[1] Vgl. dazu Jörg Schönert, Kriminalgeschichten (1815-1830) im Spektrum von der »aktenmäßigen Darstellung« bis zur »historisch-romantischen Manier«, in: Rainer Schöwerling, Hartmut Steinecke (Hrsg.), Die Fürstliche Bibliothek Corvey. Ihre Bedeutung für eine neue Sicht der Literatur des frühen 19. Jahrhunderts (München 1992), 147-162. – Fragen zum Stellenwert von ›Devianz‹ im literarischen Werk Kleists klammere ich aus und ebenso das Problem, wie die ›Devianz‹ der »Berliner Abendblätter« zu den anderen Zeitungen Berlins oder zu den zeitgenössischen Zeitschriften und Sammlungen (den »Magazinen« und »Museen«) zu beschreiben wäre.

[2] Vgl. dazu den Beitrag von Sibylle Peters.

[3] Vgl. Jörg Schönert (Hrsg.), Erzählte Kriminalität. Zur Typologie und Funktion von narrativen Darstellungen in Strafrechtspflege, Publizistik und Literatur zwischen 1770 und 1920 (Tübingen 1991); Sebastian Scheerer, Vorwort, in: Stefan Andriopoulos, Unfall und Verbrechen. Konfigurationen zwischen juristischem und literarischem Diskurs um 1900 (Pfaffenweiler 1996), III-V.

[4] Vgl. dazu Christof K. Arnold, Wicked Lives. Funktion und Wandel der Verbrecherbiographie im England des 17. und frühen 18. Jahrhunderts (Heidelberg 1985); Hans-Jürgen Lüsebrink, Kriminalität und Literatur im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Literarische Formen, soziale Funktionen und Wissenskonstituenten im Zeitalter der Aufklärung (München, Wien 1983); ders., Französische Brigantenliteratur versus deutsche Räuberromantik? Skizze einer Funktionsgeschichte der deutschen und französischen Brigantenliteratur des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, in: Schönert (Hrsg.), Erzählte Kriminalität, (Anm. 3), 177-191; Holger Dainat, Abaellino, Rinaldi und Konsorten. Zur Kriminalgeschichte der Räuberromane in Deutschland (Tübingen 1996).

[5] Vgl. Lüsebrink, Kriminalität und Literatur im Frankreich des 18. Jahrhunderts, (Anm. 4) für Frankreich, Peter Drexel, Literatur, Recht, Kriminalität. Untersuchungen zur Vorgeschichte des englischen Detektivromans 1830-1890 (Frankfurt am Main, Bern, New York 1991), für England, insbesondere 79-83, Dainat, Abaellino, Rinaldi und Konsorten, (Anm. 4) für den deutschen Territorialbereich, insbesondere 147-195.

[6] Auch Pfister mit seinen »Aktenmäßigen Geschichten der Räuberbanden« (1812) wendet sich an Experten und Laien zugleich – vgl. Schönert, Kriminalgeschichten (1815-1830) im Spektrum von der »aktenmäßigen Darstellung« bis zur »historisch-romantischen Manier«, (Anm. 1), 152, Anm. 11.

[7] Vgl. Schönert, Kriminalgeschichten (1815-1830) im Spektrum von der »aktenmäßigen Darstellung« bis zur »historisch-romantischen Manier«, (Anm. 1), 154, Anm. 15.

[8] Vgl. ebd., 151f., Schaubild und Aufstellung.

[9] Vgl. die Sammlungen von Holger Dainat (Hrsg.), Kriminalgeschichten aus dem 18. Jahrhundert (Bielefeld 1987), und Joachim Linder (Hrsg.), Kriminalgeschichten aus dem 19. Jahrhundert (Bielefeld 1990).

[10] Vgl. Schönert, Kriminalgeschichten (1815-1830) im Spektrum von der »aktenmäßigen Darstellung« bis zur »historisch-romantischen Manier«, (Anm. 1), 154, Anm. 15.

[11] Vgl. ebd., 147.

[12] Vgl. Holger Dainat, Der unglückliche Mörder: Zur Kriminalgeschichte der deutschen Spätaufklärung, in: ZfdPh 107 (1988), 517-541; zum »Magazin zur Erfahrungsseelenkunde« und zu Müchler vgl. auch Schönert, Kriminalgeschichten (1815-1830) im Spektrum von der »aktenmäßigen Darstellung« bis zur »historisch-romantischen Manier«, (Anm. 1), 156.

[13] Vgl. zu diesen zeittypischen Erwartungshaltungen Schönert, Kriminalgeschichten (1815-1830) im Spektrum von der »aktenmäßigen Darstellung« bis zur »historisch-romantischen Manier«, (Anm. 2), 159f. – Ich danke den Veranstaltern der Tagung, die mir ihre Transkriptionen der Polizei-Rapporte zur Verfügung stellten. Für den Zeitraum der »Berliner Abendblätter« sind die Rapporte vom 1. 9. – 31. 12. 1810 erhalten. (vgl. BKB 11 [1997], 29-353); aufschlußreich wäre die Frage, inwieweit in den Rapporten die »Policey-Wissenschaft« des ausgehenden 18. Jahrhunderts (mit ihrem Interesse an der Statistik als Mittel der administrativen Technologie avancierter ›Staatskunst‹) angewendet wird.

[14] Vgl. für diese Konstellation den Beitrag von Sibylle Peters.

[15] Vgl. zur Antithetik Schönert, Kriminalgeschichten (1815-1830) im Spektrum von der »aktenmäßigen Darstellung« bis zur »historisch-romantischen Manier«, (Anm. 1), 159.

[16] H. v. Kleist, Brandenburger [1988-1991: Berliner] Ausgabe. Kritische Edition sämtlicher Texte nach Wortlaut, Orthographie, Zeichensetzung aller erhaltenen Handschriften und Drucke, hrsg. v. Roland Reuß und Peter Stangle (Basel, Frankfurt am Main 1988ff.) [= BKA], Bd. II/7, Berliner Abendblätter 1, 11.

[17] Vgl. BKA II/7, 24.

[18] Vgl. ebd., 24f.

[19] Vgl. ebd.

[20] Vgl. BKA II/7, 357: »Gemeinwohl und öffentliche Sicherheit« als Zielsetzungen – auch in den Buchpublikationen zu Kriminalität in diesem Zeitraum findet sich kaum Kritik an Polizei und Justiz, vgl. Schönert, Kriminalgeschichten (1815-1830) im Spektrum von der »aktenmäßigen Darstellung« bis zur »historisch-romantischen Manier«, (Anm. 1), 154, Anm. 17.

[21] Vgl. dazu Jochen Marquardt, Der mündige Zeitungsleser. Anmerkungen zur Kommunikationsstruktur der »Berliner Abendbläter«, in: Beiträge zur Kleist-Forschung 1986, 7-36.

[22] Justus v. Gruner (1777-1820), seit 1809 Polizeipräsident von Berlin, trat 1811 als Geheimer Staatsrat an die Spitze der Höheren Polizei Preußens, nahm 1812 seinen Abschied aus dem Polizeidienst.

[23] Vgl. zum Forschungsstand Müller-Salgets Kommentar in H. v. Kleist, Sämtliche Werke und Briefe in vier Bänden, hrsg. v. Ilse-Marie Barth u. a. (Frankfurt am Main 1986ff.), Bd. 3, Erzählungen. Anekdoten. Gedichte. Schriften, hrsg. v. Klaus Müller-Salget (1990), 1093.

[24] Diese ›Vernetzungen‹ sind ein Beispiel für die vielfachen Querbezüge im Gesamttext der »Berliner Abendblätter«, auf die Michael Rohrwasser, Eine Bombenpost. Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben, in: Text + Kritik, Sonderheft »H. v. Kleist« (München 1983), S. 151-162, verweist.

[25] Vgl. für den Zusammenhang von Beunruhigung und Beschwichtigung, von Kriminalfall und erfolgreicher Aktion der Polizei, auch BKA II/7, 96f. u. 102.

[26] In der Forschung gilt, daß die zweifache Erwähnung des Geh. Commerzienrates Pauli im Zusammenhang der Geschichte vom tollen Hund – BKA II/7, 45 – zu Interventionen des Genannten bei Gruner und zur Drosselung der spektakulären Informationen führte; vgl. Kleist, Sämtliche Werke und Briefe in vier Bänden, Bd. 3, 1203.

[27] Doch bleibt das Thema unterschiedlicher Brandstiftungen durchaus präsent in den erzählenden Texten der »Abendblätter«, vgl. u. a. »Das Bettelweib von Locarno« (BKA II/7, 51-54).

[28] Die regelmäßige Rubrik der amtlichen Polizei-Rapporte zu »Exzessen«, d. h. zu Schlägereien, anderen Gewalttätigkeiten, zu unsittlichem Betragen und Prostitution wird mit ihren Informationen wohl deshalb nicht an Kleist weitergegeben, weil den »Exzessen« weniger als der Kriminalität durch gezielte Maßnahmen der Polizei zu begegnen war.

[29] Die ironisch pointierte und wohl frei erfundene Erzählung wird Kleist zugeschrieben.

[30] Vgl. auch BKA II/7, 35f. oder 111f. Kleist entnimmt die Nachrichten den Polizei-Rapporten vom 17. und (für die letzte Meldung) vom 18. 10. 1810; die Namen werden anonymisiert. Über die inhaltliche Heterogenität der Polizei-Rapporte hinaus ist auch die exemplarische Heterogenität der einzelnen Ausgaben der »Berliner Abendblätter« zu beachten. Sie wird in der Erscheinungsfolge der »Berliner Abendblätter« jedoch durch die Wiederkehr der Rubriken, Themen, Motive und Personen bzw. Personentypen in ein (wenn auch lose geknüpftes) Netzwerk überführt. – Vgl. dazu den Beitrag von Peter Staengle, der auf den Unterschied zwischen den Wahrnehmungs- und Rezeptionsweisen der zeitgenössischen (Zeitungs-)Leser der »Abendblätter« mit ihrem Interesse an einzelnen Beiträgen und der literaturwissenschaftlichen Sicht auf die »Abendblätter« als ›Großtext‹ hinweist.

[31] Vgl. BKA II/7, 171.

[32] Beim Vergleich zwischen der Vorlage und dem Text der »Abendblättern« zeigt sich, daß Kleist den Soldaten nicht nur in »seinem Blute liegen«, sondern darin »schwimmen« läßt, während er aus dem Text des Polizei-Rapports überraschenderweise nicht übernimmt, was sich so ›kleistisch‹ liest: »und zerschmetterte ihm durch einen zweiten Schuß den ganzen Kopf, daß das Gehirn an die Decke spritzte«.

[33] Vgl. den Beitrag von Marianne Schuller; vgl. zum Genre der Anekdote in den »Abendblättern« Heinrich Aretz, Heinrich von Kleist als Journalist. Untersuchungen zum »Phöbus«, zur »Germania« und zu den »Abendblättern« (Stuttgart 1983), 264-281. Ein weiteres Beispiel, das eine eingehendere Diskussion verdient, ist der Text »Böses Gewissen« (BKA II/8, 290f.).

[34] Es wurde 1803-1815 herausgegeben von Johann Adam Bergk und Friedrich Gotthelf Baumgärtner.

[35] Vgl. dazu Aretz, Heinrich von Kleist als Journalist, (Anm. 33), 284f.

[36] Vgl. zu den Spuk- und Gruselgeschichten ebd., 284.

[37] Vgl. für die Zusammenarbeit von Kleist und Hitzig jüngst Nikolaus Dorsch, Julius Eduard Hitzig. Literarisches Patriarchat und bürgerliche Karriere. Eine dokumentarische Biographie zwischen Literatur, Buchhandel und Gericht der Jahre 1780-1815 (Frankfurt am Main, Bern, New York 1994).