. Aber ihre Schiffe konnten in dem engen Raum weder aus ihrer Größe noch aus der beßern Bauart Vortheil ziehen, und beym Entern, wo eine Menge kleiner Fahrzeuge sich an ein grösseres hieng, so wie bey jedem Kampf in der Nähe, waren ihnen die Normannen überlegen.
Es wurde lange und mit grosser Erbitterung von beiden Seiten in dem Meerbusen gekämpft, und Roberts Werke gewannen immer mehr Festigkeit. Aber die Elemente, welche bisher gegen die Belagerten gestritten hatten, begannen auf einmahl ihnen günstig zu werden. Ein anhaltender Seewind hatte ihre Unternehmungen gehemmt, die Stürme des Herbstes bereiteten der schwimmenden Brücke den Untergang. Das empörte Meer riß die Fahrzeuge von ihren Ankern, und wälzte die Lasten, welche den Hafen verstopfen sollte, fort. Stephan Pateranus, der neue Katapan, der mit dem Titel Sebastophoros gleich beym Anfang der Belagerung von Constantinopel gekommen war, nützte den Augenblick der Verwirrung. Er verließ mit einem frischen Landwinde den Hafen und segelte die erschütterte Brücke in den Grund. Robert sah mit Verzweiflung vom Ufer das Meer mit Leichen und den Trümmern seiner herkulischen Arbeit be- <46:> deckt, nach wenig Momenten flammte sein Thurm auf der Erdzunge in die Höhe, und er fand sich am Ende eines mühevollen Feldzugs wieder auf den Punkt zurückgebracht, wo er ihn angefangen hatte.
Durch alle diese Fehlschläge überzeugt, daß nichts in der Welt ihm den Mangel einer Kriegsflotte ersetzen könnte, sandte Robert wiederholte Botschaften an seinen Bruder, alle Unternehmungen in Sicilien aufzuschieben, und die Schiffe von Reggio und Messina nebst allen andern, die er in Sold bekommen könnte, auf das schleunigste zu seinem Dienst auszurüsten. Er selbst beschloß, auch den Winter über von der Landseite den Belagerten keine Ruhe zu gönnen. Mit unermüdetem Eifer wurde an den Maschinen gearbeitet, Steinschleudern, Mauerbrecher, bewegliche Thürme und Sturmdächer giengen aus den Händen der Werkmeister hervor. Überall war Robert zugegen, munterte die Arbeiter auf, legte selbst Hand an, und hatte gleich dem gemeinsten Reuter kein Obdach in der stürmischen Jahrszeit, als eine Hütte von Baumzweigen.
Auch die Belagerten waren nicht müßig gewesen. Stephan Pateranus hatte die Werke der Stadt verstärken und den Hafen räumen lassen, und gleich nach der Zerstöhrung der schwimmenden Brücke waren die leichtesten Fahrzeuge nach der Griechischen Küste geeilt, um den Abgang des versprochnen Entsatzes von Constantinopel aufs dringendste zu betreiben. Keine Art der Gegenwehr schien der griechischen Staatskunst unerlaubt gegen einen Feind, <47:> der sich die größte Mühe gab, eine Partey in der Stadt durch Versprechen und Drohungen zur Verrätherey zu bewegen. Ein Bürger von Bari, der sich erboth, durch die Ermordung des Herzogs den Drangsalen seiner Vaterstadt ein Ende zu machen, wurde als ein neuer Scävola verehrt. Mit einem Wurfspieß bewafnet, und in der Kleidung eines Sklaven, wagte er sich eines Abends in das feindliche Lager. Seine unbefangne Miene und sein ruhiger Gang erweckten keinen Verdacht, man hielt ihn für einen von Roberts Dienern, und er kam ungehindert bis an die Hütte, wo der Herzog mit einigen seiner Ritter sich zur Abendmahlzeit gelagert hatte. Der Barenser umgieng die Hütte, schob an der Rückwand die Zweige leise auseinander, und warf seinen Spieß. Aber entweder hatte seine Hand gezittert, oder ein Ast sie im Wurfe verrückt; der Spieß streifte blos Roberts Schulter, und heftete ihn mit dem Gewande am Boden fest. Bestürzt sprangen die Ritter auf, und setzten dem fliehenden Mörder nach, aber er entkam durch die Flüchtigkeit seiner Füße, und verbreitete in der Stadt die Nachricht von dem Tode des Herzogs.
Robert eilte, sich dem erschroknen Heere zu zeigen, und nahte sich den Mauern, indem er den Belagerten zurief, er lebe, und werde sich an den Meuchelmördern zu rächen wissen. Um ihn gegen ähnliche Angriffe zu sichern, baueten seine Soldaten ihm nun ein hölzernes Haus, und die Erbitterung gab ihnen neue Kraft zur Vollendung der Arbeiten. Die Stadt war im Frühjahr durch einen gedoppelten Erdwall umschlossen, die Maschinen rückten <48:> heran und bestürmten die Mauern, und die Nachricht, daß Roger, der mit unermüdetem Eifer seine Aufträge ausgerichtet hatte, mit einer ansehnlichen Flotte den Hafen von Reggio verlassen habe, erfüllte die Seele des Herzogs mit den lebhaftesten Erwartungen.


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